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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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waren sonach unzweifelhaft, als Besitzer von Kniphausen, nnr unter Kaiser
und Reich stehende souveraine Herren. In Ansehung von Varel war das Ver¬
hältniß ein anderes. Dort besaßen die Grafen von Oldenburg, resp, deren
Regiernngsnachfvlger die Territorialhoheit, und wenn auch dem Grafen von
Altenburg und seinen Suecessoren die obere und niedere Gerichtsbarkeit sowie
alle Regalien überlassen worden waren, so konnten sie in der Herrschaft Varel
doch keinen Anspruch auf die volle Souverainetät erheben.

Nach dem Tode des Grafen Anton Günther, in Folge dessen Oldenburg
und Delmenhorst an das Haus Holstein-Gottorp, die Herrschaft Jever aber
an seine Schwester, vermählte Fürstin von Anhalt-Zerbst, fiel, trat Graf
Anton von Altenburg unangefochten die Herrschaft in Kniphausen an. Schon
mit seinem Sohne Anton II. starb jedoch die männliche Linie der Grafen von
Altenburg ans. Er hinterließ nur eine einzige Tochter, die Erbgräfin Char¬
lotte Sophie. Um ihre Hand bewarben sich mehrere Fürsten, allein sie gab
aus Neigung dem als Diplomaten bekannten niederländischen Freiherrn v.
Bentinck, der in den deutschen Reichsgrafenstand erhoben wurde, den Vorzug
und vermählte sich 1733 mit demselben. Sonach waren die Souveränetäts-
rechte der Herrlichkeit Kniphausen auf die Familie Bentinck übergegangen. Die
Ehe war leider keine glückliche, es traten solche Zerwürfnisse ein, daß eine
Trennung nothwendig wurde. Der Graf Wilhelm von Bentinck erhielt
sich im faktischen Besitz von Kniphausen und Varel, und seine Gemahlin, die
eine streitbare Dame gewesen sein muß, mit der nicht zu spaßen war, schien
nicht übel Lust zu haben, dort wieder selbst die Zügel in die Hand zu
nehmen. In diese Zeit des Zerwürfnisses fallen die nachstehenden Schilderungen.

Als' die Schlacht bei Roßbach die Reichsarmee um ihr letztes Ansehen
gebracht hatte und der Volkswitz sie in Liedern als Reißaus-Armee verhöhnte,
brauchte kein Kniphäuser Landeskind zu erröthen, deun die Herrlichkeit war
frei von allen Reichslasteil, hatte sonach auch keine Mannschaften zur Reichs-
nrmee gestellt. Mochten die hochgehenden Wogen des siebenjährigen Krieges
auch immerhin bis an die Gestade der Nordsee schlagen, die Kniphäuser wußten


auf einem der Kreistage, >was im Reichstage, d, h. es fehlte ihnen die Reichsstandschaft,
Dahingegen waren sie anch frei von allen Reichs- und Kreissteucru und namentlich auch
von der Mannschnftsstellnng zur Reichsarmee. Die Herrlichkeit war sonach ein umnittel-
dnrcs Reichsland mit seltener Reichsfrcihcit. Ein kaiserliches Müuzprivileginm vom
2>, Februar 1M4 ertheilte dem Grafen Anton I. und allen seinen Nachfolgern das Recht:
"Eine oder mehrere Münzstätten anordnen, bauen und aufrichten zu lassen und darin durch
ihre ehrbaren Münzmeister allerlei güldene und silberne Münzsorten, klein und groß zu
münzen) mit Umschriften, Bildnissen, Wappen und Geprägen auf beiden Seiten münzen
und schlagen zu lassen.

waren sonach unzweifelhaft, als Besitzer von Kniphausen, nnr unter Kaiser
und Reich stehende souveraine Herren. In Ansehung von Varel war das Ver¬
hältniß ein anderes. Dort besaßen die Grafen von Oldenburg, resp, deren
Regiernngsnachfvlger die Territorialhoheit, und wenn auch dem Grafen von
Altenburg und seinen Suecessoren die obere und niedere Gerichtsbarkeit sowie
alle Regalien überlassen worden waren, so konnten sie in der Herrschaft Varel
doch keinen Anspruch auf die volle Souverainetät erheben.

Nach dem Tode des Grafen Anton Günther, in Folge dessen Oldenburg
und Delmenhorst an das Haus Holstein-Gottorp, die Herrschaft Jever aber
an seine Schwester, vermählte Fürstin von Anhalt-Zerbst, fiel, trat Graf
Anton von Altenburg unangefochten die Herrschaft in Kniphausen an. Schon
mit seinem Sohne Anton II. starb jedoch die männliche Linie der Grafen von
Altenburg ans. Er hinterließ nur eine einzige Tochter, die Erbgräfin Char¬
lotte Sophie. Um ihre Hand bewarben sich mehrere Fürsten, allein sie gab
aus Neigung dem als Diplomaten bekannten niederländischen Freiherrn v.
Bentinck, der in den deutschen Reichsgrafenstand erhoben wurde, den Vorzug
und vermählte sich 1733 mit demselben. Sonach waren die Souveränetäts-
rechte der Herrlichkeit Kniphausen auf die Familie Bentinck übergegangen. Die
Ehe war leider keine glückliche, es traten solche Zerwürfnisse ein, daß eine
Trennung nothwendig wurde. Der Graf Wilhelm von Bentinck erhielt
sich im faktischen Besitz von Kniphausen und Varel, und seine Gemahlin, die
eine streitbare Dame gewesen sein muß, mit der nicht zu spaßen war, schien
nicht übel Lust zu haben, dort wieder selbst die Zügel in die Hand zu
nehmen. In diese Zeit des Zerwürfnisses fallen die nachstehenden Schilderungen.

Als' die Schlacht bei Roßbach die Reichsarmee um ihr letztes Ansehen
gebracht hatte und der Volkswitz sie in Liedern als Reißaus-Armee verhöhnte,
brauchte kein Kniphäuser Landeskind zu erröthen, deun die Herrlichkeit war
frei von allen Reichslasteil, hatte sonach auch keine Mannschaften zur Reichs-
nrmee gestellt. Mochten die hochgehenden Wogen des siebenjährigen Krieges
auch immerhin bis an die Gestade der Nordsee schlagen, die Kniphäuser wußten


auf einem der Kreistage, >was im Reichstage, d, h. es fehlte ihnen die Reichsstandschaft,
Dahingegen waren sie anch frei von allen Reichs- und Kreissteucru und namentlich auch
von der Mannschnftsstellnng zur Reichsarmee. Die Herrlichkeit war sonach ein umnittel-
dnrcs Reichsland mit seltener Reichsfrcihcit. Ein kaiserliches Müuzprivileginm vom
2>, Februar 1M4 ertheilte dem Grafen Anton I. und allen seinen Nachfolgern das Recht:
„Eine oder mehrere Münzstätten anordnen, bauen und aufrichten zu lassen und darin durch
ihre ehrbaren Münzmeister allerlei güldene und silberne Münzsorten, klein und groß zu
münzen) mit Umschriften, Bildnissen, Wappen und Geprägen auf beiden Seiten münzen
und schlagen zu lassen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/212>, abgerufen am 28.09.2024.