Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

erwidert er: "Mir ist gar nicht recht wohl zu Muthe" oder: "So so, la la"
oder auch: "Ich bin nur so mittelmäßig auf dem Zeuge". Die Weißen lachen
und spotten darüber als über Verstellung, aber wenigstens die Hälfte davon
ist Wahrheit, was schon daraus hervorgeht, daß die Sterblichkeit unter den
Negern sowohl in den Städten als ans dem Lande die unter den Weißen bei
Weitem übersteigt. Hütten sie nicht von Natur eine so kräftige und dauer¬
hafte Körperbeschaffenheit, so wäre kaum möglich, daß sie unter den Ver¬
hältnissen, in denen sie leben, sich auch nur so lange auf den Beinen erhalten
könnten.

Wie alles Andere, so ist auch die Art, wie man sich kleidet, unter den
Weißen überaus ärmlich und einfach geworden. Fadenscheinige, abgeschabte
Röcke mit Löchern an den Ellbogen und zotteligeu Fetzen an den Aermelanf-
schlügen und Schößen sind etwas Gewöhnliches geworden. Feines Tuch war
selbst in den Städten so selten geworden, daß die Leute, wo jemand damit
erschien, große Augen machten. Die Damen, die sich etwas Besseres als
Kattunkleider erzeugen konnten, hielten sich für glücklich. Erst seit einem Jahre
hat es sich damit ein wenig gebessert. Häufiger sieht man bei diesen Auf¬
dämmern einer neue" Aerci von Herren feines Tuch und von den Damen
Rips- und Seidenkleider tragen. Natürlich ahmen die Wohlhabenden die Moden
des Nordens nach, zu welchem Zwecke man sich die Modeblätter von Newyork
und Boston kommen läßt. Die Kleidung der Neger ist gewöhnlich geradezu
Abscheu erregend, ihre Hemden, Jacken und Beinkleider sind ein Gemisch von
Fett- und Schmutzflecken, und es ist äußerst unbehaglich, wenn man einem von
ihnen sich auf mehr als zehn Schritt nähern muß. Sie haben zu Hause in
der Regel ein Blechbecken, in welchen: sie sich manchmal waschen, gewöhnlicher
aber nehmen sie ihre Abwaschungen in der Pferdeschwemme vor, wo sie sich
dann das Gesicht mit den Hemdärmeln abtrocknen. Während des Sommers
baden sie in Bächen, wobei sie ihre Kleider, während sie noch naß sind, wieder
anziehen. Ihre Kinder sind entsetzlich schmutzig. An abgelegenen Orten tragen
sie kaum mehr als ein Hemd, und es fällt nicht sehr ans, kleine Knaben und
Mädchen von Farbigen völlig nackt umherlaufen und spielen zu sehen. Ein
großer Theil der Kleider, welche die ärmeren Neger tragen, ist von den Weißen
gebettelt, die ihnen ihre abgelegten Röcke, Hosen und Westen überlassen. Oft
ist es kaum möglich, zu errathen, was ursprünglich der Stoff und die Farbe
eines dieser Kleidungsstücke gewesen ist, so dicht und so bunt ist es mit grob
angehefteten Flecken besetzt. Bisweilen machen sie sich Anzüge aus Sückeu.
Ihre Schuhe siud irische Brogans oder zerlaufene Stiefeln, die ihnen die
Weißen geschenkt haben. Die Weiber tragen ein Tuch, das turbanartig um
den Kopf geschlungen ist und uuöglichst schreiende Farben haben muß. Manche


erwidert er: „Mir ist gar nicht recht wohl zu Muthe" oder: „So so, la la"
oder auch: „Ich bin nur so mittelmäßig auf dem Zeuge". Die Weißen lachen
und spotten darüber als über Verstellung, aber wenigstens die Hälfte davon
ist Wahrheit, was schon daraus hervorgeht, daß die Sterblichkeit unter den
Negern sowohl in den Städten als ans dem Lande die unter den Weißen bei
Weitem übersteigt. Hütten sie nicht von Natur eine so kräftige und dauer¬
hafte Körperbeschaffenheit, so wäre kaum möglich, daß sie unter den Ver¬
hältnissen, in denen sie leben, sich auch nur so lange auf den Beinen erhalten
könnten.

Wie alles Andere, so ist auch die Art, wie man sich kleidet, unter den
Weißen überaus ärmlich und einfach geworden. Fadenscheinige, abgeschabte
Röcke mit Löchern an den Ellbogen und zotteligeu Fetzen an den Aermelanf-
schlügen und Schößen sind etwas Gewöhnliches geworden. Feines Tuch war
selbst in den Städten so selten geworden, daß die Leute, wo jemand damit
erschien, große Augen machten. Die Damen, die sich etwas Besseres als
Kattunkleider erzeugen konnten, hielten sich für glücklich. Erst seit einem Jahre
hat es sich damit ein wenig gebessert. Häufiger sieht man bei diesen Auf¬
dämmern einer neue» Aerci von Herren feines Tuch und von den Damen
Rips- und Seidenkleider tragen. Natürlich ahmen die Wohlhabenden die Moden
des Nordens nach, zu welchem Zwecke man sich die Modeblätter von Newyork
und Boston kommen läßt. Die Kleidung der Neger ist gewöhnlich geradezu
Abscheu erregend, ihre Hemden, Jacken und Beinkleider sind ein Gemisch von
Fett- und Schmutzflecken, und es ist äußerst unbehaglich, wenn man einem von
ihnen sich auf mehr als zehn Schritt nähern muß. Sie haben zu Hause in
der Regel ein Blechbecken, in welchen: sie sich manchmal waschen, gewöhnlicher
aber nehmen sie ihre Abwaschungen in der Pferdeschwemme vor, wo sie sich
dann das Gesicht mit den Hemdärmeln abtrocknen. Während des Sommers
baden sie in Bächen, wobei sie ihre Kleider, während sie noch naß sind, wieder
anziehen. Ihre Kinder sind entsetzlich schmutzig. An abgelegenen Orten tragen
sie kaum mehr als ein Hemd, und es fällt nicht sehr ans, kleine Knaben und
Mädchen von Farbigen völlig nackt umherlaufen und spielen zu sehen. Ein
großer Theil der Kleider, welche die ärmeren Neger tragen, ist von den Weißen
gebettelt, die ihnen ihre abgelegten Röcke, Hosen und Westen überlassen. Oft
ist es kaum möglich, zu errathen, was ursprünglich der Stoff und die Farbe
eines dieser Kleidungsstücke gewesen ist, so dicht und so bunt ist es mit grob
angehefteten Flecken besetzt. Bisweilen machen sie sich Anzüge aus Sückeu.
Ihre Schuhe siud irische Brogans oder zerlaufene Stiefeln, die ihnen die
Weißen geschenkt haben. Die Weiber tragen ein Tuch, das turbanartig um
den Kopf geschlungen ist und uuöglichst schreiende Farben haben muß. Manche


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0199" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138430"/>
          <p xml:id="ID_571" prev="#ID_570"> erwidert er: &#x201E;Mir ist gar nicht recht wohl zu Muthe" oder: &#x201E;So so, la la"<lb/>
oder auch: &#x201E;Ich bin nur so mittelmäßig auf dem Zeuge". Die Weißen lachen<lb/>
und spotten darüber als über Verstellung, aber wenigstens die Hälfte davon<lb/>
ist Wahrheit, was schon daraus hervorgeht, daß die Sterblichkeit unter den<lb/>
Negern sowohl in den Städten als ans dem Lande die unter den Weißen bei<lb/>
Weitem übersteigt. Hütten sie nicht von Natur eine so kräftige und dauer¬<lb/>
hafte Körperbeschaffenheit, so wäre kaum möglich, daß sie unter den Ver¬<lb/>
hältnissen, in denen sie leben, sich auch nur so lange auf den Beinen erhalten<lb/>
könnten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_572" next="#ID_573"> Wie alles Andere, so ist auch die Art, wie man sich kleidet, unter den<lb/>
Weißen überaus ärmlich und einfach geworden. Fadenscheinige, abgeschabte<lb/>
Röcke mit Löchern an den Ellbogen und zotteligeu Fetzen an den Aermelanf-<lb/>
schlügen und Schößen sind etwas Gewöhnliches geworden. Feines Tuch war<lb/>
selbst in den Städten so selten geworden, daß die Leute, wo jemand damit<lb/>
erschien, große Augen machten. Die Damen, die sich etwas Besseres als<lb/>
Kattunkleider erzeugen konnten, hielten sich für glücklich. Erst seit einem Jahre<lb/>
hat es sich damit ein wenig gebessert. Häufiger sieht man bei diesen Auf¬<lb/>
dämmern einer neue» Aerci von Herren feines Tuch und von den Damen<lb/>
Rips- und Seidenkleider tragen. Natürlich ahmen die Wohlhabenden die Moden<lb/>
des Nordens nach, zu welchem Zwecke man sich die Modeblätter von Newyork<lb/>
und Boston kommen läßt. Die Kleidung der Neger ist gewöhnlich geradezu<lb/>
Abscheu erregend, ihre Hemden, Jacken und Beinkleider sind ein Gemisch von<lb/>
Fett- und Schmutzflecken, und es ist äußerst unbehaglich, wenn man einem von<lb/>
ihnen sich auf mehr als zehn Schritt nähern muß. Sie haben zu Hause in<lb/>
der Regel ein Blechbecken, in welchen: sie sich manchmal waschen, gewöhnlicher<lb/>
aber nehmen sie ihre Abwaschungen in der Pferdeschwemme vor, wo sie sich<lb/>
dann das Gesicht mit den Hemdärmeln abtrocknen. Während des Sommers<lb/>
baden sie in Bächen, wobei sie ihre Kleider, während sie noch naß sind, wieder<lb/>
anziehen. Ihre Kinder sind entsetzlich schmutzig. An abgelegenen Orten tragen<lb/>
sie kaum mehr als ein Hemd, und es fällt nicht sehr ans, kleine Knaben und<lb/>
Mädchen von Farbigen völlig nackt umherlaufen und spielen zu sehen. Ein<lb/>
großer Theil der Kleider, welche die ärmeren Neger tragen, ist von den Weißen<lb/>
gebettelt, die ihnen ihre abgelegten Röcke, Hosen und Westen überlassen. Oft<lb/>
ist es kaum möglich, zu errathen, was ursprünglich der Stoff und die Farbe<lb/>
eines dieser Kleidungsstücke gewesen ist, so dicht und so bunt ist es mit grob<lb/>
angehefteten Flecken besetzt. Bisweilen machen sie sich Anzüge aus Sückeu.<lb/>
Ihre Schuhe siud irische Brogans oder zerlaufene Stiefeln, die ihnen die<lb/>
Weißen geschenkt haben. Die Weiber tragen ein Tuch, das turbanartig um<lb/>
den Kopf geschlungen ist und uuöglichst schreiende Farben haben muß. Manche</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0199] erwidert er: „Mir ist gar nicht recht wohl zu Muthe" oder: „So so, la la" oder auch: „Ich bin nur so mittelmäßig auf dem Zeuge". Die Weißen lachen und spotten darüber als über Verstellung, aber wenigstens die Hälfte davon ist Wahrheit, was schon daraus hervorgeht, daß die Sterblichkeit unter den Negern sowohl in den Städten als ans dem Lande die unter den Weißen bei Weitem übersteigt. Hütten sie nicht von Natur eine so kräftige und dauer¬ hafte Körperbeschaffenheit, so wäre kaum möglich, daß sie unter den Ver¬ hältnissen, in denen sie leben, sich auch nur so lange auf den Beinen erhalten könnten. Wie alles Andere, so ist auch die Art, wie man sich kleidet, unter den Weißen überaus ärmlich und einfach geworden. Fadenscheinige, abgeschabte Röcke mit Löchern an den Ellbogen und zotteligeu Fetzen an den Aermelanf- schlügen und Schößen sind etwas Gewöhnliches geworden. Feines Tuch war selbst in den Städten so selten geworden, daß die Leute, wo jemand damit erschien, große Augen machten. Die Damen, die sich etwas Besseres als Kattunkleider erzeugen konnten, hielten sich für glücklich. Erst seit einem Jahre hat es sich damit ein wenig gebessert. Häufiger sieht man bei diesen Auf¬ dämmern einer neue» Aerci von Herren feines Tuch und von den Damen Rips- und Seidenkleider tragen. Natürlich ahmen die Wohlhabenden die Moden des Nordens nach, zu welchem Zwecke man sich die Modeblätter von Newyork und Boston kommen läßt. Die Kleidung der Neger ist gewöhnlich geradezu Abscheu erregend, ihre Hemden, Jacken und Beinkleider sind ein Gemisch von Fett- und Schmutzflecken, und es ist äußerst unbehaglich, wenn man einem von ihnen sich auf mehr als zehn Schritt nähern muß. Sie haben zu Hause in der Regel ein Blechbecken, in welchen: sie sich manchmal waschen, gewöhnlicher aber nehmen sie ihre Abwaschungen in der Pferdeschwemme vor, wo sie sich dann das Gesicht mit den Hemdärmeln abtrocknen. Während des Sommers baden sie in Bächen, wobei sie ihre Kleider, während sie noch naß sind, wieder anziehen. Ihre Kinder sind entsetzlich schmutzig. An abgelegenen Orten tragen sie kaum mehr als ein Hemd, und es fällt nicht sehr ans, kleine Knaben und Mädchen von Farbigen völlig nackt umherlaufen und spielen zu sehen. Ein großer Theil der Kleider, welche die ärmeren Neger tragen, ist von den Weißen gebettelt, die ihnen ihre abgelegten Röcke, Hosen und Westen überlassen. Oft ist es kaum möglich, zu errathen, was ursprünglich der Stoff und die Farbe eines dieser Kleidungsstücke gewesen ist, so dicht und so bunt ist es mit grob angehefteten Flecken besetzt. Bisweilen machen sie sich Anzüge aus Sückeu. Ihre Schuhe siud irische Brogans oder zerlaufene Stiefeln, die ihnen die Weißen geschenkt haben. Die Weiber tragen ein Tuch, das turbanartig um den Kopf geschlungen ist und uuöglichst schreiende Farben haben muß. Manche

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/199
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/199>, abgerufen am 28.09.2024.