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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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In der That, man sieht es für ein Glück an, wenn eine noch in der Lage ist,
sich eine Köchin zu halten. Die Küchen waren früher abgezweigt von den
Häusern, und die Speisen wurden, nachdem sie fertig waren, über den Hof ins
Eßzimmer getragen. Aber diese Methode ist außer Gebrauch gekommen, und
die Damen, die nicht gern mit Schüsseln und Terrinen über den Hof gehe",
haben sich irgend ein Zimmer des Hauses selbst zur Küche hergerichtet. Koch¬
ofen, früher fast ganz unbekannt, finden sich jetzt in jeder Familie; denn man
hat eben nicht mehr eine Menge von Negern zur Hand, die sich draußen über
das Herdfeuer beugen. Viele Damen sind auch ihre eignen Stichenmädchen
geworden, indem sie das Auskehren der Zimmer besorgen, die Möbel abstau¬
ben und die Betten machen. Ihre Knaben spalten das Holz für Kamin und
Ofen, und ihre Mädchen gehen der Mutter bei deu häuslichen Arbeiten zur
Hand. Bei solchen Familien steht infolge dessen die Gastfreundschaft tief nnter
Pari. Wenn Gesellschaft ankommt, ist die Fran vom Hanse gewöhnlich abge¬
halten. Statt sich zu deu Gästen ins Empfangszimmer setzen zu können, muß
sie für sie kochen und den Tisch decken, und selbst wenn sie Dienstleute hat,
muß sie unaufhörlich bei Seite gehen, um nach ihnen zu sehen; denn ein
Neger thut lediglich, was ihm geheißen wird. Das Essen ist fast immer dürftig
und selten gut gekocht; denn die Dame ist Dilettantin in der Küchenarbeit,
und die Negerköchin versteht auch nicht oft eine ordentliche Mahlzeit zu be¬
reiten. Das Geschirr ist hänfig alt und voll Sprünge. "Ich Pflegte", so er¬
zählt unser Südcaroliuier, "bis ich klüger wurde, die Dame eines Hauses, dessen
Besitzer mich bisweilen zu Tische bat, zu ersuchen, mir ihren Teller zukommen
zu lassen (man bediente sich hier selbst), damit ich ihr von dem vor mir stehen¬
den Gerichte etwas darauf legen könne. O nein, erwiderte sie, ich will Sie
lieber nicht bemühen; bitte geben Sie mir die Schüssel her, ich will mir selbst
davon nehmen. Der Zufall enthüllte mir zuletzt den Beweggrund ihrer hart¬
näckigen Ablehnung meines Anerbietens. Alle Teller waren den Gästen und
den Mitgliedern der Familie hingestellt worden, von welchen einige aus Suppen¬
tellern ihr Fleisch und Gemiise aßen. Die Mama aber speiste, hinter dein
Theeservice versteckt von einer Untertasse. Wenn ein Gang "falls es, was sehr
selten ist, mehr als einen gibt) verspeist ist, so pflegt sich eins von der Familie,
gewöhnlich einer der Knaben, zu erheben, den Tisch abzuräumen und das
Dessert aufzutragen.

Nicht nnr Kochofen, sondern auch Nähmaschinen und andere Gegenstände
des modernen Haushalts sind gegenwärtig vielmehr im Gebrauch als vor dem
Kriege. Die Weißen, die ihre Hausarbeit jetzt selbst verrichten müssen, sind
begierig, dieselbe mit Hilfe von Maschinen zu thun, da ihnen die Sklaven
fehlen. Uebrigens kann man Negern auch nicht gut Arbeit ersparende Maschinen


In der That, man sieht es für ein Glück an, wenn eine noch in der Lage ist,
sich eine Köchin zu halten. Die Küchen waren früher abgezweigt von den
Häusern, und die Speisen wurden, nachdem sie fertig waren, über den Hof ins
Eßzimmer getragen. Aber diese Methode ist außer Gebrauch gekommen, und
die Damen, die nicht gern mit Schüsseln und Terrinen über den Hof gehe»,
haben sich irgend ein Zimmer des Hauses selbst zur Küche hergerichtet. Koch¬
ofen, früher fast ganz unbekannt, finden sich jetzt in jeder Familie; denn man
hat eben nicht mehr eine Menge von Negern zur Hand, die sich draußen über
das Herdfeuer beugen. Viele Damen sind auch ihre eignen Stichenmädchen
geworden, indem sie das Auskehren der Zimmer besorgen, die Möbel abstau¬
ben und die Betten machen. Ihre Knaben spalten das Holz für Kamin und
Ofen, und ihre Mädchen gehen der Mutter bei deu häuslichen Arbeiten zur
Hand. Bei solchen Familien steht infolge dessen die Gastfreundschaft tief nnter
Pari. Wenn Gesellschaft ankommt, ist die Fran vom Hanse gewöhnlich abge¬
halten. Statt sich zu deu Gästen ins Empfangszimmer setzen zu können, muß
sie für sie kochen und den Tisch decken, und selbst wenn sie Dienstleute hat,
muß sie unaufhörlich bei Seite gehen, um nach ihnen zu sehen; denn ein
Neger thut lediglich, was ihm geheißen wird. Das Essen ist fast immer dürftig
und selten gut gekocht; denn die Dame ist Dilettantin in der Küchenarbeit,
und die Negerköchin versteht auch nicht oft eine ordentliche Mahlzeit zu be¬
reiten. Das Geschirr ist hänfig alt und voll Sprünge. „Ich Pflegte", so er¬
zählt unser Südcaroliuier, „bis ich klüger wurde, die Dame eines Hauses, dessen
Besitzer mich bisweilen zu Tische bat, zu ersuchen, mir ihren Teller zukommen
zu lassen (man bediente sich hier selbst), damit ich ihr von dem vor mir stehen¬
den Gerichte etwas darauf legen könne. O nein, erwiderte sie, ich will Sie
lieber nicht bemühen; bitte geben Sie mir die Schüssel her, ich will mir selbst
davon nehmen. Der Zufall enthüllte mir zuletzt den Beweggrund ihrer hart¬
näckigen Ablehnung meines Anerbietens. Alle Teller waren den Gästen und
den Mitgliedern der Familie hingestellt worden, von welchen einige aus Suppen¬
tellern ihr Fleisch und Gemiise aßen. Die Mama aber speiste, hinter dein
Theeservice versteckt von einer Untertasse. Wenn ein Gang «falls es, was sehr
selten ist, mehr als einen gibt) verspeist ist, so pflegt sich eins von der Familie,
gewöhnlich einer der Knaben, zu erheben, den Tisch abzuräumen und das
Dessert aufzutragen.

Nicht nnr Kochofen, sondern auch Nähmaschinen und andere Gegenstände
des modernen Haushalts sind gegenwärtig vielmehr im Gebrauch als vor dem
Kriege. Die Weißen, die ihre Hausarbeit jetzt selbst verrichten müssen, sind
begierig, dieselbe mit Hilfe von Maschinen zu thun, da ihnen die Sklaven
fehlen. Uebrigens kann man Negern auch nicht gut Arbeit ersparende Maschinen


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[0197] In der That, man sieht es für ein Glück an, wenn eine noch in der Lage ist, sich eine Köchin zu halten. Die Küchen waren früher abgezweigt von den Häusern, und die Speisen wurden, nachdem sie fertig waren, über den Hof ins Eßzimmer getragen. Aber diese Methode ist außer Gebrauch gekommen, und die Damen, die nicht gern mit Schüsseln und Terrinen über den Hof gehe», haben sich irgend ein Zimmer des Hauses selbst zur Küche hergerichtet. Koch¬ ofen, früher fast ganz unbekannt, finden sich jetzt in jeder Familie; denn man hat eben nicht mehr eine Menge von Negern zur Hand, die sich draußen über das Herdfeuer beugen. Viele Damen sind auch ihre eignen Stichenmädchen geworden, indem sie das Auskehren der Zimmer besorgen, die Möbel abstau¬ ben und die Betten machen. Ihre Knaben spalten das Holz für Kamin und Ofen, und ihre Mädchen gehen der Mutter bei deu häuslichen Arbeiten zur Hand. Bei solchen Familien steht infolge dessen die Gastfreundschaft tief nnter Pari. Wenn Gesellschaft ankommt, ist die Fran vom Hanse gewöhnlich abge¬ halten. Statt sich zu deu Gästen ins Empfangszimmer setzen zu können, muß sie für sie kochen und den Tisch decken, und selbst wenn sie Dienstleute hat, muß sie unaufhörlich bei Seite gehen, um nach ihnen zu sehen; denn ein Neger thut lediglich, was ihm geheißen wird. Das Essen ist fast immer dürftig und selten gut gekocht; denn die Dame ist Dilettantin in der Küchenarbeit, und die Negerköchin versteht auch nicht oft eine ordentliche Mahlzeit zu be¬ reiten. Das Geschirr ist hänfig alt und voll Sprünge. „Ich Pflegte", so er¬ zählt unser Südcaroliuier, „bis ich klüger wurde, die Dame eines Hauses, dessen Besitzer mich bisweilen zu Tische bat, zu ersuchen, mir ihren Teller zukommen zu lassen (man bediente sich hier selbst), damit ich ihr von dem vor mir stehen¬ den Gerichte etwas darauf legen könne. O nein, erwiderte sie, ich will Sie lieber nicht bemühen; bitte geben Sie mir die Schüssel her, ich will mir selbst davon nehmen. Der Zufall enthüllte mir zuletzt den Beweggrund ihrer hart¬ näckigen Ablehnung meines Anerbietens. Alle Teller waren den Gästen und den Mitgliedern der Familie hingestellt worden, von welchen einige aus Suppen¬ tellern ihr Fleisch und Gemiise aßen. Die Mama aber speiste, hinter dein Theeservice versteckt von einer Untertasse. Wenn ein Gang «falls es, was sehr selten ist, mehr als einen gibt) verspeist ist, so pflegt sich eins von der Familie, gewöhnlich einer der Knaben, zu erheben, den Tisch abzuräumen und das Dessert aufzutragen. Nicht nnr Kochofen, sondern auch Nähmaschinen und andere Gegenstände des modernen Haushalts sind gegenwärtig vielmehr im Gebrauch als vor dem Kriege. Die Weißen, die ihre Hausarbeit jetzt selbst verrichten müssen, sind begierig, dieselbe mit Hilfe von Maschinen zu thun, da ihnen die Sklaven fehlen. Uebrigens kann man Negern auch nicht gut Arbeit ersparende Maschinen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/197>, abgerufen am 28.09.2024.