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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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In Metz begegnen wir ihm bei Joh. Bartisch, und in Genf bei Griffonins,
der mehrere Jahre hindurch sein Lehrer war. Auch in Lausanne und Cöln liegt er
seinen Studien ob; noch im Jahre 1585 nennt er sich einen tirv der Chirurgie.
In den Jahren 1590 bis 1600 prakticirt er vorwiegend in Hilden und Cöln,
nimmt dann einen Ruf nach Peterlingen im Diflisbnrger Land an und übt
dort und in Lausanne bis 1611 die Praxis. Später wurde er Leib- und Wund-
arzt des Markgrafen von Baden und der löblichen Stadt Bern: illustrissimi
Ug-reliionis Laclonsis necnon mei^eg." reiMdIi<As Lörnönsis Nselieo-ediiursns.
Der letzte aus Bern von ihm geschriebene Brief ist datirt vom 21. Februar 1632.

Die Ausübung der chirurgischen Praxis unterschied sich wesentlich von der
heutigen, denn da dem Wundarzt weder Krankenhäuser noch Kliniken zu Gebote
standen, so behandelte er seine Kranken ambulatorisch, oder er besuchte sie, be¬
gleitet von seinen Schülern, in ihren Wohnungen. Wurde er zu einem entfernt
wohnenden Patienten gerufen, so blieb er nöthigenfalls Wochen- oder
monatelang in dessen Hause. Auf diese Weise hatte das Leben etwas Unstetes,
und der Wundarzt brachte einen großen Theil seines Daseins auf Reisen hin.
Schon 1581 sendet Cosmus Slotanus den jungen Fabricius in das Städtchen
Langenberg, wo er monatelang in einer Herberge wohnt und die Patienten
seines Meisters behandelt. In ähnlichem Auftrage wandert er wiederholt nach
Duisburg und Cleve. Später, namentlich aber von 1590 an, wächst mit
seinein Rufe auch die Praxis mehr und mehr, bis sich dieselbe allmählich über
das ganze westliche Deutschland, die Niederlande, Südfrankreich und die Schweiz
erstreckt. Vornehme und reiche Leute schätzten sich glücklich, wenn es ihnen
gelang, Fabricius als Arzt zu gewinnen. Den Fürsten Radziwill begleitet er
1610 nach Pfeffers, und 1617 treffen wir ihn bei dem Edeln von Riedesel zu
Eisenbach in Hessen. Bald ist er in Murat, bald auf Schloß Sachsenwald,
bald wieder am Hofe des Grafen v. Falkenstein. Nach Augsburg und Ulm
gerufen, wird er vom Rathe der Stadt mit Ehren überhäuft. 1611 bereist
er die Niederlande, besucht seine Verwandten in Hilden und ist am 11. Oktober
1612 in Mühlheim bei Cöln. Ueberall wo er sich aufhält, wird seiue Hilfe
in Anspruch genommen. Auf der Rückreise spricht er in Gießen vor und wird
von Gregorius Horstius bis nach Heidelberg geleitet und am Hofe des Land¬
grafen von Hessen in Darmstadt eingeführt. Kaum in der Schweiz an¬
gelangt, begibt er sich wieder auf drei Monate zum Herrn von Dalberg nach
Worms.

Neben diesem bewegten, ruhelosen Leben der Praxis, aus dem ich nur
einige wenige Züge mittheilte, entwickelte er eine großartige schriftstellerische
Thätigkeit. Er stand im Briefwechsel mit den Leibärzten des römisckien Kaisers,
der Könige von Frankreich, England, Dänemark, Polen und Ungarn, mit


Grenzboten III. 1877. 22

In Metz begegnen wir ihm bei Joh. Bartisch, und in Genf bei Griffonins,
der mehrere Jahre hindurch sein Lehrer war. Auch in Lausanne und Cöln liegt er
seinen Studien ob; noch im Jahre 1585 nennt er sich einen tirv der Chirurgie.
In den Jahren 1590 bis 1600 prakticirt er vorwiegend in Hilden und Cöln,
nimmt dann einen Ruf nach Peterlingen im Diflisbnrger Land an und übt
dort und in Lausanne bis 1611 die Praxis. Später wurde er Leib- und Wund-
arzt des Markgrafen von Baden und der löblichen Stadt Bern: illustrissimi
Ug-reliionis Laclonsis necnon mei^eg.« reiMdIi<As Lörnönsis Nselieo-ediiursns.
Der letzte aus Bern von ihm geschriebene Brief ist datirt vom 21. Februar 1632.

Die Ausübung der chirurgischen Praxis unterschied sich wesentlich von der
heutigen, denn da dem Wundarzt weder Krankenhäuser noch Kliniken zu Gebote
standen, so behandelte er seine Kranken ambulatorisch, oder er besuchte sie, be¬
gleitet von seinen Schülern, in ihren Wohnungen. Wurde er zu einem entfernt
wohnenden Patienten gerufen, so blieb er nöthigenfalls Wochen- oder
monatelang in dessen Hause. Auf diese Weise hatte das Leben etwas Unstetes,
und der Wundarzt brachte einen großen Theil seines Daseins auf Reisen hin.
Schon 1581 sendet Cosmus Slotanus den jungen Fabricius in das Städtchen
Langenberg, wo er monatelang in einer Herberge wohnt und die Patienten
seines Meisters behandelt. In ähnlichem Auftrage wandert er wiederholt nach
Duisburg und Cleve. Später, namentlich aber von 1590 an, wächst mit
seinein Rufe auch die Praxis mehr und mehr, bis sich dieselbe allmählich über
das ganze westliche Deutschland, die Niederlande, Südfrankreich und die Schweiz
erstreckt. Vornehme und reiche Leute schätzten sich glücklich, wenn es ihnen
gelang, Fabricius als Arzt zu gewinnen. Den Fürsten Radziwill begleitet er
1610 nach Pfeffers, und 1617 treffen wir ihn bei dem Edeln von Riedesel zu
Eisenbach in Hessen. Bald ist er in Murat, bald auf Schloß Sachsenwald,
bald wieder am Hofe des Grafen v. Falkenstein. Nach Augsburg und Ulm
gerufen, wird er vom Rathe der Stadt mit Ehren überhäuft. 1611 bereist
er die Niederlande, besucht seine Verwandten in Hilden und ist am 11. Oktober
1612 in Mühlheim bei Cöln. Ueberall wo er sich aufhält, wird seiue Hilfe
in Anspruch genommen. Auf der Rückreise spricht er in Gießen vor und wird
von Gregorius Horstius bis nach Heidelberg geleitet und am Hofe des Land¬
grafen von Hessen in Darmstadt eingeführt. Kaum in der Schweiz an¬
gelangt, begibt er sich wieder auf drei Monate zum Herrn von Dalberg nach
Worms.

Neben diesem bewegten, ruhelosen Leben der Praxis, aus dem ich nur
einige wenige Züge mittheilte, entwickelte er eine großartige schriftstellerische
Thätigkeit. Er stand im Briefwechsel mit den Leibärzten des römisckien Kaisers,
der Könige von Frankreich, England, Dänemark, Polen und Ungarn, mit


Grenzboten III. 1877. 22
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[0177] In Metz begegnen wir ihm bei Joh. Bartisch, und in Genf bei Griffonins, der mehrere Jahre hindurch sein Lehrer war. Auch in Lausanne und Cöln liegt er seinen Studien ob; noch im Jahre 1585 nennt er sich einen tirv der Chirurgie. In den Jahren 1590 bis 1600 prakticirt er vorwiegend in Hilden und Cöln, nimmt dann einen Ruf nach Peterlingen im Diflisbnrger Land an und übt dort und in Lausanne bis 1611 die Praxis. Später wurde er Leib- und Wund- arzt des Markgrafen von Baden und der löblichen Stadt Bern: illustrissimi Ug-reliionis Laclonsis necnon mei^eg.« reiMdIi<As Lörnönsis Nselieo-ediiursns. Der letzte aus Bern von ihm geschriebene Brief ist datirt vom 21. Februar 1632. Die Ausübung der chirurgischen Praxis unterschied sich wesentlich von der heutigen, denn da dem Wundarzt weder Krankenhäuser noch Kliniken zu Gebote standen, so behandelte er seine Kranken ambulatorisch, oder er besuchte sie, be¬ gleitet von seinen Schülern, in ihren Wohnungen. Wurde er zu einem entfernt wohnenden Patienten gerufen, so blieb er nöthigenfalls Wochen- oder monatelang in dessen Hause. Auf diese Weise hatte das Leben etwas Unstetes, und der Wundarzt brachte einen großen Theil seines Daseins auf Reisen hin. Schon 1581 sendet Cosmus Slotanus den jungen Fabricius in das Städtchen Langenberg, wo er monatelang in einer Herberge wohnt und die Patienten seines Meisters behandelt. In ähnlichem Auftrage wandert er wiederholt nach Duisburg und Cleve. Später, namentlich aber von 1590 an, wächst mit seinein Rufe auch die Praxis mehr und mehr, bis sich dieselbe allmählich über das ganze westliche Deutschland, die Niederlande, Südfrankreich und die Schweiz erstreckt. Vornehme und reiche Leute schätzten sich glücklich, wenn es ihnen gelang, Fabricius als Arzt zu gewinnen. Den Fürsten Radziwill begleitet er 1610 nach Pfeffers, und 1617 treffen wir ihn bei dem Edeln von Riedesel zu Eisenbach in Hessen. Bald ist er in Murat, bald auf Schloß Sachsenwald, bald wieder am Hofe des Grafen v. Falkenstein. Nach Augsburg und Ulm gerufen, wird er vom Rathe der Stadt mit Ehren überhäuft. 1611 bereist er die Niederlande, besucht seine Verwandten in Hilden und ist am 11. Oktober 1612 in Mühlheim bei Cöln. Ueberall wo er sich aufhält, wird seiue Hilfe in Anspruch genommen. Auf der Rückreise spricht er in Gießen vor und wird von Gregorius Horstius bis nach Heidelberg geleitet und am Hofe des Land¬ grafen von Hessen in Darmstadt eingeführt. Kaum in der Schweiz an¬ gelangt, begibt er sich wieder auf drei Monate zum Herrn von Dalberg nach Worms. Neben diesem bewegten, ruhelosen Leben der Praxis, aus dem ich nur einige wenige Züge mittheilte, entwickelte er eine großartige schriftstellerische Thätigkeit. Er stand im Briefwechsel mit den Leibärzten des römisckien Kaisers, der Könige von Frankreich, England, Dänemark, Polen und Ungarn, mit Grenzboten III. 1877. 22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/177>, abgerufen am 21.10.2024.