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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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des interessanten Buches die Kapitel aus, welche von den Wegen und Etappen
des alten Bernsteinhandels berichten. Die in Rede stehenden Gegenden waren
in der früheren Zeit weit sumpfiger als heutzutage. Das Wasser der Flüsse
hatte einen höheren Stand, und dasselbe war mit den Landseen der Fall.
Durch Trockenlegungen von Wiesen und Feldern, welche spätere Jahrhunderte
ausführten, durch dieRegulirung und Schiffbarmachung der Netze und verschiedene
Kanalisirungen ist z. B. der Wasserstand des Goplosees dermaßen erniedrigt
worden, daß die Verbindung desselben mit der Warthe und Netze ganz unter¬
brochen und dessen Länge um anderthalb Meilen verringert worden ist. Auch
die Moräste um denselben, an der Warthe und Netze waren ehemals ausgedehnter
und unpassirbarer. Alle Sümpfe in Posen und der Provinz Preußen theilten
einst diese Eigenschaft. Die ersten Arbeiten zur Ueberbrückung der Moräste
mit dicken Baumstämmen, die erst später durch Dämme ersetzt ivurden, fallen
in die Zeit der letzten Piaster. Der Oderbruch wurde wie der Obrabruch erst
in neuester Zeit entwässert.

Außer diesen Ursachen der Beseitigung der übermäßigen Wasserfülle jeuer
Landstriche hatte ferner die zunehmende Entwaldung bedeutenden Einfluß auf
die Abnahme der Feuchtigkeit. In vorhistorischer Zeit bedeckte die ganze
preußische Seenplatte und die Ränder der die Flußthäler einfassenden Höhen-
züge ein nur selten unterbrochener Urwald. Die Wolken, die sich an heißen
Tagen über dem Spiegel der Ostsee bildeten, wurden, vom Meereswinde nach
Süden getrieben, über diesen Wäldern tropfbar, während sich jetzt der größte
Theil derselben erst über dem Tatragebirge und dem Beskid entleert. Unter
dem Schutze der Wälder war endlich die Verdunstung früher eine viel schwächere,
und so waren diese Waldsümpse in der Urzeit sür Menschen unnahbar, und
man kam durch sie nur auf wenigen Wegen über die Wasserscheiden. Nur
dieser Umstand erklärt die Gewundenheit der strategischen Bewegungen in den
polnischen Kriegen des Mittelalters. In derselben Richtung aber mußten sich
anch die Handelsexpeditionen der vorgeschichtlichen Jahrhunderte durch die
Moräste hindurchschlängeln; denn die heutigen langen, mit breiten Abzugsgräben
ausgestatteten Dämme existirten damals nicht, und mau mußte somit die von
Natur trocknen Landzungen zwischen den Sümpfen zum Weiterkommen benutzen.

Den Eingang zu der hier ins Auge gefaßten Gegend bildet das obere
Oderthal. Bei Oppeln begannen schon die Moräste, zwischen denen es nur
zwei Durchgänge, bei Brieg und bei Dihernfurt, gab. Bei dem letzteren Orte
sing die Gegend am Strom wieder an, sumpfig zu werden, und erst bei Glogau,
nicht weit von der Mündung der Bartsch war wieder ein Thor in diesem
Bollwerk. Ein zweites Thor bildete die Passage bei Krossen, die älteste Ver-
i'chrSslraße zwischen den an der Warthe gelegenen Theilen Polens und der


des interessanten Buches die Kapitel aus, welche von den Wegen und Etappen
des alten Bernsteinhandels berichten. Die in Rede stehenden Gegenden waren
in der früheren Zeit weit sumpfiger als heutzutage. Das Wasser der Flüsse
hatte einen höheren Stand, und dasselbe war mit den Landseen der Fall.
Durch Trockenlegungen von Wiesen und Feldern, welche spätere Jahrhunderte
ausführten, durch dieRegulirung und Schiffbarmachung der Netze und verschiedene
Kanalisirungen ist z. B. der Wasserstand des Goplosees dermaßen erniedrigt
worden, daß die Verbindung desselben mit der Warthe und Netze ganz unter¬
brochen und dessen Länge um anderthalb Meilen verringert worden ist. Auch
die Moräste um denselben, an der Warthe und Netze waren ehemals ausgedehnter
und unpassirbarer. Alle Sümpfe in Posen und der Provinz Preußen theilten
einst diese Eigenschaft. Die ersten Arbeiten zur Ueberbrückung der Moräste
mit dicken Baumstämmen, die erst später durch Dämme ersetzt ivurden, fallen
in die Zeit der letzten Piaster. Der Oderbruch wurde wie der Obrabruch erst
in neuester Zeit entwässert.

Außer diesen Ursachen der Beseitigung der übermäßigen Wasserfülle jeuer
Landstriche hatte ferner die zunehmende Entwaldung bedeutenden Einfluß auf
die Abnahme der Feuchtigkeit. In vorhistorischer Zeit bedeckte die ganze
preußische Seenplatte und die Ränder der die Flußthäler einfassenden Höhen-
züge ein nur selten unterbrochener Urwald. Die Wolken, die sich an heißen
Tagen über dem Spiegel der Ostsee bildeten, wurden, vom Meereswinde nach
Süden getrieben, über diesen Wäldern tropfbar, während sich jetzt der größte
Theil derselben erst über dem Tatragebirge und dem Beskid entleert. Unter
dem Schutze der Wälder war endlich die Verdunstung früher eine viel schwächere,
und so waren diese Waldsümpse in der Urzeit sür Menschen unnahbar, und
man kam durch sie nur auf wenigen Wegen über die Wasserscheiden. Nur
dieser Umstand erklärt die Gewundenheit der strategischen Bewegungen in den
polnischen Kriegen des Mittelalters. In derselben Richtung aber mußten sich
anch die Handelsexpeditionen der vorgeschichtlichen Jahrhunderte durch die
Moräste hindurchschlängeln; denn die heutigen langen, mit breiten Abzugsgräben
ausgestatteten Dämme existirten damals nicht, und mau mußte somit die von
Natur trocknen Landzungen zwischen den Sümpfen zum Weiterkommen benutzen.

Den Eingang zu der hier ins Auge gefaßten Gegend bildet das obere
Oderthal. Bei Oppeln begannen schon die Moräste, zwischen denen es nur
zwei Durchgänge, bei Brieg und bei Dihernfurt, gab. Bei dem letzteren Orte
sing die Gegend am Strom wieder an, sumpfig zu werden, und erst bei Glogau,
nicht weit von der Mündung der Bartsch war wieder ein Thor in diesem
Bollwerk. Ein zweites Thor bildete die Passage bei Krossen, die älteste Ver-
i'chrSslraße zwischen den an der Warthe gelegenen Theilen Polens und der


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[0162] des interessanten Buches die Kapitel aus, welche von den Wegen und Etappen des alten Bernsteinhandels berichten. Die in Rede stehenden Gegenden waren in der früheren Zeit weit sumpfiger als heutzutage. Das Wasser der Flüsse hatte einen höheren Stand, und dasselbe war mit den Landseen der Fall. Durch Trockenlegungen von Wiesen und Feldern, welche spätere Jahrhunderte ausführten, durch dieRegulirung und Schiffbarmachung der Netze und verschiedene Kanalisirungen ist z. B. der Wasserstand des Goplosees dermaßen erniedrigt worden, daß die Verbindung desselben mit der Warthe und Netze ganz unter¬ brochen und dessen Länge um anderthalb Meilen verringert worden ist. Auch die Moräste um denselben, an der Warthe und Netze waren ehemals ausgedehnter und unpassirbarer. Alle Sümpfe in Posen und der Provinz Preußen theilten einst diese Eigenschaft. Die ersten Arbeiten zur Ueberbrückung der Moräste mit dicken Baumstämmen, die erst später durch Dämme ersetzt ivurden, fallen in die Zeit der letzten Piaster. Der Oderbruch wurde wie der Obrabruch erst in neuester Zeit entwässert. Außer diesen Ursachen der Beseitigung der übermäßigen Wasserfülle jeuer Landstriche hatte ferner die zunehmende Entwaldung bedeutenden Einfluß auf die Abnahme der Feuchtigkeit. In vorhistorischer Zeit bedeckte die ganze preußische Seenplatte und die Ränder der die Flußthäler einfassenden Höhen- züge ein nur selten unterbrochener Urwald. Die Wolken, die sich an heißen Tagen über dem Spiegel der Ostsee bildeten, wurden, vom Meereswinde nach Süden getrieben, über diesen Wäldern tropfbar, während sich jetzt der größte Theil derselben erst über dem Tatragebirge und dem Beskid entleert. Unter dem Schutze der Wälder war endlich die Verdunstung früher eine viel schwächere, und so waren diese Waldsümpse in der Urzeit sür Menschen unnahbar, und man kam durch sie nur auf wenigen Wegen über die Wasserscheiden. Nur dieser Umstand erklärt die Gewundenheit der strategischen Bewegungen in den polnischen Kriegen des Mittelalters. In derselben Richtung aber mußten sich anch die Handelsexpeditionen der vorgeschichtlichen Jahrhunderte durch die Moräste hindurchschlängeln; denn die heutigen langen, mit breiten Abzugsgräben ausgestatteten Dämme existirten damals nicht, und mau mußte somit die von Natur trocknen Landzungen zwischen den Sümpfen zum Weiterkommen benutzen. Den Eingang zu der hier ins Auge gefaßten Gegend bildet das obere Oderthal. Bei Oppeln begannen schon die Moräste, zwischen denen es nur zwei Durchgänge, bei Brieg und bei Dihernfurt, gab. Bei dem letzteren Orte sing die Gegend am Strom wieder an, sumpfig zu werden, und erst bei Glogau, nicht weit von der Mündung der Bartsch war wieder ein Thor in diesem Bollwerk. Ein zweites Thor bildete die Passage bei Krossen, die älteste Ver- i'chrSslraße zwischen den an der Warthe gelegenen Theilen Polens und der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/162>, abgerufen am 21.10.2024.