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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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Gewebe sowie Waffen und Werkzeuge aus Bronze und Eisen, endlich wohl
auch Salz, und tauschten dafür namentlich Bernstein ein, der bekanntlich einen
der größten Luxusartikel der Alten bildete und hoher als Gold geschätzt wurde,
vermuthlich aber auch Pelzwerk. Mit den Waaren aber zogen zugleich die
Anfänge der Civilisation, die Kunde der Gewinnung und Verarbeitung von
Metallen, Kunstmuster, mancherlei anderes Wissen, südliche Sitten, religiöse
Vorstellungen und Bräuche, Sagen und Mythen in deu noch halbwilden, wenn
auch schon von seßhaften und Ackerbau treibenden Stämmen bewohnten Nordosten
Europas ein.

Die ersten Straßen der Händler, welche dies alles ermittelten, waren ohne
Zweifel die Flüsse; denn an diesen hatte sich, wie überall so auch hier der
Mensch zuerst angesiedelt, da sie ihm in ihrem Fischreichthum bequem zu
erlangende Nahrung und das nothwendige Wasser boten, welches er sich noch
nicht durch Graben von Brunnen zu verschaffen wußte. Um die späteren
Landwege dieses Handelsverkehrs zu bestimmen, untersucht Sadowski zunächst
die physiographische Beschaffenheit des weiten Gebietes zwischen Oder, Riemen
und Dniepr in historischer Zeit und schließt von seinen Ergebnissen zurück
auf die Handelsstraßen der vorgeschichtlichen. Zu diesem Behufe hat er die
altpolnischen Archive durchforscht, um die Bewegungen der Heere in diesen
Gegenden zu studiren, wodurch er den Leser in den Stand setzt, aus dem
heutigen Straßenuetze alle die Wege auszuscheiden, welche erst in den letzten
Jahrhunderten durch die Waldsümpfe des Weichselgebietes gebahnt worden
sind. Nachdem er hiermit die einzig möglichen Handelsstraßen der Urzeit
bezeichnet hat, sucht er auf thuen die Etappen auf, wozu er sich unseres Erachtens
eines ganz richtigen Verfahrens bedient. Er nimmt, nachdem er bewiesen, daß
die Kaufleute des Südens nach Bernstein in die Ostseegegenden reisten, den
Ptolemäus zur Hand, reduzirt dessen Grade auf die unserigen und führt den
Leser von Etappe zu Etappe, wie sie sich durch Funde von Gegenständen
legitimiren, die aus dem Alterthum, aber uicht aus dem Norden stammen.
In Betreff der Herkunft der gefundenen Antiquitäten weist er aus guten Gründen
nach, daß die von ihm als Fingerzeige für die Richtung der vorhistorischen
Handelswege Osteuropas weder keltischen, germanischen, skandinavischen oder
slavischen, noch römischen oder griechischen Ursprungs, sondern etrnskisches
Fabrikat sind. Schließlich zeigt er uns die Ursache des endlichen AufHörens
dieses Handels, der nach ihm nicht in der Störung durch die Völkerwanderung,
sondern darin zu finden ist, daß der Bernstein mit der Zeit im Süden etwas
nicht Seltenes und damit wohlfeil geworden war, sodaß er die Mühen und
Kosten einer Reise nach seinem nordischen Fundorte nicht mehr lohnte.

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Grenzlwten III. 1377.

Gewebe sowie Waffen und Werkzeuge aus Bronze und Eisen, endlich wohl
auch Salz, und tauschten dafür namentlich Bernstein ein, der bekanntlich einen
der größten Luxusartikel der Alten bildete und hoher als Gold geschätzt wurde,
vermuthlich aber auch Pelzwerk. Mit den Waaren aber zogen zugleich die
Anfänge der Civilisation, die Kunde der Gewinnung und Verarbeitung von
Metallen, Kunstmuster, mancherlei anderes Wissen, südliche Sitten, religiöse
Vorstellungen und Bräuche, Sagen und Mythen in deu noch halbwilden, wenn
auch schon von seßhaften und Ackerbau treibenden Stämmen bewohnten Nordosten
Europas ein.

Die ersten Straßen der Händler, welche dies alles ermittelten, waren ohne
Zweifel die Flüsse; denn an diesen hatte sich, wie überall so auch hier der
Mensch zuerst angesiedelt, da sie ihm in ihrem Fischreichthum bequem zu
erlangende Nahrung und das nothwendige Wasser boten, welches er sich noch
nicht durch Graben von Brunnen zu verschaffen wußte. Um die späteren
Landwege dieses Handelsverkehrs zu bestimmen, untersucht Sadowski zunächst
die physiographische Beschaffenheit des weiten Gebietes zwischen Oder, Riemen
und Dniepr in historischer Zeit und schließt von seinen Ergebnissen zurück
auf die Handelsstraßen der vorgeschichtlichen. Zu diesem Behufe hat er die
altpolnischen Archive durchforscht, um die Bewegungen der Heere in diesen
Gegenden zu studiren, wodurch er den Leser in den Stand setzt, aus dem
heutigen Straßenuetze alle die Wege auszuscheiden, welche erst in den letzten
Jahrhunderten durch die Waldsümpfe des Weichselgebietes gebahnt worden
sind. Nachdem er hiermit die einzig möglichen Handelsstraßen der Urzeit
bezeichnet hat, sucht er auf thuen die Etappen auf, wozu er sich unseres Erachtens
eines ganz richtigen Verfahrens bedient. Er nimmt, nachdem er bewiesen, daß
die Kaufleute des Südens nach Bernstein in die Ostseegegenden reisten, den
Ptolemäus zur Hand, reduzirt dessen Grade auf die unserigen und führt den
Leser von Etappe zu Etappe, wie sie sich durch Funde von Gegenständen
legitimiren, die aus dem Alterthum, aber uicht aus dem Norden stammen.
In Betreff der Herkunft der gefundenen Antiquitäten weist er aus guten Gründen
nach, daß die von ihm als Fingerzeige für die Richtung der vorhistorischen
Handelswege Osteuropas weder keltischen, germanischen, skandinavischen oder
slavischen, noch römischen oder griechischen Ursprungs, sondern etrnskisches
Fabrikat sind. Schließlich zeigt er uns die Ursache des endlichen AufHörens
dieses Handels, der nach ihm nicht in der Störung durch die Völkerwanderung,
sondern darin zu finden ist, daß der Bernstein mit der Zeit im Süden etwas
nicht Seltenes und damit wohlfeil geworden war, sodaß er die Mühen und
Kosten einer Reise nach seinem nordischen Fundorte nicht mehr lohnte.

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[0161] Gewebe sowie Waffen und Werkzeuge aus Bronze und Eisen, endlich wohl auch Salz, und tauschten dafür namentlich Bernstein ein, der bekanntlich einen der größten Luxusartikel der Alten bildete und hoher als Gold geschätzt wurde, vermuthlich aber auch Pelzwerk. Mit den Waaren aber zogen zugleich die Anfänge der Civilisation, die Kunde der Gewinnung und Verarbeitung von Metallen, Kunstmuster, mancherlei anderes Wissen, südliche Sitten, religiöse Vorstellungen und Bräuche, Sagen und Mythen in deu noch halbwilden, wenn auch schon von seßhaften und Ackerbau treibenden Stämmen bewohnten Nordosten Europas ein. Die ersten Straßen der Händler, welche dies alles ermittelten, waren ohne Zweifel die Flüsse; denn an diesen hatte sich, wie überall so auch hier der Mensch zuerst angesiedelt, da sie ihm in ihrem Fischreichthum bequem zu erlangende Nahrung und das nothwendige Wasser boten, welches er sich noch nicht durch Graben von Brunnen zu verschaffen wußte. Um die späteren Landwege dieses Handelsverkehrs zu bestimmen, untersucht Sadowski zunächst die physiographische Beschaffenheit des weiten Gebietes zwischen Oder, Riemen und Dniepr in historischer Zeit und schließt von seinen Ergebnissen zurück auf die Handelsstraßen der vorgeschichtlichen. Zu diesem Behufe hat er die altpolnischen Archive durchforscht, um die Bewegungen der Heere in diesen Gegenden zu studiren, wodurch er den Leser in den Stand setzt, aus dem heutigen Straßenuetze alle die Wege auszuscheiden, welche erst in den letzten Jahrhunderten durch die Waldsümpfe des Weichselgebietes gebahnt worden sind. Nachdem er hiermit die einzig möglichen Handelsstraßen der Urzeit bezeichnet hat, sucht er auf thuen die Etappen auf, wozu er sich unseres Erachtens eines ganz richtigen Verfahrens bedient. Er nimmt, nachdem er bewiesen, daß die Kaufleute des Südens nach Bernstein in die Ostseegegenden reisten, den Ptolemäus zur Hand, reduzirt dessen Grade auf die unserigen und führt den Leser von Etappe zu Etappe, wie sie sich durch Funde von Gegenständen legitimiren, die aus dem Alterthum, aber uicht aus dem Norden stammen. In Betreff der Herkunft der gefundenen Antiquitäten weist er aus guten Gründen nach, daß die von ihm als Fingerzeige für die Richtung der vorhistorischen Handelswege Osteuropas weder keltischen, germanischen, skandinavischen oder slavischen, noch römischen oder griechischen Ursprungs, sondern etrnskisches Fabrikat sind. Schließlich zeigt er uns die Ursache des endlichen AufHörens dieses Handels, der nach ihm nicht in der Störung durch die Völkerwanderung, sondern darin zu finden ist, daß der Bernstein mit der Zeit im Süden etwas nicht Seltenes und damit wohlfeil geworden war, sodaß er die Mühen und Kosten einer Reise nach seinem nordischen Fundorte nicht mehr lohnte. Wir wählen zu etwas ausführlicheren Mittheilungen ans dem Inhalte Grenzlwten III. 1377.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/161>, abgerufen am 28.09.2024.