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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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Junge Sprößlinge der Aristokratie vermiethcten sich bei ihren glücklicheren
Nachbarn als Overseers oder nahmen keinen Anstoß daran, sich als Commis,
Schullehrer oder Beamte bei der Post, der Eisenbahn, bei Versicherungsgesell¬
schaften und Nähinaschineufabrikanten ihren Lebensunterhalt zu suchen. Jene
Familien, die nicht sofort niedergeworfen worden waren, wußten es einzu¬
richten, daß sie sich noch eine Weile in der alten Weise fortschleppen konnten.
Sie beharrten dabei, ihre Kutschen, ihre Kutscher und Vorreiter zu behalten,
großartige Gesellschaften und Gastereien zu geben, ihrem Besuche theure Weine
vorzusetzen und Visiten mit aller Förmlichkeit abzustatten. Aber allmählich
ging es auch mit ihnen bergab. Sie wurden ihre eignen Kutscher, und sie
schlossen ihre Thüren und 'Thore selbst auf. Ihre Wagen wurden alt und
schmutzig. Ihre Pferde, zuerst nur zum Ausreiter und Ausfahren der Herr¬
schaft gehalten, magerten vor dem Pfluge ab oder wurden verkauft, und
Maulthiere ersetzten sie vor der Kutsche. Nur selten gaben sie noch Bälle und
schwelgerische Gastmähler. Endlich wurde ihre Hauptsorge, sich vor dem Ver¬
hungern zu schützen. Viele sahen sich gezwungen, sich ihr Essen selbst zu kochen.
Die meisten wurden ihre eignen Diener. Die Kaufleute verlangten, nachdem
sie Kredit gegeben, bis sie sich damit halb zu Grunde gerichtet hatten, mit
Ungestüm ihr Geld, und vielen von diesen unklugen Aristokraten wurde
Schulden halber ihr Gut verkauft. Ihre Anstrengungen, sich über Wasser zu
halten und den Schein zu wahren, sind in vielen Fällen wahrhaft erbarmens¬
werth gewesen.

Seit dem Kriege hat das Volk von Südcarolina viele altgewohnte behag¬
liche Dinge eingebüßt. Hunderte von Häusern wurden während des Krieges
niedergebrannt und fast ebenso viele sind seitdem durch Brandstifter zerstört
worden. Nach dem Aufhören der Feindseligkeiten war allenthalben der
Bankerott an der Tagesordnung. Eine Menge von Leuten mußten sehen, wie
die Behörden ihnen wegen rückständiger Steuern ihre Habe verkauften. Drei
Viertel der Weißen haben entweder aus ihrer Wohnung ausziehen oder den
Ort, wo sie ansässig waren, verlassen müssen. Das hat viel Schmerz und
Kummer zur Folge gehabt. Auch die Neger sind unaufhörlich bald da, bald
dorthin verzogen. Die große Mehrzahl verließ ihre früheren Eigenthümer.
Sie sind Dienstboten, geworden, mit denen man viel Noth hat, so daß sie selten
lange an einer Stelle verbleiben. Eine der Hanptklagen weißer Damen ist seit
dem Kriege die Art und Weise gewesen, wie die Hausdienerschaft, die von ihnen
wegzieht und sich bei Andern vermiethet, sie bei ihrer neuen Dienstherrschaft
verklatscht und verläumdet. In der alten Zeit, wo jede Familie gewisse alte
Lieblingssklaven hatte, die man nie verkaufte, und die immer bei ihren Besitzern
blieben, war dieser verdrießliche Klatsch eine unbekannte Sache.


Junge Sprößlinge der Aristokratie vermiethcten sich bei ihren glücklicheren
Nachbarn als Overseers oder nahmen keinen Anstoß daran, sich als Commis,
Schullehrer oder Beamte bei der Post, der Eisenbahn, bei Versicherungsgesell¬
schaften und Nähinaschineufabrikanten ihren Lebensunterhalt zu suchen. Jene
Familien, die nicht sofort niedergeworfen worden waren, wußten es einzu¬
richten, daß sie sich noch eine Weile in der alten Weise fortschleppen konnten.
Sie beharrten dabei, ihre Kutschen, ihre Kutscher und Vorreiter zu behalten,
großartige Gesellschaften und Gastereien zu geben, ihrem Besuche theure Weine
vorzusetzen und Visiten mit aller Förmlichkeit abzustatten. Aber allmählich
ging es auch mit ihnen bergab. Sie wurden ihre eignen Kutscher, und sie
schlossen ihre Thüren und 'Thore selbst auf. Ihre Wagen wurden alt und
schmutzig. Ihre Pferde, zuerst nur zum Ausreiter und Ausfahren der Herr¬
schaft gehalten, magerten vor dem Pfluge ab oder wurden verkauft, und
Maulthiere ersetzten sie vor der Kutsche. Nur selten gaben sie noch Bälle und
schwelgerische Gastmähler. Endlich wurde ihre Hauptsorge, sich vor dem Ver¬
hungern zu schützen. Viele sahen sich gezwungen, sich ihr Essen selbst zu kochen.
Die meisten wurden ihre eignen Diener. Die Kaufleute verlangten, nachdem
sie Kredit gegeben, bis sie sich damit halb zu Grunde gerichtet hatten, mit
Ungestüm ihr Geld, und vielen von diesen unklugen Aristokraten wurde
Schulden halber ihr Gut verkauft. Ihre Anstrengungen, sich über Wasser zu
halten und den Schein zu wahren, sind in vielen Fällen wahrhaft erbarmens¬
werth gewesen.

Seit dem Kriege hat das Volk von Südcarolina viele altgewohnte behag¬
liche Dinge eingebüßt. Hunderte von Häusern wurden während des Krieges
niedergebrannt und fast ebenso viele sind seitdem durch Brandstifter zerstört
worden. Nach dem Aufhören der Feindseligkeiten war allenthalben der
Bankerott an der Tagesordnung. Eine Menge von Leuten mußten sehen, wie
die Behörden ihnen wegen rückständiger Steuern ihre Habe verkauften. Drei
Viertel der Weißen haben entweder aus ihrer Wohnung ausziehen oder den
Ort, wo sie ansässig waren, verlassen müssen. Das hat viel Schmerz und
Kummer zur Folge gehabt. Auch die Neger sind unaufhörlich bald da, bald
dorthin verzogen. Die große Mehrzahl verließ ihre früheren Eigenthümer.
Sie sind Dienstboten, geworden, mit denen man viel Noth hat, so daß sie selten
lange an einer Stelle verbleiben. Eine der Hanptklagen weißer Damen ist seit
dem Kriege die Art und Weise gewesen, wie die Hausdienerschaft, die von ihnen
wegzieht und sich bei Andern vermiethet, sie bei ihrer neuen Dienstherrschaft
verklatscht und verläumdet. In der alten Zeit, wo jede Familie gewisse alte
Lieblingssklaven hatte, die man nie verkaufte, und die immer bei ihren Besitzern
blieben, war dieser verdrießliche Klatsch eine unbekannte Sache.


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[0156] Junge Sprößlinge der Aristokratie vermiethcten sich bei ihren glücklicheren Nachbarn als Overseers oder nahmen keinen Anstoß daran, sich als Commis, Schullehrer oder Beamte bei der Post, der Eisenbahn, bei Versicherungsgesell¬ schaften und Nähinaschineufabrikanten ihren Lebensunterhalt zu suchen. Jene Familien, die nicht sofort niedergeworfen worden waren, wußten es einzu¬ richten, daß sie sich noch eine Weile in der alten Weise fortschleppen konnten. Sie beharrten dabei, ihre Kutschen, ihre Kutscher und Vorreiter zu behalten, großartige Gesellschaften und Gastereien zu geben, ihrem Besuche theure Weine vorzusetzen und Visiten mit aller Förmlichkeit abzustatten. Aber allmählich ging es auch mit ihnen bergab. Sie wurden ihre eignen Kutscher, und sie schlossen ihre Thüren und 'Thore selbst auf. Ihre Wagen wurden alt und schmutzig. Ihre Pferde, zuerst nur zum Ausreiter und Ausfahren der Herr¬ schaft gehalten, magerten vor dem Pfluge ab oder wurden verkauft, und Maulthiere ersetzten sie vor der Kutsche. Nur selten gaben sie noch Bälle und schwelgerische Gastmähler. Endlich wurde ihre Hauptsorge, sich vor dem Ver¬ hungern zu schützen. Viele sahen sich gezwungen, sich ihr Essen selbst zu kochen. Die meisten wurden ihre eignen Diener. Die Kaufleute verlangten, nachdem sie Kredit gegeben, bis sie sich damit halb zu Grunde gerichtet hatten, mit Ungestüm ihr Geld, und vielen von diesen unklugen Aristokraten wurde Schulden halber ihr Gut verkauft. Ihre Anstrengungen, sich über Wasser zu halten und den Schein zu wahren, sind in vielen Fällen wahrhaft erbarmens¬ werth gewesen. Seit dem Kriege hat das Volk von Südcarolina viele altgewohnte behag¬ liche Dinge eingebüßt. Hunderte von Häusern wurden während des Krieges niedergebrannt und fast ebenso viele sind seitdem durch Brandstifter zerstört worden. Nach dem Aufhören der Feindseligkeiten war allenthalben der Bankerott an der Tagesordnung. Eine Menge von Leuten mußten sehen, wie die Behörden ihnen wegen rückständiger Steuern ihre Habe verkauften. Drei Viertel der Weißen haben entweder aus ihrer Wohnung ausziehen oder den Ort, wo sie ansässig waren, verlassen müssen. Das hat viel Schmerz und Kummer zur Folge gehabt. Auch die Neger sind unaufhörlich bald da, bald dorthin verzogen. Die große Mehrzahl verließ ihre früheren Eigenthümer. Sie sind Dienstboten, geworden, mit denen man viel Noth hat, so daß sie selten lange an einer Stelle verbleiben. Eine der Hanptklagen weißer Damen ist seit dem Kriege die Art und Weise gewesen, wie die Hausdienerschaft, die von ihnen wegzieht und sich bei Andern vermiethet, sie bei ihrer neuen Dienstherrschaft verklatscht und verläumdet. In der alten Zeit, wo jede Familie gewisse alte Lieblingssklaven hatte, die man nie verkaufte, und die immer bei ihren Besitzern blieben, war dieser verdrießliche Klatsch eine unbekannte Sache.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/156>, abgerufen am 21.10.2024.