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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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Wie man den Obergeneral der Konfederirten Lee zum Präsidenten eines be¬
rühmten College in Virginien machte, so wurde der ehemalige Senator der
Vereinigten Staaten Robert Barnwell, der Freund von Jefferson Davis, bei
der Wiedererrichtung des alten South-Carolina-College an dessen Spitze gestellt.
Wir könnten Dutzende von ähnlichen Fällen anführen. Aber, wie gesagt, die
Aristokraten wurden auch Lehrer -- und zwar Lehrer an Volksschule,:. Hunderte
von verarmten Damen der höchsten Stände übernah inen Stellen als Lehrerinnen
an Mädchenschulen und in Pensionaten. Wir übertreiben kaum, wenn wir
sagen, daß die Erziehung der Jugend im Süden jetzt den Händen der alten
Aristokratie anvertraut ist. Sie prägen ihren Zöglingen ihre Manieren und
Ansichten ein, und die Folge ist, daß, das heranwachsende Geschlecht noch fana¬
tischer für die Ideen des Südens sckMirmt und den Norden noch glühender
haßt als seine Väter. Wir hätten beinahe vergessen, daß die Presse mit der
ganzen unermeßlichen Macht, die sie in demokratisch regierten Staaten ausübt,
ebenfalls in den Händen der Aristokratie ist; denn selbstverständlich war der
Redaktenrsessel für heruntergekommene Aristokraten ein noch begehrenswertherer
Besitz als das Katheder des Schulmonarchen. Wir wollen hier nur auf den
Umstand hinweisen, daß die leitende demokratische Tageszeitung Charlestons,
das Organ von Hampton, Butler und dem demokratischen Centralausschuß,
einen Herrn Barnwell Rhett zum Redakteur hat, und daß das einzige demo¬
kratische Tageblatt in Columbia von C. P. Pelham geleitet wird, der früher
Professor an dem College war, welchem Preston und Barnwell vorstanden.

Die Aristokratie liefert also die Führer in allen öffentlichen Angelegenheiten
Südearolinas. Aber während sie früher das Volk gleichsam mit Peitsche und
Pistole vor sich her zu treiben pflegten, sind sie jetzt nur noch die Leiter, denen
man vertraut und folgt, und denen man wahrscheinlich noch lange Jahre ver¬
trauen und folgen wird, denen aber das Volk anch die Heeresfolge versagen
kann, wenn es ihm beliebt. Bis auf die letzte Wahlcampagne z. B. beharrte
das Volk dieses Staates dabei, sehr gerade Wege einzuschlagen.

Die große Masse der Aristokratie wurde, wie gesagt, durch den Krieg zu
Grunde gerichtet -- einige ihrer Mitglieder sahen sich bis an die Lippen in
Armuth versenkt. Nicht wenige verfielen infolge des entsetzlichen Schlages in
Wahnsinn. Andere wurden von absoluter Theilnahmlosigkeit und Verzweiflung
ergriffen. Sie lebten weiter, so gut sie vermochten, und verkauften ihr Land
und ihre bewegliche Habe, wenn die Noth sie drückte. Wieder Andere aber
gingen mannhaft an die Arbeit. Eine Menge hochgeborner und ehedem sehr
hochfahrender Frauen zögerten, im letzten Kampfe zu Wittwen geworden, nicht,
auf das Feld hinauszugehen und ihre Tagelöhner zu beaufsichtigen. Viele
Gutsherrn entließen ihre Verwalter und bewirthschafteten ihre Güter selbst.


Wie man den Obergeneral der Konfederirten Lee zum Präsidenten eines be¬
rühmten College in Virginien machte, so wurde der ehemalige Senator der
Vereinigten Staaten Robert Barnwell, der Freund von Jefferson Davis, bei
der Wiedererrichtung des alten South-Carolina-College an dessen Spitze gestellt.
Wir könnten Dutzende von ähnlichen Fällen anführen. Aber, wie gesagt, die
Aristokraten wurden auch Lehrer — und zwar Lehrer an Volksschule,:. Hunderte
von verarmten Damen der höchsten Stände übernah inen Stellen als Lehrerinnen
an Mädchenschulen und in Pensionaten. Wir übertreiben kaum, wenn wir
sagen, daß die Erziehung der Jugend im Süden jetzt den Händen der alten
Aristokratie anvertraut ist. Sie prägen ihren Zöglingen ihre Manieren und
Ansichten ein, und die Folge ist, daß, das heranwachsende Geschlecht noch fana¬
tischer für die Ideen des Südens sckMirmt und den Norden noch glühender
haßt als seine Väter. Wir hätten beinahe vergessen, daß die Presse mit der
ganzen unermeßlichen Macht, die sie in demokratisch regierten Staaten ausübt,
ebenfalls in den Händen der Aristokratie ist; denn selbstverständlich war der
Redaktenrsessel für heruntergekommene Aristokraten ein noch begehrenswertherer
Besitz als das Katheder des Schulmonarchen. Wir wollen hier nur auf den
Umstand hinweisen, daß die leitende demokratische Tageszeitung Charlestons,
das Organ von Hampton, Butler und dem demokratischen Centralausschuß,
einen Herrn Barnwell Rhett zum Redakteur hat, und daß das einzige demo¬
kratische Tageblatt in Columbia von C. P. Pelham geleitet wird, der früher
Professor an dem College war, welchem Preston und Barnwell vorstanden.

Die Aristokratie liefert also die Führer in allen öffentlichen Angelegenheiten
Südearolinas. Aber während sie früher das Volk gleichsam mit Peitsche und
Pistole vor sich her zu treiben pflegten, sind sie jetzt nur noch die Leiter, denen
man vertraut und folgt, und denen man wahrscheinlich noch lange Jahre ver¬
trauen und folgen wird, denen aber das Volk anch die Heeresfolge versagen
kann, wenn es ihm beliebt. Bis auf die letzte Wahlcampagne z. B. beharrte
das Volk dieses Staates dabei, sehr gerade Wege einzuschlagen.

Die große Masse der Aristokratie wurde, wie gesagt, durch den Krieg zu
Grunde gerichtet — einige ihrer Mitglieder sahen sich bis an die Lippen in
Armuth versenkt. Nicht wenige verfielen infolge des entsetzlichen Schlages in
Wahnsinn. Andere wurden von absoluter Theilnahmlosigkeit und Verzweiflung
ergriffen. Sie lebten weiter, so gut sie vermochten, und verkauften ihr Land
und ihre bewegliche Habe, wenn die Noth sie drückte. Wieder Andere aber
gingen mannhaft an die Arbeit. Eine Menge hochgeborner und ehedem sehr
hochfahrender Frauen zögerten, im letzten Kampfe zu Wittwen geworden, nicht,
auf das Feld hinauszugehen und ihre Tagelöhner zu beaufsichtigen. Viele
Gutsherrn entließen ihre Verwalter und bewirthschafteten ihre Güter selbst.


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[0155] Wie man den Obergeneral der Konfederirten Lee zum Präsidenten eines be¬ rühmten College in Virginien machte, so wurde der ehemalige Senator der Vereinigten Staaten Robert Barnwell, der Freund von Jefferson Davis, bei der Wiedererrichtung des alten South-Carolina-College an dessen Spitze gestellt. Wir könnten Dutzende von ähnlichen Fällen anführen. Aber, wie gesagt, die Aristokraten wurden auch Lehrer — und zwar Lehrer an Volksschule,:. Hunderte von verarmten Damen der höchsten Stände übernah inen Stellen als Lehrerinnen an Mädchenschulen und in Pensionaten. Wir übertreiben kaum, wenn wir sagen, daß die Erziehung der Jugend im Süden jetzt den Händen der alten Aristokratie anvertraut ist. Sie prägen ihren Zöglingen ihre Manieren und Ansichten ein, und die Folge ist, daß, das heranwachsende Geschlecht noch fana¬ tischer für die Ideen des Südens sckMirmt und den Norden noch glühender haßt als seine Väter. Wir hätten beinahe vergessen, daß die Presse mit der ganzen unermeßlichen Macht, die sie in demokratisch regierten Staaten ausübt, ebenfalls in den Händen der Aristokratie ist; denn selbstverständlich war der Redaktenrsessel für heruntergekommene Aristokraten ein noch begehrenswertherer Besitz als das Katheder des Schulmonarchen. Wir wollen hier nur auf den Umstand hinweisen, daß die leitende demokratische Tageszeitung Charlestons, das Organ von Hampton, Butler und dem demokratischen Centralausschuß, einen Herrn Barnwell Rhett zum Redakteur hat, und daß das einzige demo¬ kratische Tageblatt in Columbia von C. P. Pelham geleitet wird, der früher Professor an dem College war, welchem Preston und Barnwell vorstanden. Die Aristokratie liefert also die Führer in allen öffentlichen Angelegenheiten Südearolinas. Aber während sie früher das Volk gleichsam mit Peitsche und Pistole vor sich her zu treiben pflegten, sind sie jetzt nur noch die Leiter, denen man vertraut und folgt, und denen man wahrscheinlich noch lange Jahre ver¬ trauen und folgen wird, denen aber das Volk anch die Heeresfolge versagen kann, wenn es ihm beliebt. Bis auf die letzte Wahlcampagne z. B. beharrte das Volk dieses Staates dabei, sehr gerade Wege einzuschlagen. Die große Masse der Aristokratie wurde, wie gesagt, durch den Krieg zu Grunde gerichtet — einige ihrer Mitglieder sahen sich bis an die Lippen in Armuth versenkt. Nicht wenige verfielen infolge des entsetzlichen Schlages in Wahnsinn. Andere wurden von absoluter Theilnahmlosigkeit und Verzweiflung ergriffen. Sie lebten weiter, so gut sie vermochten, und verkauften ihr Land und ihre bewegliche Habe, wenn die Noth sie drückte. Wieder Andere aber gingen mannhaft an die Arbeit. Eine Menge hochgeborner und ehedem sehr hochfahrender Frauen zögerten, im letzten Kampfe zu Wittwen geworden, nicht, auf das Feld hinauszugehen und ihre Tagelöhner zu beaufsichtigen. Viele Gutsherrn entließen ihre Verwalter und bewirthschafteten ihre Güter selbst.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/155>, abgerufen am 28.09.2024.