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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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unmittelbar vor dein Kriege aus sklavenhaltenden Pflanzern -- nicht Farmern.
Diese Pflanzer besaßen gewöhnlich Tausende von Ackern Land und Hunderte
von Sklaven. Der Census von 1860 zeigt, daß die Fläche eines Pflanzer¬
gutes in Südcarolina durchschnittlich sechzehnhundert Aeres betrug. Manche
Herren hatten viertausend, wenige Mitglieder der Aristokratie unter zweihundert
Sklaven. Die Pflanzer verbrachten ihre Zeit mit der Jagd, mit Gelagen, mit
Studien, Besuchen, Ausübung der Pflichten der Gastfreundschaft oder mit
Politik, was das Gewöhnlichste war. Ihre Güter wurden von "Overseers"
verwaltet, welche die landwirtschaftlichen Operationen leiteten und die Sklaven
durch meist farbige Stellvertreter regierten, die man "Drivers" nannte. Die
Hänser jener Oberaufseher standen in der Nähe der Negerquartiere, eiuer Art
von Dörfern, die zehn bis hundert Hütten mit einer oder zwei Stuben zählten
und sich gewöhnlich um eine größere Scheune oder einen Stall mit einer oder
zwei von Maulthieren getriebenen Baumwollen-Enthülsungsmaschinen und einer
großen Schraube zum Packen der Baumwolle in Ballen gruppirten.

Der höhere Bürgerstand unterschied sich von den unter ihnen stehenden
Klassen durch Reichthum und Bildung und von den Aristokraten oft nur
dadurch, daß die ihm Angehörenden die Ahnenprobe nicht ausgehalten hätten,
d. h. es gab in ihm viele große Pflanzer. Aber wo Leute dieser Klasse Ackerbau
trieben, waren ihre Plantagen in der Regel klein, und sie hielten nnr wenige
Sklaven, so daß man sie verächtlich "Farmer" nannte. Die Mehrzahl des
höheren Bürgerstandes gehörte dem Handel und städtischen Gewerben und
Aemtern an. Zuweilen fanden Mitglieder dieser Klasse Aufnahme unter die
Aristokratie, aber sie galten hier, bis mehrere Generationen darüber verflossen
waren, halb und halb als nur geduldet. Mitunter kletterten plebejische Pflanzer
in Gegenden, wo es keine Aristokraten gab, zu einer solchen gesellschaftlichen
Höhe empor, daß sie sofort nnter die Aristokratie aufgenommen werden mußten,
während einflußreiche Plebejerfamilien nach einigen in Wohlstand und Muße
verlebten Jahrzehnten allmählig von den Aristokraten als Ihresgleichen anerkannt
wurden, was besonders dann der Fall war, wenn ans ihrer Mitte ausge¬
zeichnete Männer hervorgegangen waren. Natürlich gab es auch nnter dem
höheren Bürgerstande (rsspsctÄdle people) verschiedene Unterabtheilungen, die
sich nach Reichthum, Bildung und Talent abstuften, aber sie waren nicht so
streng von der Klasse unter ihnen, dem arbeitenden Volke, geschieden als von
der Aristokratie. Oft geschah es, daß ein Handwerker sich in den höheren
Bürgerstand hinauf arbeitete und "respectabel" wurde, viel häufiger als daß
ein Respeetabler den Gipfel der sozialen Leiter erklomm, wo die Aristokraten
standen; denn vornehme Geburt konnte man sich nicht geben, während Reichthum
Und Bildung sich durch Thatkraft erwerben ließen. Dennoch wurde zwischen


unmittelbar vor dein Kriege aus sklavenhaltenden Pflanzern — nicht Farmern.
Diese Pflanzer besaßen gewöhnlich Tausende von Ackern Land und Hunderte
von Sklaven. Der Census von 1860 zeigt, daß die Fläche eines Pflanzer¬
gutes in Südcarolina durchschnittlich sechzehnhundert Aeres betrug. Manche
Herren hatten viertausend, wenige Mitglieder der Aristokratie unter zweihundert
Sklaven. Die Pflanzer verbrachten ihre Zeit mit der Jagd, mit Gelagen, mit
Studien, Besuchen, Ausübung der Pflichten der Gastfreundschaft oder mit
Politik, was das Gewöhnlichste war. Ihre Güter wurden von „Overseers"
verwaltet, welche die landwirtschaftlichen Operationen leiteten und die Sklaven
durch meist farbige Stellvertreter regierten, die man „Drivers" nannte. Die
Hänser jener Oberaufseher standen in der Nähe der Negerquartiere, eiuer Art
von Dörfern, die zehn bis hundert Hütten mit einer oder zwei Stuben zählten
und sich gewöhnlich um eine größere Scheune oder einen Stall mit einer oder
zwei von Maulthieren getriebenen Baumwollen-Enthülsungsmaschinen und einer
großen Schraube zum Packen der Baumwolle in Ballen gruppirten.

Der höhere Bürgerstand unterschied sich von den unter ihnen stehenden
Klassen durch Reichthum und Bildung und von den Aristokraten oft nur
dadurch, daß die ihm Angehörenden die Ahnenprobe nicht ausgehalten hätten,
d. h. es gab in ihm viele große Pflanzer. Aber wo Leute dieser Klasse Ackerbau
trieben, waren ihre Plantagen in der Regel klein, und sie hielten nnr wenige
Sklaven, so daß man sie verächtlich „Farmer" nannte. Die Mehrzahl des
höheren Bürgerstandes gehörte dem Handel und städtischen Gewerben und
Aemtern an. Zuweilen fanden Mitglieder dieser Klasse Aufnahme unter die
Aristokratie, aber sie galten hier, bis mehrere Generationen darüber verflossen
waren, halb und halb als nur geduldet. Mitunter kletterten plebejische Pflanzer
in Gegenden, wo es keine Aristokraten gab, zu einer solchen gesellschaftlichen
Höhe empor, daß sie sofort nnter die Aristokratie aufgenommen werden mußten,
während einflußreiche Plebejerfamilien nach einigen in Wohlstand und Muße
verlebten Jahrzehnten allmählig von den Aristokraten als Ihresgleichen anerkannt
wurden, was besonders dann der Fall war, wenn ans ihrer Mitte ausge¬
zeichnete Männer hervorgegangen waren. Natürlich gab es auch nnter dem
höheren Bürgerstande (rsspsctÄdle people) verschiedene Unterabtheilungen, die
sich nach Reichthum, Bildung und Talent abstuften, aber sie waren nicht so
streng von der Klasse unter ihnen, dem arbeitenden Volke, geschieden als von
der Aristokratie. Oft geschah es, daß ein Handwerker sich in den höheren
Bürgerstand hinauf arbeitete und „respectabel" wurde, viel häufiger als daß
ein Respeetabler den Gipfel der sozialen Leiter erklomm, wo die Aristokraten
standen; denn vornehme Geburt konnte man sich nicht geben, während Reichthum
Und Bildung sich durch Thatkraft erwerben ließen. Dennoch wurde zwischen


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[0150] unmittelbar vor dein Kriege aus sklavenhaltenden Pflanzern — nicht Farmern. Diese Pflanzer besaßen gewöhnlich Tausende von Ackern Land und Hunderte von Sklaven. Der Census von 1860 zeigt, daß die Fläche eines Pflanzer¬ gutes in Südcarolina durchschnittlich sechzehnhundert Aeres betrug. Manche Herren hatten viertausend, wenige Mitglieder der Aristokratie unter zweihundert Sklaven. Die Pflanzer verbrachten ihre Zeit mit der Jagd, mit Gelagen, mit Studien, Besuchen, Ausübung der Pflichten der Gastfreundschaft oder mit Politik, was das Gewöhnlichste war. Ihre Güter wurden von „Overseers" verwaltet, welche die landwirtschaftlichen Operationen leiteten und die Sklaven durch meist farbige Stellvertreter regierten, die man „Drivers" nannte. Die Hänser jener Oberaufseher standen in der Nähe der Negerquartiere, eiuer Art von Dörfern, die zehn bis hundert Hütten mit einer oder zwei Stuben zählten und sich gewöhnlich um eine größere Scheune oder einen Stall mit einer oder zwei von Maulthieren getriebenen Baumwollen-Enthülsungsmaschinen und einer großen Schraube zum Packen der Baumwolle in Ballen gruppirten. Der höhere Bürgerstand unterschied sich von den unter ihnen stehenden Klassen durch Reichthum und Bildung und von den Aristokraten oft nur dadurch, daß die ihm Angehörenden die Ahnenprobe nicht ausgehalten hätten, d. h. es gab in ihm viele große Pflanzer. Aber wo Leute dieser Klasse Ackerbau trieben, waren ihre Plantagen in der Regel klein, und sie hielten nnr wenige Sklaven, so daß man sie verächtlich „Farmer" nannte. Die Mehrzahl des höheren Bürgerstandes gehörte dem Handel und städtischen Gewerben und Aemtern an. Zuweilen fanden Mitglieder dieser Klasse Aufnahme unter die Aristokratie, aber sie galten hier, bis mehrere Generationen darüber verflossen waren, halb und halb als nur geduldet. Mitunter kletterten plebejische Pflanzer in Gegenden, wo es keine Aristokraten gab, zu einer solchen gesellschaftlichen Höhe empor, daß sie sofort nnter die Aristokratie aufgenommen werden mußten, während einflußreiche Plebejerfamilien nach einigen in Wohlstand und Muße verlebten Jahrzehnten allmählig von den Aristokraten als Ihresgleichen anerkannt wurden, was besonders dann der Fall war, wenn ans ihrer Mitte ausge¬ zeichnete Männer hervorgegangen waren. Natürlich gab es auch nnter dem höheren Bürgerstande (rsspsctÄdle people) verschiedene Unterabtheilungen, die sich nach Reichthum, Bildung und Talent abstuften, aber sie waren nicht so streng von der Klasse unter ihnen, dem arbeitenden Volke, geschieden als von der Aristokratie. Oft geschah es, daß ein Handwerker sich in den höheren Bürgerstand hinauf arbeitete und „respectabel" wurde, viel häufiger als daß ein Respeetabler den Gipfel der sozialen Leiter erklomm, wo die Aristokraten standen; denn vornehme Geburt konnte man sich nicht geben, während Reichthum Und Bildung sich durch Thatkraft erwerben ließen. Dennoch wurde zwischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/150>, abgerufen am 21.10.2024.