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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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in der Colonie Virginien gab es eine Art Landadel, und aus diesem und
demjenigen von Südcarolina entstand die Aristokratie des ganzen Südens vor
dem Kriege, wobei nur Louisiana vielleicht eine Ausnahme macht. Aber die
Palmetto-Aristokratie gab unzweifelhaft den Typus ab, und selbst die Virginier
mußten sich ihrer Art und Weise anbequemen. Denn die alte südliche Aristokratie
wurde nicht bloß durch den Besitz von Land, sondern auch durch den von
Sklaven charakterisirt, und nnter den ursprünglichen dreizehn Staaten der
Union war allein Südcarolina vou seiner Wiege an wesentlich ein Pflanzer¬
staat mit Sklavenarbeit. In Maryland und in Virginien herrschte längst schon
die Sitte, gemiethete Diener zu beschäftigen, und die Klasse der weißen Tagelöhner
war hier stets zahlreich; denn nirgends begünstigt in den Vereinigten Staaten
das Klima den angelsächsischen Handarbeiter mehr als in Virginien. Dagegen
bemerkte man von Anfang an, daß die Sonne Südearolinas den Afrikanern
besser zusagte, als die der nördlicheren Kolonien, und sofort wurde es das
Bestreben der dorthin Auswandernden, sich Sklaven zu kaufen, ohne die ein
Pflanzer nnr kümmerliche Geschäfte machen konnte.

Ohne auf die Entwickelung und Ausbreitung des Systems der Sklaverei
im Einzelnen einzugehen, wollen wir es nur in der Zeit seiner höchsten Blüthe
ins Auge fassen und es uach seinen Grundzügen schildern, daneben aber zugleich
die anderen Klassen der Gesellschaft Südearolinas charakterisiren.

Die Weißen des Südens also zerfielen in verschiedene Klassen. Es
gab zunächst die Aristokratie, dann der höhere Bürgerstand, die Handwerker
und die armen Weißen oder "Sandhillers", die auf schlechtem Laude ihre
Farmer hatten.

Die Aristokratie gründete sich auf Geblüt und Reichthum. Eine Ahnenreihe
war unerläßlich, und wenn ein Mann von echtem blauen Blute verarmte, so
rückte er allerdings in seiner Klasse um eine Stufe tiefer herab, keineswegs
aber betrachtete man ihn als in die Klasse herabgesunken, die wir als den
höheren Bürgerstand bezeichnet haben. Auch Bildung verlieh dem Aristokraten
Einfluß unter Seinesgleichen, aber wo sie fehlte, sank der Betreffende zwar in
der Wagschale seines Kreises, nie aber sank er durch diesen Mangel so tief,
daß er in den Augen der öffentlichen Meinung nicht immer noch unermeßlich
höher gestanden hätte als die Angehörigen der zweiten Klasse. Ein Stammbaum
war also wesentliches Erforderniß für den, welcher zur ersten gerechnet werden
wollte. Die Aristokraten unterschieden sich aber auch sehr bedeutend von der
anderen Bevölkerung dadurch, daß sie Großgrundbesitzer und Herren vieler
Sklaven waren. Einige von ihnen wurden allerdings aus Neigung oder weil
sie verarmt waren, Sachwalter, Aerzte, Geistliche, Bankiers, Faktoren, Gro߬
händler oder Eiseubahndirektoren. Aber die große Mehrzahl bestand noch


in der Colonie Virginien gab es eine Art Landadel, und aus diesem und
demjenigen von Südcarolina entstand die Aristokratie des ganzen Südens vor
dem Kriege, wobei nur Louisiana vielleicht eine Ausnahme macht. Aber die
Palmetto-Aristokratie gab unzweifelhaft den Typus ab, und selbst die Virginier
mußten sich ihrer Art und Weise anbequemen. Denn die alte südliche Aristokratie
wurde nicht bloß durch den Besitz von Land, sondern auch durch den von
Sklaven charakterisirt, und nnter den ursprünglichen dreizehn Staaten der
Union war allein Südcarolina vou seiner Wiege an wesentlich ein Pflanzer¬
staat mit Sklavenarbeit. In Maryland und in Virginien herrschte längst schon
die Sitte, gemiethete Diener zu beschäftigen, und die Klasse der weißen Tagelöhner
war hier stets zahlreich; denn nirgends begünstigt in den Vereinigten Staaten
das Klima den angelsächsischen Handarbeiter mehr als in Virginien. Dagegen
bemerkte man von Anfang an, daß die Sonne Südearolinas den Afrikanern
besser zusagte, als die der nördlicheren Kolonien, und sofort wurde es das
Bestreben der dorthin Auswandernden, sich Sklaven zu kaufen, ohne die ein
Pflanzer nnr kümmerliche Geschäfte machen konnte.

Ohne auf die Entwickelung und Ausbreitung des Systems der Sklaverei
im Einzelnen einzugehen, wollen wir es nur in der Zeit seiner höchsten Blüthe
ins Auge fassen und es uach seinen Grundzügen schildern, daneben aber zugleich
die anderen Klassen der Gesellschaft Südearolinas charakterisiren.

Die Weißen des Südens also zerfielen in verschiedene Klassen. Es
gab zunächst die Aristokratie, dann der höhere Bürgerstand, die Handwerker
und die armen Weißen oder „Sandhillers", die auf schlechtem Laude ihre
Farmer hatten.

Die Aristokratie gründete sich auf Geblüt und Reichthum. Eine Ahnenreihe
war unerläßlich, und wenn ein Mann von echtem blauen Blute verarmte, so
rückte er allerdings in seiner Klasse um eine Stufe tiefer herab, keineswegs
aber betrachtete man ihn als in die Klasse herabgesunken, die wir als den
höheren Bürgerstand bezeichnet haben. Auch Bildung verlieh dem Aristokraten
Einfluß unter Seinesgleichen, aber wo sie fehlte, sank der Betreffende zwar in
der Wagschale seines Kreises, nie aber sank er durch diesen Mangel so tief,
daß er in den Augen der öffentlichen Meinung nicht immer noch unermeßlich
höher gestanden hätte als die Angehörigen der zweiten Klasse. Ein Stammbaum
war also wesentliches Erforderniß für den, welcher zur ersten gerechnet werden
wollte. Die Aristokraten unterschieden sich aber auch sehr bedeutend von der
anderen Bevölkerung dadurch, daß sie Großgrundbesitzer und Herren vieler
Sklaven waren. Einige von ihnen wurden allerdings aus Neigung oder weil
sie verarmt waren, Sachwalter, Aerzte, Geistliche, Bankiers, Faktoren, Gro߬
händler oder Eiseubahndirektoren. Aber die große Mehrzahl bestand noch


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[0149] in der Colonie Virginien gab es eine Art Landadel, und aus diesem und demjenigen von Südcarolina entstand die Aristokratie des ganzen Südens vor dem Kriege, wobei nur Louisiana vielleicht eine Ausnahme macht. Aber die Palmetto-Aristokratie gab unzweifelhaft den Typus ab, und selbst die Virginier mußten sich ihrer Art und Weise anbequemen. Denn die alte südliche Aristokratie wurde nicht bloß durch den Besitz von Land, sondern auch durch den von Sklaven charakterisirt, und nnter den ursprünglichen dreizehn Staaten der Union war allein Südcarolina vou seiner Wiege an wesentlich ein Pflanzer¬ staat mit Sklavenarbeit. In Maryland und in Virginien herrschte längst schon die Sitte, gemiethete Diener zu beschäftigen, und die Klasse der weißen Tagelöhner war hier stets zahlreich; denn nirgends begünstigt in den Vereinigten Staaten das Klima den angelsächsischen Handarbeiter mehr als in Virginien. Dagegen bemerkte man von Anfang an, daß die Sonne Südearolinas den Afrikanern besser zusagte, als die der nördlicheren Kolonien, und sofort wurde es das Bestreben der dorthin Auswandernden, sich Sklaven zu kaufen, ohne die ein Pflanzer nnr kümmerliche Geschäfte machen konnte. Ohne auf die Entwickelung und Ausbreitung des Systems der Sklaverei im Einzelnen einzugehen, wollen wir es nur in der Zeit seiner höchsten Blüthe ins Auge fassen und es uach seinen Grundzügen schildern, daneben aber zugleich die anderen Klassen der Gesellschaft Südearolinas charakterisiren. Die Weißen des Südens also zerfielen in verschiedene Klassen. Es gab zunächst die Aristokratie, dann der höhere Bürgerstand, die Handwerker und die armen Weißen oder „Sandhillers", die auf schlechtem Laude ihre Farmer hatten. Die Aristokratie gründete sich auf Geblüt und Reichthum. Eine Ahnenreihe war unerläßlich, und wenn ein Mann von echtem blauen Blute verarmte, so rückte er allerdings in seiner Klasse um eine Stufe tiefer herab, keineswegs aber betrachtete man ihn als in die Klasse herabgesunken, die wir als den höheren Bürgerstand bezeichnet haben. Auch Bildung verlieh dem Aristokraten Einfluß unter Seinesgleichen, aber wo sie fehlte, sank der Betreffende zwar in der Wagschale seines Kreises, nie aber sank er durch diesen Mangel so tief, daß er in den Augen der öffentlichen Meinung nicht immer noch unermeßlich höher gestanden hätte als die Angehörigen der zweiten Klasse. Ein Stammbaum war also wesentliches Erforderniß für den, welcher zur ersten gerechnet werden wollte. Die Aristokraten unterschieden sich aber auch sehr bedeutend von der anderen Bevölkerung dadurch, daß sie Großgrundbesitzer und Herren vieler Sklaven waren. Einige von ihnen wurden allerdings aus Neigung oder weil sie verarmt waren, Sachwalter, Aerzte, Geistliche, Bankiers, Faktoren, Gro߬ händler oder Eiseubahndirektoren. Aber die große Mehrzahl bestand noch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/149>, abgerufen am 21.10.2024.