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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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der Lords, denen es gehörte, besiedelt und zur Colonie erhoben. Später ergoß
sich hierher eine starke Auswanderung vorzüglich ans England und Frankreich.
Die englischen Einwanderer, welche überwogen, bestanden aus zwei sehr
verschiedenen Klassen: Rundköpfen, die ihre damals von der Restauration
bedrückte Heimath verlassen hatten, um Gewissensfreiheit zu suchen, und Kavalieren,
welche in der Revolution verarmt waren, und denen der König dnrch Verleihung
großer Länderstrecken in der neuen Welt für ihre Verluste Entschädigung
gewährt hatte. Jede Religion fand in der Niederlassung Duldung, aber die
englische Hofkirche galt als Staatsreligion. Das heiße Klima gestattete den
Weißen keine anstrengende Arbeit, und so wurden schon zwei Jahre nach Gründung
der ersten Ansiedelungen von Barbadoes Negersklaven eingeführt. Sie erwiesen
sich als brauchbar, und infolge dessen importirte man deren binnen kurzer Zeit
so viele, daß ihre Zahl sich nach einigen Jahren zu derjenigen der weißen
Bevölkerung wie zwei zu eins verhielt. Der Plantagenbetrieb mit afrikanischen
Arbeitern wurde die Lieblingsbeschäftigung der Bewohner des Laudes, und
namentlich wurde viel Reis gebaut.

Die Pflanzer, welche größtentheils eingewanderte Kavaliere waren, bildeten
bald einen regelmäßigen Landadel. Sie wohnten ans ihren Gütern, erbauten
dort ausgedehnte Herrenhäuser, hielten schöne Pferde und Hunde und betrieben
ans ihren ungeheuren Besitzungen, auf welchen sich Wild in Fülle fand, vorzüglich
die Jagd auf Füchse und Rehe ganz im Stile der englischen Lords und Sqnires.
Das Recht der Vererbung des Gutes auf den Erstgeborenen blieb länger als
ein Jahrhundert erhalten. Die Modenartikel Englands wurden für die Damen¬
welt bezogen, und die jungen Leute wurden über die See geschickt, um auf
englischen Universitäten zu studiren. Die Tafeln waren mit Thee, Kaffee,
Chokolade und kostbaren Weinen besetzt, und jeden Sonntag sichren die Damen
in vierspännigen Kutschen, von den Herren zu Pferde begleitet, uach der
Dorfkirche, um dem Gottesdienste der anglikanischen Kirche beizuwohnen.

Dieß war der Ursprung der berühmten Palmetto-Aristokratie. Natürlich
waren diese Pflanzer gesetzlich kein Adel, obwohl unter Lockes Verfassung einige
von ihnen den Titel von Landgrafen erhielten, aber gesellschaftlich und infolge
des Umstandes, daß sie nur besaßen, nicht arbeiteten, waren sie thatsächlich, was
anderwärts der Adel war, und politisch geboten sie über einen solchen Einfluß,
daß sie entschieden als Aristokratie aufzufassen waren. Bis zum letzten Decen-
nium des vorigen Jahrhunderts bestand diese Aristokratie aus Reispflanzern,
aber nach der Erfindung des "Cotton-Gin" nahm der Baumwollenbau einen
gewaltigen Aufschwung, und nicht lange währte es, so war Baumwolle in demselben
Maße Haupterzeugniß Südcarolina's wie der Reis und die Aristokraten des
Landes zählten unter sich ebenso viele Baumwollen- als Reispflanzer. Auch


der Lords, denen es gehörte, besiedelt und zur Colonie erhoben. Später ergoß
sich hierher eine starke Auswanderung vorzüglich ans England und Frankreich.
Die englischen Einwanderer, welche überwogen, bestanden aus zwei sehr
verschiedenen Klassen: Rundköpfen, die ihre damals von der Restauration
bedrückte Heimath verlassen hatten, um Gewissensfreiheit zu suchen, und Kavalieren,
welche in der Revolution verarmt waren, und denen der König dnrch Verleihung
großer Länderstrecken in der neuen Welt für ihre Verluste Entschädigung
gewährt hatte. Jede Religion fand in der Niederlassung Duldung, aber die
englische Hofkirche galt als Staatsreligion. Das heiße Klima gestattete den
Weißen keine anstrengende Arbeit, und so wurden schon zwei Jahre nach Gründung
der ersten Ansiedelungen von Barbadoes Negersklaven eingeführt. Sie erwiesen
sich als brauchbar, und infolge dessen importirte man deren binnen kurzer Zeit
so viele, daß ihre Zahl sich nach einigen Jahren zu derjenigen der weißen
Bevölkerung wie zwei zu eins verhielt. Der Plantagenbetrieb mit afrikanischen
Arbeitern wurde die Lieblingsbeschäftigung der Bewohner des Laudes, und
namentlich wurde viel Reis gebaut.

Die Pflanzer, welche größtentheils eingewanderte Kavaliere waren, bildeten
bald einen regelmäßigen Landadel. Sie wohnten ans ihren Gütern, erbauten
dort ausgedehnte Herrenhäuser, hielten schöne Pferde und Hunde und betrieben
ans ihren ungeheuren Besitzungen, auf welchen sich Wild in Fülle fand, vorzüglich
die Jagd auf Füchse und Rehe ganz im Stile der englischen Lords und Sqnires.
Das Recht der Vererbung des Gutes auf den Erstgeborenen blieb länger als
ein Jahrhundert erhalten. Die Modenartikel Englands wurden für die Damen¬
welt bezogen, und die jungen Leute wurden über die See geschickt, um auf
englischen Universitäten zu studiren. Die Tafeln waren mit Thee, Kaffee,
Chokolade und kostbaren Weinen besetzt, und jeden Sonntag sichren die Damen
in vierspännigen Kutschen, von den Herren zu Pferde begleitet, uach der
Dorfkirche, um dem Gottesdienste der anglikanischen Kirche beizuwohnen.

Dieß war der Ursprung der berühmten Palmetto-Aristokratie. Natürlich
waren diese Pflanzer gesetzlich kein Adel, obwohl unter Lockes Verfassung einige
von ihnen den Titel von Landgrafen erhielten, aber gesellschaftlich und infolge
des Umstandes, daß sie nur besaßen, nicht arbeiteten, waren sie thatsächlich, was
anderwärts der Adel war, und politisch geboten sie über einen solchen Einfluß,
daß sie entschieden als Aristokratie aufzufassen waren. Bis zum letzten Decen-
nium des vorigen Jahrhunderts bestand diese Aristokratie aus Reispflanzern,
aber nach der Erfindung des „Cotton-Gin" nahm der Baumwollenbau einen
gewaltigen Aufschwung, und nicht lange währte es, so war Baumwolle in demselben
Maße Haupterzeugniß Südcarolina's wie der Reis und die Aristokraten des
Landes zählten unter sich ebenso viele Baumwollen- als Reispflanzer. Auch


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[0148] der Lords, denen es gehörte, besiedelt und zur Colonie erhoben. Später ergoß sich hierher eine starke Auswanderung vorzüglich ans England und Frankreich. Die englischen Einwanderer, welche überwogen, bestanden aus zwei sehr verschiedenen Klassen: Rundköpfen, die ihre damals von der Restauration bedrückte Heimath verlassen hatten, um Gewissensfreiheit zu suchen, und Kavalieren, welche in der Revolution verarmt waren, und denen der König dnrch Verleihung großer Länderstrecken in der neuen Welt für ihre Verluste Entschädigung gewährt hatte. Jede Religion fand in der Niederlassung Duldung, aber die englische Hofkirche galt als Staatsreligion. Das heiße Klima gestattete den Weißen keine anstrengende Arbeit, und so wurden schon zwei Jahre nach Gründung der ersten Ansiedelungen von Barbadoes Negersklaven eingeführt. Sie erwiesen sich als brauchbar, und infolge dessen importirte man deren binnen kurzer Zeit so viele, daß ihre Zahl sich nach einigen Jahren zu derjenigen der weißen Bevölkerung wie zwei zu eins verhielt. Der Plantagenbetrieb mit afrikanischen Arbeitern wurde die Lieblingsbeschäftigung der Bewohner des Laudes, und namentlich wurde viel Reis gebaut. Die Pflanzer, welche größtentheils eingewanderte Kavaliere waren, bildeten bald einen regelmäßigen Landadel. Sie wohnten ans ihren Gütern, erbauten dort ausgedehnte Herrenhäuser, hielten schöne Pferde und Hunde und betrieben ans ihren ungeheuren Besitzungen, auf welchen sich Wild in Fülle fand, vorzüglich die Jagd auf Füchse und Rehe ganz im Stile der englischen Lords und Sqnires. Das Recht der Vererbung des Gutes auf den Erstgeborenen blieb länger als ein Jahrhundert erhalten. Die Modenartikel Englands wurden für die Damen¬ welt bezogen, und die jungen Leute wurden über die See geschickt, um auf englischen Universitäten zu studiren. Die Tafeln waren mit Thee, Kaffee, Chokolade und kostbaren Weinen besetzt, und jeden Sonntag sichren die Damen in vierspännigen Kutschen, von den Herren zu Pferde begleitet, uach der Dorfkirche, um dem Gottesdienste der anglikanischen Kirche beizuwohnen. Dieß war der Ursprung der berühmten Palmetto-Aristokratie. Natürlich waren diese Pflanzer gesetzlich kein Adel, obwohl unter Lockes Verfassung einige von ihnen den Titel von Landgrafen erhielten, aber gesellschaftlich und infolge des Umstandes, daß sie nur besaßen, nicht arbeiteten, waren sie thatsächlich, was anderwärts der Adel war, und politisch geboten sie über einen solchen Einfluß, daß sie entschieden als Aristokratie aufzufassen waren. Bis zum letzten Decen- nium des vorigen Jahrhunderts bestand diese Aristokratie aus Reispflanzern, aber nach der Erfindung des „Cotton-Gin" nahm der Baumwollenbau einen gewaltigen Aufschwung, und nicht lange währte es, so war Baumwolle in demselben Maße Haupterzeugniß Südcarolina's wie der Reis und die Aristokraten des Landes zählten unter sich ebenso viele Baumwollen- als Reispflanzer. Auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/148>, abgerufen am 28.09.2024.