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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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bürg allgemein wissenschaftlicher Vorbildung widmete. Am 21. August 1626
wurde er akademischer Bürger an der Albertina, Theologie und Philosophie
wählte er zu Gegenständen seines Studiums. Je länger je mehr aber lenkte
sich sein Interesse ans die klassische, besonders die poetische Literatur der
Griechen und Römer. Und so wurde die Pädagogie seine Berufsthätigkeit.
Längere Zeit war er als Privatlehrer thätig, 1633 wurde er Kollaborator an
der Domschule, 1636 Korrektor an derselben. Schon als Schüler hatte er sie
besucht, als Peter Hagius, Dichter geistlicher Lieder, das Rektorat bekleidete.
1639 wurde er durch die Gunst Churfürst Georg Wilhelm's, noch ungrauirt
und deshalb von der philosophischen Fakultät ungern zugelassen, Professor der
Poesie an der Albertina. Am 11. November 1639 hielt er die Antrittsrede.
Erst am 12. April 1640 erwarb er den Grad eines Magisters. Seine Vor¬
lesungen hatten die Auslegung des Horaz, Ovid, Juvenal, Seneca zur
Gegenstand. Eine große Ausdehnung scheint seine akademische Wirksamkeit
nicht gehabt zu haben, wenigstens klagt er, daß die Studirenden sich auf ihre
Brodstudien beschränkten. Die Universität erkannte seine poetischen Leistungen
an, indem sie ihn 1656 zum Rektor wählte. Drei Jahre darauf starb Simon
Dach, am 15. April 1659. -- Blicken wir anf die äußeren Lebensverhältnisse,
so war sein Dasein ein wenig beglücktes. Er war ein kranker, brnstleidender,
Mann, und ein armer Mann. Unter aufreibenden Arbeiten, die theils das
Amt, theils die Bedürfnisse des Lebens von ihm heisesten, litt seine Gesundheit
von früh an. Sein Eiukmnmen als Lehrer am Dom war ein kärgliches,
seine akademische Besoldung war nicht minder gering. Sie bestand in Hundert
Thalern und einigen Holz- und Korndeputaten. Später kam eine persönliche
Zulage von 100 Thalern noch hinzu, die aber nicht regelmäßig ausgezahlt
wurde. Unter diesem finanziellen Druck wurde seine Gesundheit aufgerieben.
Als er noch Lehrer an der Domschule war, erwuchs ihm auch ans dem Un¬
verstand mancher Aeltern viel Aerger. Er muß früh den Eindruck eines ge¬
alterten Mannes gemacht haben. So schreibt Martin Opitz am 17. August
1638 an Robertin in Bezug auf eine junge Dame, der Dach damals huldigte:
"Dach soll sich nicht in die Jungfer Brodine verlieben, sie ist ihm zu frisch.
Ein Liedlein mag er ihr wohl komponiren." Den Wunsch sich zu vermählen,
scheint er lange gehegt zu haben, aber begreiflicher Weise fehlte ihm der Muth.
So klagt er:


Soll denn mein junges Leben,
Da alles liebt und freit,
Alleine sich ergeben
Der langen Einsamkeit?



bürg allgemein wissenschaftlicher Vorbildung widmete. Am 21. August 1626
wurde er akademischer Bürger an der Albertina, Theologie und Philosophie
wählte er zu Gegenständen seines Studiums. Je länger je mehr aber lenkte
sich sein Interesse ans die klassische, besonders die poetische Literatur der
Griechen und Römer. Und so wurde die Pädagogie seine Berufsthätigkeit.
Längere Zeit war er als Privatlehrer thätig, 1633 wurde er Kollaborator an
der Domschule, 1636 Korrektor an derselben. Schon als Schüler hatte er sie
besucht, als Peter Hagius, Dichter geistlicher Lieder, das Rektorat bekleidete.
1639 wurde er durch die Gunst Churfürst Georg Wilhelm's, noch ungrauirt
und deshalb von der philosophischen Fakultät ungern zugelassen, Professor der
Poesie an der Albertina. Am 11. November 1639 hielt er die Antrittsrede.
Erst am 12. April 1640 erwarb er den Grad eines Magisters. Seine Vor¬
lesungen hatten die Auslegung des Horaz, Ovid, Juvenal, Seneca zur
Gegenstand. Eine große Ausdehnung scheint seine akademische Wirksamkeit
nicht gehabt zu haben, wenigstens klagt er, daß die Studirenden sich auf ihre
Brodstudien beschränkten. Die Universität erkannte seine poetischen Leistungen
an, indem sie ihn 1656 zum Rektor wählte. Drei Jahre darauf starb Simon
Dach, am 15. April 1659. -- Blicken wir anf die äußeren Lebensverhältnisse,
so war sein Dasein ein wenig beglücktes. Er war ein kranker, brnstleidender,
Mann, und ein armer Mann. Unter aufreibenden Arbeiten, die theils das
Amt, theils die Bedürfnisse des Lebens von ihm heisesten, litt seine Gesundheit
von früh an. Sein Eiukmnmen als Lehrer am Dom war ein kärgliches,
seine akademische Besoldung war nicht minder gering. Sie bestand in Hundert
Thalern und einigen Holz- und Korndeputaten. Später kam eine persönliche
Zulage von 100 Thalern noch hinzu, die aber nicht regelmäßig ausgezahlt
wurde. Unter diesem finanziellen Druck wurde seine Gesundheit aufgerieben.
Als er noch Lehrer an der Domschule war, erwuchs ihm auch ans dem Un¬
verstand mancher Aeltern viel Aerger. Er muß früh den Eindruck eines ge¬
alterten Mannes gemacht haben. So schreibt Martin Opitz am 17. August
1638 an Robertin in Bezug auf eine junge Dame, der Dach damals huldigte:
„Dach soll sich nicht in die Jungfer Brodine verlieben, sie ist ihm zu frisch.
Ein Liedlein mag er ihr wohl komponiren." Den Wunsch sich zu vermählen,
scheint er lange gehegt zu haben, aber begreiflicher Weise fehlte ihm der Muth.
So klagt er:


Soll denn mein junges Leben,
Da alles liebt und freit,
Alleine sich ergeben
Der langen Einsamkeit?



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/140>, abgerufen am 21.10.2024.