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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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Eccard und Stobäus wahrgeuoimnen haben. Es sind Grundsätze der italie¬
nischen Schule Johann Gabrieli's und Claudio Monteverdi's, die er zur
Geltung zu bringen bemüht war. Diese suchte einmal sich mehr unmittelbar
an das Wort zu schließen und das recitativische Element einzuführen, dann
aber durch feinste Ausbildung der Kehlfertigkeit dem Gesang ein höheres Maß
der Zierlichkeit zu verleihen. Im Gegensatz zum Motettenstyl pflegte sie den
Eiuzelgesang weniger Stimmen. Unvermeidliche Lücken sollten durch eine be¬
gleitende Grundstimme, den Generalbaß, ausgefüllt werden. So entstand das
geistliche Konzert. Für diese musikalische Richtung wollte nun Albert hier den
Boden bereiten. Aber es gelang ihm nicht; vergeblich suchte er ihr Eingang
zu schaffen. So schloß er sich denn der ältern Eccard'schen Schule an, aber
zu spät, um tiefer in ihren Geist einzudringen und bedeutende Erfolge zu
gewinnen.

Eine geringere Bedeutung, als das Dreigestirn Eccard, Stobäus, Albert,
aber doch wohl verdiente Anerkennung gewannen die Kantoren der altstädtischen
Kirche Johann Weichmcmn und Conrad Matthäi, die im Geist Eccard's und
Stobäus' arbeiteten. In Christoph Caldenbach, dem Celcidon des Königsberger
Dichterkreises, der Dichter und Musikus zugleich war, fand Albert einen be¬
gabten Schüler. Calenbach stammte aus Schwiebus, wo er am II. August
1613 geboren wurde, im Jahre 1636 erhielt er die akademische Würde eines
Magisters und das Amt des Prorektors an der altstädtischen Schule Königs¬
bergs, später vertauschte er Königsberg mit Tübingen, wo er eine Professur
für Poesie, Beredtsamkeit und Geschichte bekleidete.

Sehen wir als Stiftungsjahr der Preußischen Tonschule den Amts¬
antritt Eccard's in Königsberg, als ihren Abschluß das Todesjahr Matthäi's
an, so war ihr eine Dauer von 70 Jahren, von 1589 bis 1659, zu Theil
geworden.

In engstem Bunde mit dieser Preußischen Tonschule, stand die Preußische
Dichterschule, eine fast ausschließlich der lyrischen Poesie zugewandte Gemein¬
schaft. Ihr hervorragendstes Glied war Simon Dach.*) Memeler Kind, wo
er am 25. Juli 1605 geboren wurde, fand er doch in Königsberg eine zweite
Vaterstadt. Hier weilte er von seinem 15. Jahre bis zu seinem Tode, nur
mit einer Unterbrechung von sechs Jahren, die er in Wittenberg und Mägde-



*) Um die Herausgabe der Gedichte Dachs und die Darstellung seines Lebens hat sich
^Oesterley ausgezeichnete Verdienste erworben. Seine Arbeiten sind abschließend. Eine
' kleinere Auswahl enthält die Bearbeitung Oesterlch's im 9. Bande der Deutschen Dichter des
17, Jahrhunderts, die Karl Gocdeke und Julius Tittmann herausgegeben (Leipzig 1876).
Die größere Ausgabe Oesterlch's ist im selben Jahre zu Tübingen in der Bibliothek des
Stuttgarter Literarischcn Vereins erschienen.

Eccard und Stobäus wahrgeuoimnen haben. Es sind Grundsätze der italie¬
nischen Schule Johann Gabrieli's und Claudio Monteverdi's, die er zur
Geltung zu bringen bemüht war. Diese suchte einmal sich mehr unmittelbar
an das Wort zu schließen und das recitativische Element einzuführen, dann
aber durch feinste Ausbildung der Kehlfertigkeit dem Gesang ein höheres Maß
der Zierlichkeit zu verleihen. Im Gegensatz zum Motettenstyl pflegte sie den
Eiuzelgesang weniger Stimmen. Unvermeidliche Lücken sollten durch eine be¬
gleitende Grundstimme, den Generalbaß, ausgefüllt werden. So entstand das
geistliche Konzert. Für diese musikalische Richtung wollte nun Albert hier den
Boden bereiten. Aber es gelang ihm nicht; vergeblich suchte er ihr Eingang
zu schaffen. So schloß er sich denn der ältern Eccard'schen Schule an, aber
zu spät, um tiefer in ihren Geist einzudringen und bedeutende Erfolge zu
gewinnen.

Eine geringere Bedeutung, als das Dreigestirn Eccard, Stobäus, Albert,
aber doch wohl verdiente Anerkennung gewannen die Kantoren der altstädtischen
Kirche Johann Weichmcmn und Conrad Matthäi, die im Geist Eccard's und
Stobäus' arbeiteten. In Christoph Caldenbach, dem Celcidon des Königsberger
Dichterkreises, der Dichter und Musikus zugleich war, fand Albert einen be¬
gabten Schüler. Calenbach stammte aus Schwiebus, wo er am II. August
1613 geboren wurde, im Jahre 1636 erhielt er die akademische Würde eines
Magisters und das Amt des Prorektors an der altstädtischen Schule Königs¬
bergs, später vertauschte er Königsberg mit Tübingen, wo er eine Professur
für Poesie, Beredtsamkeit und Geschichte bekleidete.

Sehen wir als Stiftungsjahr der Preußischen Tonschule den Amts¬
antritt Eccard's in Königsberg, als ihren Abschluß das Todesjahr Matthäi's
an, so war ihr eine Dauer von 70 Jahren, von 1589 bis 1659, zu Theil
geworden.

In engstem Bunde mit dieser Preußischen Tonschule, stand die Preußische
Dichterschule, eine fast ausschließlich der lyrischen Poesie zugewandte Gemein¬
schaft. Ihr hervorragendstes Glied war Simon Dach.*) Memeler Kind, wo
er am 25. Juli 1605 geboren wurde, fand er doch in Königsberg eine zweite
Vaterstadt. Hier weilte er von seinem 15. Jahre bis zu seinem Tode, nur
mit einer Unterbrechung von sechs Jahren, die er in Wittenberg und Mägde-



*) Um die Herausgabe der Gedichte Dachs und die Darstellung seines Lebens hat sich
^Oesterley ausgezeichnete Verdienste erworben. Seine Arbeiten sind abschließend. Eine
' kleinere Auswahl enthält die Bearbeitung Oesterlch's im 9. Bande der Deutschen Dichter des
17, Jahrhunderts, die Karl Gocdeke und Julius Tittmann herausgegeben (Leipzig 1876).
Die größere Ausgabe Oesterlch's ist im selben Jahre zu Tübingen in der Bibliothek des
Stuttgarter Literarischcn Vereins erschienen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/139>, abgerufen am 21.10.2024.