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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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des Künstlers ab, die sich aus den Bedrängnissen des Staats leicht erklären
so war die Lage desselben eine sehr angenehme. Nicht nur ein künstlerisch
und dichterisch begabter Freundeskreis ehrte und liebte ihn, auch eine große
Zahl adliger und bürgerlicher Häuser brachte ihm Huldigungen dar. Eustach
Christoph von Schlieben auf Nordenberg und Bcwien, Johann Caspar vou
Jeßgewang, Erbherr auf Liesten standen ihm nahe. Der Bürgermeister der
Altstadt, Hiob Legner,*) und seine Familie, der altstädtische Mälzenbrüuer
Lorenz von Harlem und andre Häuser waren ihm von Herzen zugethan. Der
ernste, mitunter melancholische Geist, der in dem Freundeskreise herrschte, dem
Stobäus angehörte, ist auch in seinen Kompositionen vernehmbar. Seine Tou-
weisen sind nicht mehr so heiter, als es die seines Meisters Eccard waren.
Auch nicht so bildreich wie diese, wofür wir den Grüns wohl darin zu er¬
kennen haben, daß die Lieder, welche Eceard komponirte, mehr einen objektiven
Charakter hatten, während die Dichter, deren Liedern Stobäus folgte, der
Darstellung ihrer Subjektivität größeren Raum gaben. Aber die Grundge¬
danken desselben finden wir auch bei ihm wieder. Beide Künstler suchten die
Aufgabe zu lösen, die Setzweise der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts,
welche Kirchliches und Volksmäßiges verbinden wollte, zu bewahren, aber sie
gewandter, anmuthiger, gesangreicher zu gestalten. Die Zahl der Melodien
für kirchliche Gesänge, die in die Gemeinden drangen, ist nicht groß. Es ist
dies theils daraus zu erklären, daß neue Melodien nur zugleich mit neuen
Texten von den Gemeinden angeeignet zu werden pflegten, daß also Stobäus,
wenn er schon eingewohnten Melodien die eigne Komposition gegenüber stellte,
einen schwer zu besiegenden Widerstand fand, theils war es dadurch bedingt,
daß der rhythmische Gesang, den Stobäus voraussetzte, im Laufe des 17ten
Jahrhunderts fremd geworden war.

Der dritte hervorragende Vertreter der Preußischen Tonschule war Heinrich
Albert. Er stammte ans Lobenstein im Voigtlande, wo er am 28. Juni 1604
geboren wurde. Er studirte anfangs in Leipzig die Rechte, widmete sich aber
dann, wohl unter Leitung seines Oheims Heinrich Schütz in Dresden, der
Tonkunst. 1626 kam er nach Königsberg, 1631 wurde er Organist am hiesigen
Dom, am 9. Februar 1638 vermählte er sich mit Elisabeth Starcke. Schon
am 10. Oktober 1651 starb er, auf das tiefste betrauert von Simon Dach, der
in ihm einen der ältesten, treuesten Freunde verlor und einen der letzten, die
ihm, dem kranken, müden Mann noch geblieben waren.

Die Kompositionsweise Albert's ist zum Theil eine andre, als wir sie bei



Auf den Tod Hiob Legncrs dichtete Dach das herrliche Lied: O wie selig seid ihr
doch, ihr Frommen,

des Künstlers ab, die sich aus den Bedrängnissen des Staats leicht erklären
so war die Lage desselben eine sehr angenehme. Nicht nur ein künstlerisch
und dichterisch begabter Freundeskreis ehrte und liebte ihn, auch eine große
Zahl adliger und bürgerlicher Häuser brachte ihm Huldigungen dar. Eustach
Christoph von Schlieben auf Nordenberg und Bcwien, Johann Caspar vou
Jeßgewang, Erbherr auf Liesten standen ihm nahe. Der Bürgermeister der
Altstadt, Hiob Legner,*) und seine Familie, der altstädtische Mälzenbrüuer
Lorenz von Harlem und andre Häuser waren ihm von Herzen zugethan. Der
ernste, mitunter melancholische Geist, der in dem Freundeskreise herrschte, dem
Stobäus angehörte, ist auch in seinen Kompositionen vernehmbar. Seine Tou-
weisen sind nicht mehr so heiter, als es die seines Meisters Eccard waren.
Auch nicht so bildreich wie diese, wofür wir den Grüns wohl darin zu er¬
kennen haben, daß die Lieder, welche Eceard komponirte, mehr einen objektiven
Charakter hatten, während die Dichter, deren Liedern Stobäus folgte, der
Darstellung ihrer Subjektivität größeren Raum gaben. Aber die Grundge¬
danken desselben finden wir auch bei ihm wieder. Beide Künstler suchten die
Aufgabe zu lösen, die Setzweise der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts,
welche Kirchliches und Volksmäßiges verbinden wollte, zu bewahren, aber sie
gewandter, anmuthiger, gesangreicher zu gestalten. Die Zahl der Melodien
für kirchliche Gesänge, die in die Gemeinden drangen, ist nicht groß. Es ist
dies theils daraus zu erklären, daß neue Melodien nur zugleich mit neuen
Texten von den Gemeinden angeeignet zu werden pflegten, daß also Stobäus,
wenn er schon eingewohnten Melodien die eigne Komposition gegenüber stellte,
einen schwer zu besiegenden Widerstand fand, theils war es dadurch bedingt,
daß der rhythmische Gesang, den Stobäus voraussetzte, im Laufe des 17ten
Jahrhunderts fremd geworden war.

Der dritte hervorragende Vertreter der Preußischen Tonschule war Heinrich
Albert. Er stammte ans Lobenstein im Voigtlande, wo er am 28. Juni 1604
geboren wurde. Er studirte anfangs in Leipzig die Rechte, widmete sich aber
dann, wohl unter Leitung seines Oheims Heinrich Schütz in Dresden, der
Tonkunst. 1626 kam er nach Königsberg, 1631 wurde er Organist am hiesigen
Dom, am 9. Februar 1638 vermählte er sich mit Elisabeth Starcke. Schon
am 10. Oktober 1651 starb er, auf das tiefste betrauert von Simon Dach, der
in ihm einen der ältesten, treuesten Freunde verlor und einen der letzten, die
ihm, dem kranken, müden Mann noch geblieben waren.

Die Kompositionsweise Albert's ist zum Theil eine andre, als wir sie bei



Auf den Tod Hiob Legncrs dichtete Dach das herrliche Lied: O wie selig seid ihr
doch, ihr Frommen,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/138>, abgerufen am 28.09.2024.