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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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Lüdinghusen, bekenne, was ich gegen den Ehrwürdigen Herren Superintendenten
und das Ministerium geredet, daß ich solches nicht, Jemanden zu injuriren
oder zu verunglimpfen, sondern aus fraulicher Schwachheit gethan habe, und
solches ist mir leid. Ich bitte um Gottes willen mir solches zu verzeihen; ich
gelobe, Hinsort mich gegen dasselbige Ministerium aller Gebühr zu erzeigen
und schuldige Reverenz zu beweisen." Dagegen versprachen der Superin¬
tendent und die anderen Geistlichen, nicht ferner mehr gegen die Lüdinghusen
eifern, sondern sie wieder als ein Kirchspiels-Kind annehmen zu wollen.

Nachdem diese gegenseitigen Zusagen gegeben waren, mußte die Frau
Bürgermeisterin zu jedem Einzelnen der anwesenden Herren gehen, ihm die
rechte Hand geben und sowohl fiir angewandte Mühe fleißig danken, als auch,
sich nach christlicher Gebühr zu verhalte", ernstlich geloben. In den Alten
wird besonders bemerkt, daß sie zuerst zu den Mitgliedern des Ministeriums,
darnach zu den Deputirten des Rathes und zuletzt zu ihren eigenen Freunden
gegangen sei, um in deren Hand ihre Danksagung und ihr Gelübde abzulegen.
Endlich verfügten sich nach aufgehobener Sitzung der Syndikus, Calixtus
Schein und der Rathsherr Johann Engelstede, die Pastoren Georg Barth und
Joachim Holtmann, der Dr. Joachim Gregory und Johann von Tegeln ans
das Rathhaus, um diesen Vortrag, wie, er geschrieben und verlesen war, in
des Ehrbaren Rathes Buch verzeichnen zu lassen. Später wurde davou dem
Ministerium eine Abschrift ausgehändigt.

Wer uun glaubt, daß die Lüdinghusen, nach so vielen bitteren Erfahrungen,
von ihrem Eheprvjekt abgestanden sei, der irrt sich; sie suchte vielmehr immer
aufs Neue nach Mitteln und Wegen, ihr Ziel zu erreichen. Wie schon früher an das
Konsistorium und die theologische Fakultät der Universität Rostock, so schrieb sie jetzt,
im Januar des Jahres 1579, an das Ministerium daselbst, an dessen Spitze Lucas
Bacmeister der Aeltere stand, und bat um ein wohlmeinendes Bedenken in ihrer
Sache. Das Ministerium war der Ansicht, die es in einer ausführlichen Deduktion
begründete: "Daß sothane Ehe weder den göttlichen noch den weltlichen Gesetzen
zuwider, sondern, zumal da die Lponsgliu xer vordg, as xraiZSsM bereits gehalten
worden, gar wohl erlaubt und zuzulassen wäre." Diese Responsion übergab
die Betheiligte darauf, im April desselben Jahres, dem Rathe zu Lübeck, in¬
dem sie zugleich, nach einer langen Klage über ihre Feinde, die ihr christliches,
rechtmäßiges Ehewerk bisher gehindert hätten, um Vollziehung desselben suppli-
zirte. Als der Rath auf diese Supplik ihr durch zwei Deputirte ans seiner
Mitte die Antwort ertheilen ließ, daß es bei dem früheren Beschlusse des Kon¬
sistoriums unabänderlich verbleiben müsse, hatte die Frau Bürgermeisterin die
grenzenlose Verwegenheit, Eurem Hochedlen Rathe durch jene Deputirte einen
höchst unsauberen und unanständigen Bescheid geben zu lassen; -- eine Frech-


Lüdinghusen, bekenne, was ich gegen den Ehrwürdigen Herren Superintendenten
und das Ministerium geredet, daß ich solches nicht, Jemanden zu injuriren
oder zu verunglimpfen, sondern aus fraulicher Schwachheit gethan habe, und
solches ist mir leid. Ich bitte um Gottes willen mir solches zu verzeihen; ich
gelobe, Hinsort mich gegen dasselbige Ministerium aller Gebühr zu erzeigen
und schuldige Reverenz zu beweisen." Dagegen versprachen der Superin¬
tendent und die anderen Geistlichen, nicht ferner mehr gegen die Lüdinghusen
eifern, sondern sie wieder als ein Kirchspiels-Kind annehmen zu wollen.

Nachdem diese gegenseitigen Zusagen gegeben waren, mußte die Frau
Bürgermeisterin zu jedem Einzelnen der anwesenden Herren gehen, ihm die
rechte Hand geben und sowohl fiir angewandte Mühe fleißig danken, als auch,
sich nach christlicher Gebühr zu verhalte», ernstlich geloben. In den Alten
wird besonders bemerkt, daß sie zuerst zu den Mitgliedern des Ministeriums,
darnach zu den Deputirten des Rathes und zuletzt zu ihren eigenen Freunden
gegangen sei, um in deren Hand ihre Danksagung und ihr Gelübde abzulegen.
Endlich verfügten sich nach aufgehobener Sitzung der Syndikus, Calixtus
Schein und der Rathsherr Johann Engelstede, die Pastoren Georg Barth und
Joachim Holtmann, der Dr. Joachim Gregory und Johann von Tegeln ans
das Rathhaus, um diesen Vortrag, wie, er geschrieben und verlesen war, in
des Ehrbaren Rathes Buch verzeichnen zu lassen. Später wurde davou dem
Ministerium eine Abschrift ausgehändigt.

Wer uun glaubt, daß die Lüdinghusen, nach so vielen bitteren Erfahrungen,
von ihrem Eheprvjekt abgestanden sei, der irrt sich; sie suchte vielmehr immer
aufs Neue nach Mitteln und Wegen, ihr Ziel zu erreichen. Wie schon früher an das
Konsistorium und die theologische Fakultät der Universität Rostock, so schrieb sie jetzt,
im Januar des Jahres 1579, an das Ministerium daselbst, an dessen Spitze Lucas
Bacmeister der Aeltere stand, und bat um ein wohlmeinendes Bedenken in ihrer
Sache. Das Ministerium war der Ansicht, die es in einer ausführlichen Deduktion
begründete: „Daß sothane Ehe weder den göttlichen noch den weltlichen Gesetzen
zuwider, sondern, zumal da die Lponsgliu xer vordg, as xraiZSsM bereits gehalten
worden, gar wohl erlaubt und zuzulassen wäre." Diese Responsion übergab
die Betheiligte darauf, im April desselben Jahres, dem Rathe zu Lübeck, in¬
dem sie zugleich, nach einer langen Klage über ihre Feinde, die ihr christliches,
rechtmäßiges Ehewerk bisher gehindert hätten, um Vollziehung desselben suppli-
zirte. Als der Rath auf diese Supplik ihr durch zwei Deputirte ans seiner
Mitte die Antwort ertheilen ließ, daß es bei dem früheren Beschlusse des Kon¬
sistoriums unabänderlich verbleiben müsse, hatte die Frau Bürgermeisterin die
grenzenlose Verwegenheit, Eurem Hochedlen Rathe durch jene Deputirte einen
höchst unsauberen und unanständigen Bescheid geben zu lassen; — eine Frech-


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[0110] Lüdinghusen, bekenne, was ich gegen den Ehrwürdigen Herren Superintendenten und das Ministerium geredet, daß ich solches nicht, Jemanden zu injuriren oder zu verunglimpfen, sondern aus fraulicher Schwachheit gethan habe, und solches ist mir leid. Ich bitte um Gottes willen mir solches zu verzeihen; ich gelobe, Hinsort mich gegen dasselbige Ministerium aller Gebühr zu erzeigen und schuldige Reverenz zu beweisen." Dagegen versprachen der Superin¬ tendent und die anderen Geistlichen, nicht ferner mehr gegen die Lüdinghusen eifern, sondern sie wieder als ein Kirchspiels-Kind annehmen zu wollen. Nachdem diese gegenseitigen Zusagen gegeben waren, mußte die Frau Bürgermeisterin zu jedem Einzelnen der anwesenden Herren gehen, ihm die rechte Hand geben und sowohl fiir angewandte Mühe fleißig danken, als auch, sich nach christlicher Gebühr zu verhalte», ernstlich geloben. In den Alten wird besonders bemerkt, daß sie zuerst zu den Mitgliedern des Ministeriums, darnach zu den Deputirten des Rathes und zuletzt zu ihren eigenen Freunden gegangen sei, um in deren Hand ihre Danksagung und ihr Gelübde abzulegen. Endlich verfügten sich nach aufgehobener Sitzung der Syndikus, Calixtus Schein und der Rathsherr Johann Engelstede, die Pastoren Georg Barth und Joachim Holtmann, der Dr. Joachim Gregory und Johann von Tegeln ans das Rathhaus, um diesen Vortrag, wie, er geschrieben und verlesen war, in des Ehrbaren Rathes Buch verzeichnen zu lassen. Später wurde davou dem Ministerium eine Abschrift ausgehändigt. Wer uun glaubt, daß die Lüdinghusen, nach so vielen bitteren Erfahrungen, von ihrem Eheprvjekt abgestanden sei, der irrt sich; sie suchte vielmehr immer aufs Neue nach Mitteln und Wegen, ihr Ziel zu erreichen. Wie schon früher an das Konsistorium und die theologische Fakultät der Universität Rostock, so schrieb sie jetzt, im Januar des Jahres 1579, an das Ministerium daselbst, an dessen Spitze Lucas Bacmeister der Aeltere stand, und bat um ein wohlmeinendes Bedenken in ihrer Sache. Das Ministerium war der Ansicht, die es in einer ausführlichen Deduktion begründete: „Daß sothane Ehe weder den göttlichen noch den weltlichen Gesetzen zuwider, sondern, zumal da die Lponsgliu xer vordg, as xraiZSsM bereits gehalten worden, gar wohl erlaubt und zuzulassen wäre." Diese Responsion übergab die Betheiligte darauf, im April desselben Jahres, dem Rathe zu Lübeck, in¬ dem sie zugleich, nach einer langen Klage über ihre Feinde, die ihr christliches, rechtmäßiges Ehewerk bisher gehindert hätten, um Vollziehung desselben suppli- zirte. Als der Rath auf diese Supplik ihr durch zwei Deputirte ans seiner Mitte die Antwort ertheilen ließ, daß es bei dem früheren Beschlusse des Kon¬ sistoriums unabänderlich verbleiben müsse, hatte die Frau Bürgermeisterin die grenzenlose Verwegenheit, Eurem Hochedlen Rathe durch jene Deputirte einen höchst unsauberen und unanständigen Bescheid geben zu lassen; — eine Frech-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/110>, abgerufen am 21.10.2024.