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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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heit, die freilich bald mit harter Strafe an ihr geahndet wurde. Der Senat
diktirte ihr nämlich, in Folge dieses Bescheides, auf unbestimmte Zeit den
Hausarrest, und zwar bei 1000 Mark Strafe, wenn sie irgendwie ihre Wohnung,
geschweige denn die Stadt verlassen würde. Dies empfand nun die hohe
Dame sehr übel. Zwar gab es damals noch nicht, wie heutzutage, Soireen
und Subskriptiousbälle, an deren Besuch sie durch ihren Arrest gehindert
wurde; aber man hatte andere, die Damen jener Zeit nicht minder ansprechende
gesellige Freuden, die ihr dadurch entzogen wurden. Indeß sie ertrug so
Schweres auch nicht lange; schon nach Ablauf eiues Vierteljahres kam sie um
Aufhebung ihrer Strafe KuxMeümäo beim Rathe ein. Und der Rath war
gnädig, indem er den Arrest in soweit aufhob, daß er ihr erlaubte, sonntäglich
den öffentlichen Gottesdienst besuchen zu dürfen. Diese Antwort erhielt die
Lüdinghusen am 5. September 1579; unzufrieden damit, faßte sie rasch den
Entschluß, die Freiheit, um welche sie den Rath vergebens gebeten hatte, sich
selbst zu verschaffen.

Und so sah man die Bürgermeisterin an: anderen Tage früh Morgens,
vou ihrem Bräutigam und einigen Frauen und Jungfrauen begleitet, auf
einem unverdeckter Wagen aus Lübeck zum Burgthore hinaus die Straße uach
Rostock fahren. Kaum hatte der Rath von dieser Flucht Kunde erhalten, als
er einen seiner reitenden Diener der Fran Lüdinghusen nachsandte mit einem
ausführlichen Schreiben an den Senat der Stadt Rostock, in welchem das be-
trügliche Wesen der Entflohenen aufgedeckt und zugleich gebeten wurde, der¬
selben die Kopulation mit Hermann Buning nicht zu gestatten. Allein die
Lüdinghusen, die Alles weise vorbereitet hatte, war in der Ausführung ihres
Plattes mit der größten Eile zu Werke gegangen, während der reitende Diener,
obwohl er ein reitender war, in der Ausrichtung seines Auftrages höchst langsam
verfuhr und daher mit Allem zu spät kam. Denn als derselbe in Rostock
nach der von ihm Verfolgten sich umsah, war sie bereits getraut und ihr
Gatte zum Bürger daselbst angenommen.

Letzteres ganz besonders verdroß den Senat der Stadt Lübeck; denn Her¬
mann Buning war ein Lübeckjcher Bürger und seines Eides noch nicht entbunden.
Aus dem Grunde wurde im Rathhause zu Lübeck beschlossen, den Hermann
Buning als einen Meineidigen forthin von dieser Stadt Wohnung auszu¬
schließen, den Nostockern aber es gar nachdrücklich zu verweisen, daß sie wider
die ?s,etÄ und Lonveuw beider Städte deu in Lübeck eingesessener Bürger bei
sich ein- und zum Bürgereide zugelassen hätten. Zugleich wurden in aller
Eile alle zurückgebliebenen Güter der Lüdinghusen mit Beschlag belegt. Nichts¬
destoweniger wußte die Bürgermeisterin bald darauf, durch Vermittelung ihrer
Freunde zu Rostock, es zu erreichen, daß sie vierzehn Tage lang zu Lübeck sich


heit, die freilich bald mit harter Strafe an ihr geahndet wurde. Der Senat
diktirte ihr nämlich, in Folge dieses Bescheides, auf unbestimmte Zeit den
Hausarrest, und zwar bei 1000 Mark Strafe, wenn sie irgendwie ihre Wohnung,
geschweige denn die Stadt verlassen würde. Dies empfand nun die hohe
Dame sehr übel. Zwar gab es damals noch nicht, wie heutzutage, Soireen
und Subskriptiousbälle, an deren Besuch sie durch ihren Arrest gehindert
wurde; aber man hatte andere, die Damen jener Zeit nicht minder ansprechende
gesellige Freuden, die ihr dadurch entzogen wurden. Indeß sie ertrug so
Schweres auch nicht lange; schon nach Ablauf eiues Vierteljahres kam sie um
Aufhebung ihrer Strafe KuxMeümäo beim Rathe ein. Und der Rath war
gnädig, indem er den Arrest in soweit aufhob, daß er ihr erlaubte, sonntäglich
den öffentlichen Gottesdienst besuchen zu dürfen. Diese Antwort erhielt die
Lüdinghusen am 5. September 1579; unzufrieden damit, faßte sie rasch den
Entschluß, die Freiheit, um welche sie den Rath vergebens gebeten hatte, sich
selbst zu verschaffen.

Und so sah man die Bürgermeisterin an: anderen Tage früh Morgens,
vou ihrem Bräutigam und einigen Frauen und Jungfrauen begleitet, auf
einem unverdeckter Wagen aus Lübeck zum Burgthore hinaus die Straße uach
Rostock fahren. Kaum hatte der Rath von dieser Flucht Kunde erhalten, als
er einen seiner reitenden Diener der Fran Lüdinghusen nachsandte mit einem
ausführlichen Schreiben an den Senat der Stadt Rostock, in welchem das be-
trügliche Wesen der Entflohenen aufgedeckt und zugleich gebeten wurde, der¬
selben die Kopulation mit Hermann Buning nicht zu gestatten. Allein die
Lüdinghusen, die Alles weise vorbereitet hatte, war in der Ausführung ihres
Plattes mit der größten Eile zu Werke gegangen, während der reitende Diener,
obwohl er ein reitender war, in der Ausrichtung seines Auftrages höchst langsam
verfuhr und daher mit Allem zu spät kam. Denn als derselbe in Rostock
nach der von ihm Verfolgten sich umsah, war sie bereits getraut und ihr
Gatte zum Bürger daselbst angenommen.

Letzteres ganz besonders verdroß den Senat der Stadt Lübeck; denn Her¬
mann Buning war ein Lübeckjcher Bürger und seines Eides noch nicht entbunden.
Aus dem Grunde wurde im Rathhause zu Lübeck beschlossen, den Hermann
Buning als einen Meineidigen forthin von dieser Stadt Wohnung auszu¬
schließen, den Nostockern aber es gar nachdrücklich zu verweisen, daß sie wider
die ?s,etÄ und Lonveuw beider Städte deu in Lübeck eingesessener Bürger bei
sich ein- und zum Bürgereide zugelassen hätten. Zugleich wurden in aller
Eile alle zurückgebliebenen Güter der Lüdinghusen mit Beschlag belegt. Nichts¬
destoweniger wußte die Bürgermeisterin bald darauf, durch Vermittelung ihrer
Freunde zu Rostock, es zu erreichen, daß sie vierzehn Tage lang zu Lübeck sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/111>, abgerufen am 28.09.2024.