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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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selbe die ganze Sache nahm. Es wurden dcpntirt von Seiten des Senates:
die drei Bürgermeister Johann Brotes, Christoph Tode und Hinrich Plönnies,
der Syndikus Calixtus Schein und die vier Rathsherren Benedikt Schlicker,
Franz und Heinrich von Seiten und Johann Eugelstede; von Seiten des
Ministeriums der Superintendent Pauhenius, von jeder Kirche der Hauptpastor
und der Archidiakonus und außerdem der Prediger Rhau; und endlich von
Seiten der Lüdinghusen auf ihren besonderen Wunsch der Advokat Lorenz
Kirchhofs aus Rostock, der Dr. Joachim Gregory und der Goldschmidt Johann
vou Tegeln. Die Kommission versammelte sich zu zwei Malen, am 26. und
am 27. Juni 1578, und zwar unter der Leitung des Syndikus Schein. Der
Superintendent Panhenins hatte die Anklage der Lüdinghusen übernommen;
dabei ist der Zug auffallend und charakteristisch, daß Panhenius sich nicht mit
einem den Thatbestand einfach darlegenden Vortrage begnügte, sondern es zu¬
gleich für nöthig erachtete, auch seine Person noch gegen die ausgesprochenen
Injurien in einer ausgeführten und wohlgeordneten Rede zu vertheidigen. Er
meinte uuter Anderem in dieser Rede, wenn er wirklich so schlecht wäre, wie
die Iran Bürgermeisterin ihn dargestellt habe, dann hätte es wohl von Seiten
Lübecks nicht so vieler Mühe, Arbeit und Kosten, als doch nöthig waren, be¬
durft, um ihn von Braunschweig hierher zu gewinnen. Auch würden in dem
Falle die Herren Pastores und die anderen Herren Fratres in Lübeck keines¬
wegs so lange mit ihm zufrieden gewesen sein. Und die Sektirer zumal, mit
denen er allhier eine Zeit lang in Streit gelegen, würden nicht bis jetzt ge¬
schwiegen, sondern vorlängst schon, nach ihrer Weise, ihm solches vorgeworfen,
nicht aber gewartet haben, bis allererst die Lüdinghuseu es offenkundig mache;
und was dergleichen mehr ist.

Die Vertheidigung der Angeklagten führte der Advokat Kirchhofs, von dem
die Akten sagen, er habe "mit prächtigen Worten und mit aufgeblasenem Ge¬
müthe" geredet. Die Rathsdeputirteu hatten es gleich anfangs auf eine
gütliche Ausgleichung abgesehen; doch kam es dazu in der ersten Sitzung
nicht, weil Kirchhofs weder Etwas zugestehen, noch in Etwas willigen wollte,
ohne vorher mit seiner Klientin Rücksprache genommen zu haben. Erst die
zweite Sitzung brachte, nach vielen bitteren Kämpfen, die gewünschte Aus-
söhnung in der Art zu Stande, daß die Wittwe Lüdinghnsen ihr Verbrechen
abbitten, der Unschuld des Superintendenten Pauhenius und des Pastor
Schröder ein ehrliches Zeugniß geben und hinfüro schweigen, ein Ehrbarer
Rath aber dieser Vergleichung wegen dem Ministerium ein Testimonium er¬
theilen sollte."

Zu dem Eude mußte die Bürgermeisterin persönlich in der Verscunmlnng
erscheinen und folgenden Revers eigenhändig unterschreiben: "Ich, Adelheid


selbe die ganze Sache nahm. Es wurden dcpntirt von Seiten des Senates:
die drei Bürgermeister Johann Brotes, Christoph Tode und Hinrich Plönnies,
der Syndikus Calixtus Schein und die vier Rathsherren Benedikt Schlicker,
Franz und Heinrich von Seiten und Johann Eugelstede; von Seiten des
Ministeriums der Superintendent Pauhenius, von jeder Kirche der Hauptpastor
und der Archidiakonus und außerdem der Prediger Rhau; und endlich von
Seiten der Lüdinghusen auf ihren besonderen Wunsch der Advokat Lorenz
Kirchhofs aus Rostock, der Dr. Joachim Gregory und der Goldschmidt Johann
vou Tegeln. Die Kommission versammelte sich zu zwei Malen, am 26. und
am 27. Juni 1578, und zwar unter der Leitung des Syndikus Schein. Der
Superintendent Panhenins hatte die Anklage der Lüdinghusen übernommen;
dabei ist der Zug auffallend und charakteristisch, daß Panhenius sich nicht mit
einem den Thatbestand einfach darlegenden Vortrage begnügte, sondern es zu¬
gleich für nöthig erachtete, auch seine Person noch gegen die ausgesprochenen
Injurien in einer ausgeführten und wohlgeordneten Rede zu vertheidigen. Er
meinte uuter Anderem in dieser Rede, wenn er wirklich so schlecht wäre, wie
die Iran Bürgermeisterin ihn dargestellt habe, dann hätte es wohl von Seiten
Lübecks nicht so vieler Mühe, Arbeit und Kosten, als doch nöthig waren, be¬
durft, um ihn von Braunschweig hierher zu gewinnen. Auch würden in dem
Falle die Herren Pastores und die anderen Herren Fratres in Lübeck keines¬
wegs so lange mit ihm zufrieden gewesen sein. Und die Sektirer zumal, mit
denen er allhier eine Zeit lang in Streit gelegen, würden nicht bis jetzt ge¬
schwiegen, sondern vorlängst schon, nach ihrer Weise, ihm solches vorgeworfen,
nicht aber gewartet haben, bis allererst die Lüdinghuseu es offenkundig mache;
und was dergleichen mehr ist.

Die Vertheidigung der Angeklagten führte der Advokat Kirchhofs, von dem
die Akten sagen, er habe „mit prächtigen Worten und mit aufgeblasenem Ge¬
müthe" geredet. Die Rathsdeputirteu hatten es gleich anfangs auf eine
gütliche Ausgleichung abgesehen; doch kam es dazu in der ersten Sitzung
nicht, weil Kirchhofs weder Etwas zugestehen, noch in Etwas willigen wollte,
ohne vorher mit seiner Klientin Rücksprache genommen zu haben. Erst die
zweite Sitzung brachte, nach vielen bitteren Kämpfen, die gewünschte Aus-
söhnung in der Art zu Stande, daß die Wittwe Lüdinghnsen ihr Verbrechen
abbitten, der Unschuld des Superintendenten Pauhenius und des Pastor
Schröder ein ehrliches Zeugniß geben und hinfüro schweigen, ein Ehrbarer
Rath aber dieser Vergleichung wegen dem Ministerium ein Testimonium er¬
theilen sollte."

Zu dem Eude mußte die Bürgermeisterin persönlich in der Verscunmlnng
erscheinen und folgenden Revers eigenhändig unterschreiben: „Ich, Adelheid


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/109>, abgerufen am 28.09.2024.