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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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zu geben; und dies um so weniger, als die öffentliche Meinung dem Verfasser
der Schrift, dem einflußreichen Kabinetsrath zur Zeit der Haugwitz'schen
Staatsleitnng, pekuniäre Abhängigkeit von Frankreich Schuld gab.

Die anderen Männer, die von verwandten Angriffen damals und später¬
hin getroffen wurden, sahen sich veranlaßt in späterer Zeit auch ihrerseits über
diese Fragen sich auszusprechen. So schrieb Luchesini 1820 eine historische
Darstellung der Entstehung des Rheinbundes, indem er an dies eine Moment
die anderen damit zusammenhängenden Betrachtungen anlehnte. So hat auch
Hang witz in höherem Alter noch sich bewogen gefühlt, Memoiren seines
ministeriellen Lebens zur Rechtfertigung seiner Politik zu schreiben; den Ab¬
schnitt über den Schönbrunner Vertrag legte er dem Könige Friedrich Wil¬
helm III- im Jahre 1829 vor, und der König genehmigte dessen Veröffentli¬
chung, "vorausgesetzt, daß alles vermieden werde, was der Schrift ein offizielles
Ansehen geben und die Meinung veranlassen könnte als ob sie unter öffent¬
licher Autorisation erscheine." Erst 1837 erschien dies Fragment clef memoires
w6cMs an eomtv alö H^ujzv/it/. -- Ob die Angabe richtig, die ich gelesen zu
haben mich erinnere, daß anch Behme zu seiner Rechtfertigung Denkwürdig¬
keiten abgefaßt, muß ich dahingestellt sein lassen; gedruckt sind sie nicht.

Das Erscheinen der Lombard'schen Apologie im Anfang des Jahres
1808, vereinzelte Bemerkungen in den Schriften Cölln's, in der "Gallerie" und
der "Charakteristik" (in den beiden Pamphleten, die so eben erwähnt sind)
drückten anch demjenigen Staatsmanne die Feder in die Hand, der nach
dem Beginn des Unglücks znerst den Weg der Rettung gewiesen und im Früh¬
jahr 1807 als Haupt der Staatsverwaltung die ersten Keime des Neuen
Preußen gepflanzt hatte. Der Freiherr von Hardenberg hatte 1807 eine
neue Aera einer kraftvollen und prinzipiellen Politik eröffnet; er hatte sich
1807 als einen Staatslenker ganz anderen Schlages gezeigt wie jene Männer
welche in die Katastrophe hinein das Staatsschiff dirigirt hatten. Freilich
war er selbst in jener früheren Zeit Mitglied der früheren Regierung gewesen,
ja von April 1804 bis April 1806 sogar offiziell der Leiter der auswärtigen
Politik; aber er hatte damals noch nicht freie Hand gehabt; und er selbst, das
ist wohl nicht zu bezweifeln, hatte allmälig erst die Wichtige Einsicht in die
allgemeine Lage gewonnen, und allmälig erst die Fähigkeit energischen Han¬
delns nach der eigenen Einsicht sich angeeignet. Nach dem Material, das bis
jetzt vorliegt, würde man gegenwärtig das noch nicht ohne weiteres als sichere
Thatsache betrachten dürfen, daß vor 1806 Hardenberg eine energischere und
bessere Politik als Haugwitz seinem Könige --jedenfalls, seit 1807
war Hardenberg der Staatsmann, der mit genialen Blicke die nothwendigen
Schritte zur Erhaltung Preußens in Vorschlag gebracht und ihre Ausführung


zu geben; und dies um so weniger, als die öffentliche Meinung dem Verfasser
der Schrift, dem einflußreichen Kabinetsrath zur Zeit der Haugwitz'schen
Staatsleitnng, pekuniäre Abhängigkeit von Frankreich Schuld gab.

Die anderen Männer, die von verwandten Angriffen damals und später¬
hin getroffen wurden, sahen sich veranlaßt in späterer Zeit auch ihrerseits über
diese Fragen sich auszusprechen. So schrieb Luchesini 1820 eine historische
Darstellung der Entstehung des Rheinbundes, indem er an dies eine Moment
die anderen damit zusammenhängenden Betrachtungen anlehnte. So hat auch
Hang witz in höherem Alter noch sich bewogen gefühlt, Memoiren seines
ministeriellen Lebens zur Rechtfertigung seiner Politik zu schreiben; den Ab¬
schnitt über den Schönbrunner Vertrag legte er dem Könige Friedrich Wil¬
helm III- im Jahre 1829 vor, und der König genehmigte dessen Veröffentli¬
chung, „vorausgesetzt, daß alles vermieden werde, was der Schrift ein offizielles
Ansehen geben und die Meinung veranlassen könnte als ob sie unter öffent¬
licher Autorisation erscheine." Erst 1837 erschien dies Fragment clef memoires
w6cMs an eomtv alö H^ujzv/it/. — Ob die Angabe richtig, die ich gelesen zu
haben mich erinnere, daß anch Behme zu seiner Rechtfertigung Denkwürdig¬
keiten abgefaßt, muß ich dahingestellt sein lassen; gedruckt sind sie nicht.

Das Erscheinen der Lombard'schen Apologie im Anfang des Jahres
1808, vereinzelte Bemerkungen in den Schriften Cölln's, in der „Gallerie" und
der „Charakteristik" (in den beiden Pamphleten, die so eben erwähnt sind)
drückten anch demjenigen Staatsmanne die Feder in die Hand, der nach
dem Beginn des Unglücks znerst den Weg der Rettung gewiesen und im Früh¬
jahr 1807 als Haupt der Staatsverwaltung die ersten Keime des Neuen
Preußen gepflanzt hatte. Der Freiherr von Hardenberg hatte 1807 eine
neue Aera einer kraftvollen und prinzipiellen Politik eröffnet; er hatte sich
1807 als einen Staatslenker ganz anderen Schlages gezeigt wie jene Männer
welche in die Katastrophe hinein das Staatsschiff dirigirt hatten. Freilich
war er selbst in jener früheren Zeit Mitglied der früheren Regierung gewesen,
ja von April 1804 bis April 1806 sogar offiziell der Leiter der auswärtigen
Politik; aber er hatte damals noch nicht freie Hand gehabt; und er selbst, das
ist wohl nicht zu bezweifeln, hatte allmälig erst die Wichtige Einsicht in die
allgemeine Lage gewonnen, und allmälig erst die Fähigkeit energischen Han¬
delns nach der eigenen Einsicht sich angeeignet. Nach dem Material, das bis
jetzt vorliegt, würde man gegenwärtig das noch nicht ohne weiteres als sichere
Thatsache betrachten dürfen, daß vor 1806 Hardenberg eine energischere und
bessere Politik als Haugwitz seinem Könige —jedenfalls, seit 1807
war Hardenberg der Staatsmann, der mit genialen Blicke die nothwendigen
Schritte zur Erhaltung Preußens in Vorschlag gebracht und ihre Ausführung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/8>, abgerufen am 01.07.2024.