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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Kosaken nur gesagt', daß sie in Zukunft sich nicht selbst Recht verschaffen, son¬
dern es bei der gesetzlichen Behörde suchen sollen.

Unter den Kosaken von Binewl herrscht die größte Gastfreundschaft; sie
ist in Nekrassows Statut geboten. Sie lieben auch Gelage, ja sie trinken so¬
gar viel; doch machen sie bei ihren Trinkgelagen nicht Lärm, wie die in der
Dobrudscha angesiedelten Kosaken oder wie die Saporoger Kosaken und die
Polen. Ehe ein Gelage beginnt, wird verkündet, daß es keinem erlaubt sei,
die Mutter, Schwester, Frau oder Tochter eines anderen zu beleidigen, oder
iiberhaupt von irgend einer Frau unehrerbietig zu sprechen. Wer dieses Gebot
übertritt, wird das erste Mal am Kragen aus der Stube geführt; läßt er sich
ein zweites Mal dasselbe Vergehen zu Schulden kommen, so wird er abermals
hinausgeführt und erhält hundert Stockschläge; fürs dritte Mal gibt es hundert
und fünfzig Stvckschlüge, außerdem werden einem solchen Unverbesserlichen Ketten
angelegt und er darf nun während fünfzehn Tagen in keine Gesellschaft kommen.
Prügel schänden übrigens keinen Kosaken; im Gegentheile rühmt sich der junge
Kosak, daß er alle diese Strafen schon durchgemacht hat, und nun erst ein
richtiger Kosak ist. Er dünkt sich dadurch gleichsam -- zum Ritter geschlagen.
Die Kosaken Nekrassow's leben nicht gern einsam. Keiner von ihnen ißt, oder
trinkt allein, und während der Gelage hört man gern die Erzählungen der
Alten, oder die Jüngeren nationale Lieder singen.

Die Nekrassower Kosaken werden von wählbaren und ständigen Beamten
regiert. Zu wählen sind: der kommandirende Ataman, der Assawul, der Terd-
schuman und die Zehutner. Die Titel der ständigen Beamten sind ebenfalls
verschieden. Außerdem bilden noch zwölf Aelteste einen Rath. Die ausübende
Gewalt befindet sich in den Händen des Ataman, dessen Beigeordneter der
Assawul ist. Der Rath der Alten bildet den Gesetzgebenden Körper. Es kann
unter den Nekrassower Kosaken nichts geschehen, was nicht von ihnen in Ge¬
meinschaft mit dem Amman berathen und beschlossen worden ist. Wenn keine
Einstimmigkeit erzielt wird, entscheidet die Stimmenmehrheit. Die Beamten werden
uur für ein Jahr gewählt, doch werden sie gewöhnlich während einer langen
Reihe von Jahren wiedergewählt. Viele bleiben ihr ganzes Leben im Amte,
denn die Nekrassower sind konservativer Natur und lieben nicht gerade die
Veränderung.

Im Falle eines Krieges werden die Nekrassower Kosaken durch eine Jrade
des Sultans aufgefordert, ihrer Pflicht nachzukommen. Wenn der Ataman diese
Jrade erhalten, veröffentlicht er sie sofort und nach zehn Tagen kommen alle
Kosaken vom fünfzehnten bis funfzigsten Jahre an ihrem Hauptsammelplcche
Susannen, wo sie schon den nettesten und den Ataman finden. Jeder einzelne
stellt sich diesen vor, nimmt die Mütze ab, segnet sich dreimal mit dem Zeichen


Kosaken nur gesagt', daß sie in Zukunft sich nicht selbst Recht verschaffen, son¬
dern es bei der gesetzlichen Behörde suchen sollen.

Unter den Kosaken von Binewl herrscht die größte Gastfreundschaft; sie
ist in Nekrassows Statut geboten. Sie lieben auch Gelage, ja sie trinken so¬
gar viel; doch machen sie bei ihren Trinkgelagen nicht Lärm, wie die in der
Dobrudscha angesiedelten Kosaken oder wie die Saporoger Kosaken und die
Polen. Ehe ein Gelage beginnt, wird verkündet, daß es keinem erlaubt sei,
die Mutter, Schwester, Frau oder Tochter eines anderen zu beleidigen, oder
iiberhaupt von irgend einer Frau unehrerbietig zu sprechen. Wer dieses Gebot
übertritt, wird das erste Mal am Kragen aus der Stube geführt; läßt er sich
ein zweites Mal dasselbe Vergehen zu Schulden kommen, so wird er abermals
hinausgeführt und erhält hundert Stockschläge; fürs dritte Mal gibt es hundert
und fünfzig Stvckschlüge, außerdem werden einem solchen Unverbesserlichen Ketten
angelegt und er darf nun während fünfzehn Tagen in keine Gesellschaft kommen.
Prügel schänden übrigens keinen Kosaken; im Gegentheile rühmt sich der junge
Kosak, daß er alle diese Strafen schon durchgemacht hat, und nun erst ein
richtiger Kosak ist. Er dünkt sich dadurch gleichsam — zum Ritter geschlagen.
Die Kosaken Nekrassow's leben nicht gern einsam. Keiner von ihnen ißt, oder
trinkt allein, und während der Gelage hört man gern die Erzählungen der
Alten, oder die Jüngeren nationale Lieder singen.

Die Nekrassower Kosaken werden von wählbaren und ständigen Beamten
regiert. Zu wählen sind: der kommandirende Ataman, der Assawul, der Terd-
schuman und die Zehutner. Die Titel der ständigen Beamten sind ebenfalls
verschieden. Außerdem bilden noch zwölf Aelteste einen Rath. Die ausübende
Gewalt befindet sich in den Händen des Ataman, dessen Beigeordneter der
Assawul ist. Der Rath der Alten bildet den Gesetzgebenden Körper. Es kann
unter den Nekrassower Kosaken nichts geschehen, was nicht von ihnen in Ge¬
meinschaft mit dem Amman berathen und beschlossen worden ist. Wenn keine
Einstimmigkeit erzielt wird, entscheidet die Stimmenmehrheit. Die Beamten werden
uur für ein Jahr gewählt, doch werden sie gewöhnlich während einer langen
Reihe von Jahren wiedergewählt. Viele bleiben ihr ganzes Leben im Amte,
denn die Nekrassower sind konservativer Natur und lieben nicht gerade die
Veränderung.

Im Falle eines Krieges werden die Nekrassower Kosaken durch eine Jrade
des Sultans aufgefordert, ihrer Pflicht nachzukommen. Wenn der Ataman diese
Jrade erhalten, veröffentlicht er sie sofort und nach zehn Tagen kommen alle
Kosaken vom fünfzehnten bis funfzigsten Jahre an ihrem Hauptsammelplcche
Susannen, wo sie schon den nettesten und den Ataman finden. Jeder einzelne
stellt sich diesen vor, nimmt die Mütze ab, segnet sich dreimal mit dem Zeichen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/75>, abgerufen am 27.09.2024.