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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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des Kreuzes und wirft dann die Mütze rückwärts hinter sich. Wenn alle in dieser
Weise vorbeidefilirt sind, erheben sich die nettesten, würfeln die Kosakenmützen
untereinander und nehmen nun aus dem Häuser so viele derselben heraus, als
ihnen aufgegeben ist, Mannschaften zu stellen. Jeder Kosak rekognoszirt hier¬
auf seiue Mütze und betrachtet sich eventuell von nun ab als ausgehoben. Der
Atamau wählt nun im Vereine mit den nettesten einen Svtnik, welcher den
Titel Marschataman erhält, zwei Lieutenants, die Oberste genannt werden,
einen Fähnrich, der die große Fahne, zwei andere mit dem Titel "Butschntschey",
welche die kleinen Fahnen tragen, einen Assawul und einen Tardschuman, der
türkisch verstehen muß und die Stellung eines Schreibers im Korps hat.
Außerdem werden dem Korps zwei Aelteste beigegeben, welche eine moralische
Gewalt ausüben, und ungefähr die Bedeutung der römischen Censoren, oder
der Commissaires der französischen Republik haben. -- Diese Aeltesten können
von Niemand ihres Amtes entsetzt werden, während sie jedem sein Amt nehmen
können. Wenn ein Offizier seine Pflichten nicht erfüllt, berufen sie eine Ver¬
sammlung und es erfolgt eine Neuwahl. Dieser Wahlakt ist jedoch nur eine
leere, nichtsbedeutende Form, da keiner in der Versammlung es wagen darf, etwas
Anderes zu wollen, oder anders zu wählen, als den Aeltesten genehm ist. --
Die Zehntmänner werden vom Marschataman ernannt, der jedoch nur dann
diesen Titel führt, wenn er eine größere Zahl Sotnien (Abtheilungen, von je
hundert Mann) ins Feld führt. Sonst führt er nur den Titel "Sotnik."
Der Generalstab besteht aus dem Marscha amar, dem Terdschuman und Assa-
wnl. Der Assawul der Sowie erhält den Titel "Tschausch."

Jeder erhält ein Pferd, oder aus der allgemeinen Kasse das nöthige Geld,
um ein solches zu kaufen. Ebenso wird ihm das Geld zur Bewaffnung und ein
ganzer Jahresverdienst zum Unterhalte seiner Familie gegeben. Am Tage, an
dem der Kosak beritten und bewaffnet sich zum Marsche bereit stellen muß,
versammeln sich wiederum der Atamau und die Aeltesten. Offiziere wie Ge¬
meine Passiren einzeln vor ihnen Revue, jeder verneigt sich vor ihnen, schlägt
drei Mal das Kreuz und ruft: Aelteste, befindet sich einer unter euch, der meine
arme sündige Seele in seine Obhut zu nehmen bereit ist und sich ihrer erbarmt?"
Die Aeltesten schweigen einige Zeit, bis endlich einer oder der andere ruft:
"Reise mit Gott!" Diese Worte erfüllen den Nekrassower mit Vertrauen, er
ist jetzt überzeugt, daß ihm nunmehr kein Haar vom Haupte .fallen werde,
denn "er ist besprochen von einem erfahrenen, vor Gott und Menschen
verdienten Greise." Nach dieser Revue werden die Fahnen, und zwar
die große und zwei kleine, wenn nur eine Sowie ins Feld rückt, aus der
Kirche gebracht und mit Kanonenschüssen salutirt. Die Fähnriche schwören
hierauf, daß sie die ihnen anvertrauten Kleinodien durch den Feind


des Kreuzes und wirft dann die Mütze rückwärts hinter sich. Wenn alle in dieser
Weise vorbeidefilirt sind, erheben sich die nettesten, würfeln die Kosakenmützen
untereinander und nehmen nun aus dem Häuser so viele derselben heraus, als
ihnen aufgegeben ist, Mannschaften zu stellen. Jeder Kosak rekognoszirt hier¬
auf seiue Mütze und betrachtet sich eventuell von nun ab als ausgehoben. Der
Atamau wählt nun im Vereine mit den nettesten einen Svtnik, welcher den
Titel Marschataman erhält, zwei Lieutenants, die Oberste genannt werden,
einen Fähnrich, der die große Fahne, zwei andere mit dem Titel „Butschntschey",
welche die kleinen Fahnen tragen, einen Assawul und einen Tardschuman, der
türkisch verstehen muß und die Stellung eines Schreibers im Korps hat.
Außerdem werden dem Korps zwei Aelteste beigegeben, welche eine moralische
Gewalt ausüben, und ungefähr die Bedeutung der römischen Censoren, oder
der Commissaires der französischen Republik haben. — Diese Aeltesten können
von Niemand ihres Amtes entsetzt werden, während sie jedem sein Amt nehmen
können. Wenn ein Offizier seine Pflichten nicht erfüllt, berufen sie eine Ver¬
sammlung und es erfolgt eine Neuwahl. Dieser Wahlakt ist jedoch nur eine
leere, nichtsbedeutende Form, da keiner in der Versammlung es wagen darf, etwas
Anderes zu wollen, oder anders zu wählen, als den Aeltesten genehm ist. —
Die Zehntmänner werden vom Marschataman ernannt, der jedoch nur dann
diesen Titel führt, wenn er eine größere Zahl Sotnien (Abtheilungen, von je
hundert Mann) ins Feld führt. Sonst führt er nur den Titel „Sotnik."
Der Generalstab besteht aus dem Marscha amar, dem Terdschuman und Assa-
wnl. Der Assawul der Sowie erhält den Titel „Tschausch."

Jeder erhält ein Pferd, oder aus der allgemeinen Kasse das nöthige Geld,
um ein solches zu kaufen. Ebenso wird ihm das Geld zur Bewaffnung und ein
ganzer Jahresverdienst zum Unterhalte seiner Familie gegeben. Am Tage, an
dem der Kosak beritten und bewaffnet sich zum Marsche bereit stellen muß,
versammeln sich wiederum der Atamau und die Aeltesten. Offiziere wie Ge¬
meine Passiren einzeln vor ihnen Revue, jeder verneigt sich vor ihnen, schlägt
drei Mal das Kreuz und ruft: Aelteste, befindet sich einer unter euch, der meine
arme sündige Seele in seine Obhut zu nehmen bereit ist und sich ihrer erbarmt?"
Die Aeltesten schweigen einige Zeit, bis endlich einer oder der andere ruft:
„Reise mit Gott!" Diese Worte erfüllen den Nekrassower mit Vertrauen, er
ist jetzt überzeugt, daß ihm nunmehr kein Haar vom Haupte .fallen werde,
denn „er ist besprochen von einem erfahrenen, vor Gott und Menschen
verdienten Greise." Nach dieser Revue werden die Fahnen, und zwar
die große und zwei kleine, wenn nur eine Sowie ins Feld rückt, aus der
Kirche gebracht und mit Kanonenschüssen salutirt. Die Fähnriche schwören
hierauf, daß sie die ihnen anvertrauten Kleinodien durch den Feind


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/76>, abgerufen am 27.09.2024.