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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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sie mit dem Sultan abschlossen, heißt es: "Für die den Lebenden in deinem
Lande erwiesene Gastfreundschaft, und das den Verstorbenen gewährte Asyl,
werden wir dir, o mächtiger Sultan, mit unserem Blute zahlen, das wir zur
Vertheidigung deines großen Reiches vergießen wollen. Für eigene Kosten,
auf eigenen Pferden und mit eigenen Waffen werden wir in jeden Krieg gegen
die Moskowiter ziehen. Da aber dein Land, o Sultan und Monarch, felsig
und steinig ist, wirst du uns zu Hufeisen je zwei Beutel fürs Pferd zahlen,
wie du uns auch Lebensmittel für Menschen und Pferde während des Krieges
und Sold, wie du ihn deinen Spahis giebst, geben wirst." Die Nekrassower
waren frei von allen Abgaben und Leistungen, beschäftigten sich während des
Friedens mit Fisch- und Blntegelfang, und deren Vertriebe. Sie waren in
militärischer Hinficht dem Seraskier-Pascha Unterthan, und stellten im Ver¬
hältnisse zu ihrer Seelenzahl eine bestimmte Anzahl Reiter. Den übernommenen
Verpflichtungen sind sie stets aufs Gewissenhafteste nachgekommen. Sie dienten
dem Sultan treu bis zu der Zeit, als neue Emigranten vom Don, sogenannte
Zaporoger Kosaken in die von ihnen bewohnte Gegend kamen, mit denen sie
bald in Streitigkeiten geriethen, welche häufig in blutige Kämpfe ausarteten.

Dieser Umstand veranlaßte die Nekrassower die Donangegend zu verlassen,
und sich an der Küste des Marmarameeres, in der Nähe des Flusses Maryza
und des Sees Syraldscha bei dem Städtchen Eros anzusiedeln. Ein bedeu¬
tender Theil von ihnen setzte jedoch nach Asien über, und siedelte sich an: See
Mcmios an. Die Pest und später die Cholera haben diese Ansiedelung der¬
maßen dezimirt, daß sie während des Krieges von 1854 kaum noch hundert
Kosaken zu stellen vermochte. Sie dienten während des ganzen Krieges unter
dem Befehle Mehemed Säbel Paschas (des Renegaten Michael Czcnkowski),
dessen Aufzeichnungen diese Skizze über die Nekrassower entnommen ist. Nach
Beendigung des Krieges kehrten sie, den Abmachungen mit der Türkei ent¬
sprechend, in ihre Ansiedelung zurück.

Im Schatze der Nekrassower werden viele Fermans der ^Sultane, viele
ihnen für ihre Tapferkeit ertheilte Auszeichnungen aufbewahrt. Daneben auch
der mit Silber beschlagene Feldherrnstab Nekrassows, drei von ihnen eroberte
Kanonen, die sie schon in Araya hatten; ferner ruht hier das Archiv, das
Namensregister der Kosaken, die eingehende Beschreibung der Schlachten, an
denen sie Theil genommen haben, beglaubigt durch Siegel und und Unterschrift
ihrer Vorgesetzten. Auch sechsunddreißig von den Russen und Tscherkessen er¬
beutete Fahnen sind vollgiltige Trophäen der von den Nekrassowern dokumentirten
Tapferkeit. Die Fahne der Nekrassower selbst ist blau, mit zwei und einem
halben goldenen griechischen Kreuze und einem goldenen Erzengel Michael ver¬
ziert. Außer dieser einen Hauptfahne besitzen sie noch dreizehn ihr ähnliche kleinere, ans


sie mit dem Sultan abschlossen, heißt es: „Für die den Lebenden in deinem
Lande erwiesene Gastfreundschaft, und das den Verstorbenen gewährte Asyl,
werden wir dir, o mächtiger Sultan, mit unserem Blute zahlen, das wir zur
Vertheidigung deines großen Reiches vergießen wollen. Für eigene Kosten,
auf eigenen Pferden und mit eigenen Waffen werden wir in jeden Krieg gegen
die Moskowiter ziehen. Da aber dein Land, o Sultan und Monarch, felsig
und steinig ist, wirst du uns zu Hufeisen je zwei Beutel fürs Pferd zahlen,
wie du uns auch Lebensmittel für Menschen und Pferde während des Krieges
und Sold, wie du ihn deinen Spahis giebst, geben wirst." Die Nekrassower
waren frei von allen Abgaben und Leistungen, beschäftigten sich während des
Friedens mit Fisch- und Blntegelfang, und deren Vertriebe. Sie waren in
militärischer Hinficht dem Seraskier-Pascha Unterthan, und stellten im Ver¬
hältnisse zu ihrer Seelenzahl eine bestimmte Anzahl Reiter. Den übernommenen
Verpflichtungen sind sie stets aufs Gewissenhafteste nachgekommen. Sie dienten
dem Sultan treu bis zu der Zeit, als neue Emigranten vom Don, sogenannte
Zaporoger Kosaken in die von ihnen bewohnte Gegend kamen, mit denen sie
bald in Streitigkeiten geriethen, welche häufig in blutige Kämpfe ausarteten.

Dieser Umstand veranlaßte die Nekrassower die Donangegend zu verlassen,
und sich an der Küste des Marmarameeres, in der Nähe des Flusses Maryza
und des Sees Syraldscha bei dem Städtchen Eros anzusiedeln. Ein bedeu¬
tender Theil von ihnen setzte jedoch nach Asien über, und siedelte sich an: See
Mcmios an. Die Pest und später die Cholera haben diese Ansiedelung der¬
maßen dezimirt, daß sie während des Krieges von 1854 kaum noch hundert
Kosaken zu stellen vermochte. Sie dienten während des ganzen Krieges unter
dem Befehle Mehemed Säbel Paschas (des Renegaten Michael Czcnkowski),
dessen Aufzeichnungen diese Skizze über die Nekrassower entnommen ist. Nach
Beendigung des Krieges kehrten sie, den Abmachungen mit der Türkei ent¬
sprechend, in ihre Ansiedelung zurück.

Im Schatze der Nekrassower werden viele Fermans der ^Sultane, viele
ihnen für ihre Tapferkeit ertheilte Auszeichnungen aufbewahrt. Daneben auch
der mit Silber beschlagene Feldherrnstab Nekrassows, drei von ihnen eroberte
Kanonen, die sie schon in Araya hatten; ferner ruht hier das Archiv, das
Namensregister der Kosaken, die eingehende Beschreibung der Schlachten, an
denen sie Theil genommen haben, beglaubigt durch Siegel und und Unterschrift
ihrer Vorgesetzten. Auch sechsunddreißig von den Russen und Tscherkessen er¬
beutete Fahnen sind vollgiltige Trophäen der von den Nekrassowern dokumentirten
Tapferkeit. Die Fahne der Nekrassower selbst ist blau, mit zwei und einem
halben goldenen griechischen Kreuze und einem goldenen Erzengel Michael ver¬
ziert. Außer dieser einen Hauptfahne besitzen sie noch dreizehn ihr ähnliche kleinere, ans


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/70>, abgerufen am 03.07.2024.