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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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wurde ich vom Hauptmann auf dem Schloß vor des Königs Verrcithcr ange¬
sehen und derenthalben gefänglich angenommen. Der Hauptmann war Gelius
von Portenson (?) genannt, ließ mir alle meine Briefe nehmen, die ich von
Königen und Fürsten bei mir hatte. Dieselben übersandten sie dem Könige*),
hielten mich bis sie Bescheid vom Könige wiederumb bekamen, drei Wochen in
Haft, welcher Befehl ihnen gethan, daß sie mir das Meinige wieder zustellen
und mich frei und los lassen sollten, welches geschah, ausgenommen die Briefe,
da zeigten sie mir an, dieselben sollten mir wieder geben werden, wenn ich
selbsten zu seiner Majestät gen Hof käme."

"Der Hauptmann war ein Erzbube; denu er bei mir keiner Verrätherei
Argwohn befand, soudern erkennte aus den Fürderuißbriefeu, die mir Könige
und Fürsten gegeben hatten, daß ich ein frommer und rittermäßiger Manu
wäre, sahe aber die schönen Kleinod und güldene Halsband, die ihm nur zu
sehr wohl gefielen, trachtet er bei ihme selbst, wie er mich mit Lügen zu einem
Kundschafter und Verräther seines Königes machete, welches ihme dann auf
mich zu verführen keinesweges möglich war, schicket mich derohalben weiter
zum Ober-Hauptmann^), welcher eben so wohl als er mit mir unweislich
handelte, dann er mich weder sehen noch hören wollt, sondern schickte zu mir
einen Licentiat der Rechten, so bei ihm war, einen ungelehrten Mann, welcher
auch nicht recht lateinisch reden konnte und stellet mir bei neben ihme einen
für, den der Licenciat sagte und bekannte, seinen Herrn zu sein, vor demselben
ward ich umb allen Bescheid gefragt. Da sie nun keinen Argwohn an mir
funden, soudern sahen, daß sie an mir übel gehandelt und ihres Verdachts
halber geirrt hatten und darob zu schänden wurden, schicket derselbe Ober¬
hauptmann vom Schloß zu mir und ließ nur sagen, ich sollte vom Schloß
gehen, denn er hätte keine Bette vor mich, ich sollte frei sein, er wollte mit
mir nichts zu thun haben. Dieweil ich aber allda fremde war, auch weder
Freund noch Feind kennete und darzu der Sprach nicht kundig, bat ich, sie
sollten mich alleine diese Nacht ans einer harten Bank beherbergen. Dies
schlugen sie mir auch ab, und demnach sie zum Könige Briefe und Botschaft
abfertigten, bat ich, sie sollten mich Seiner Majestät auch damit absenden?
dessen weigerten sie sich auch. Des andern Tages aber reisete ich wieder gen




*) Karl VIII. Es war grade damals die Zeit der größten Spannung zwischen der
Partei Annas, Frau von Beanjeu, die den unmündigen König, ihren Bruder, thatsächlich
in der Gewalt hatte, und der des Herzogs von Orleans, welche mit dem Herzog Franz Il>
von der Bretagne sich verbunden hatte und auch vou Maximilian von Burgund, freilich
recht wenig, unterstützt wurde. Der Graf vou Angoulem stand mit dem Herzog von Bourbon
auf Seiten Annas. Dies zur Erklärung des Verdachts gegen unsern Ritter.
Die Handschrift fügt den Namen hinzu: "Bursch wirio". Jedenfalls arg entstellt.

wurde ich vom Hauptmann auf dem Schloß vor des Königs Verrcithcr ange¬
sehen und derenthalben gefänglich angenommen. Der Hauptmann war Gelius
von Portenson (?) genannt, ließ mir alle meine Briefe nehmen, die ich von
Königen und Fürsten bei mir hatte. Dieselben übersandten sie dem Könige*),
hielten mich bis sie Bescheid vom Könige wiederumb bekamen, drei Wochen in
Haft, welcher Befehl ihnen gethan, daß sie mir das Meinige wieder zustellen
und mich frei und los lassen sollten, welches geschah, ausgenommen die Briefe,
da zeigten sie mir an, dieselben sollten mir wieder geben werden, wenn ich
selbsten zu seiner Majestät gen Hof käme."

„Der Hauptmann war ein Erzbube; denu er bei mir keiner Verrätherei
Argwohn befand, soudern erkennte aus den Fürderuißbriefeu, die mir Könige
und Fürsten gegeben hatten, daß ich ein frommer und rittermäßiger Manu
wäre, sahe aber die schönen Kleinod und güldene Halsband, die ihm nur zu
sehr wohl gefielen, trachtet er bei ihme selbst, wie er mich mit Lügen zu einem
Kundschafter und Verräther seines Königes machete, welches ihme dann auf
mich zu verführen keinesweges möglich war, schicket mich derohalben weiter
zum Ober-Hauptmann^), welcher eben so wohl als er mit mir unweislich
handelte, dann er mich weder sehen noch hören wollt, sondern schickte zu mir
einen Licentiat der Rechten, so bei ihm war, einen ungelehrten Mann, welcher
auch nicht recht lateinisch reden konnte und stellet mir bei neben ihme einen
für, den der Licenciat sagte und bekannte, seinen Herrn zu sein, vor demselben
ward ich umb allen Bescheid gefragt. Da sie nun keinen Argwohn an mir
funden, soudern sahen, daß sie an mir übel gehandelt und ihres Verdachts
halber geirrt hatten und darob zu schänden wurden, schicket derselbe Ober¬
hauptmann vom Schloß zu mir und ließ nur sagen, ich sollte vom Schloß
gehen, denn er hätte keine Bette vor mich, ich sollte frei sein, er wollte mit
mir nichts zu thun haben. Dieweil ich aber allda fremde war, auch weder
Freund noch Feind kennete und darzu der Sprach nicht kundig, bat ich, sie
sollten mich alleine diese Nacht ans einer harten Bank beherbergen. Dies
schlugen sie mir auch ab, und demnach sie zum Könige Briefe und Botschaft
abfertigten, bat ich, sie sollten mich Seiner Majestät auch damit absenden?
dessen weigerten sie sich auch. Des andern Tages aber reisete ich wieder gen




*) Karl VIII. Es war grade damals die Zeit der größten Spannung zwischen der
Partei Annas, Frau von Beanjeu, die den unmündigen König, ihren Bruder, thatsächlich
in der Gewalt hatte, und der des Herzogs von Orleans, welche mit dem Herzog Franz Il>
von der Bretagne sich verbunden hatte und auch vou Maximilian von Burgund, freilich
recht wenig, unterstützt wurde. Der Graf vou Angoulem stand mit dem Herzog von Bourbon
auf Seiten Annas. Dies zur Erklärung des Verdachts gegen unsern Ritter.
Die Handschrift fügt den Namen hinzu: „Bursch wirio". Jedenfalls arg entstellt.
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[0508] wurde ich vom Hauptmann auf dem Schloß vor des Königs Verrcithcr ange¬ sehen und derenthalben gefänglich angenommen. Der Hauptmann war Gelius von Portenson (?) genannt, ließ mir alle meine Briefe nehmen, die ich von Königen und Fürsten bei mir hatte. Dieselben übersandten sie dem Könige*), hielten mich bis sie Bescheid vom Könige wiederumb bekamen, drei Wochen in Haft, welcher Befehl ihnen gethan, daß sie mir das Meinige wieder zustellen und mich frei und los lassen sollten, welches geschah, ausgenommen die Briefe, da zeigten sie mir an, dieselben sollten mir wieder geben werden, wenn ich selbsten zu seiner Majestät gen Hof käme." „Der Hauptmann war ein Erzbube; denu er bei mir keiner Verrätherei Argwohn befand, soudern erkennte aus den Fürderuißbriefeu, die mir Könige und Fürsten gegeben hatten, daß ich ein frommer und rittermäßiger Manu wäre, sahe aber die schönen Kleinod und güldene Halsband, die ihm nur zu sehr wohl gefielen, trachtet er bei ihme selbst, wie er mich mit Lügen zu einem Kundschafter und Verräther seines Königes machete, welches ihme dann auf mich zu verführen keinesweges möglich war, schicket mich derohalben weiter zum Ober-Hauptmann^), welcher eben so wohl als er mit mir unweislich handelte, dann er mich weder sehen noch hören wollt, sondern schickte zu mir einen Licentiat der Rechten, so bei ihm war, einen ungelehrten Mann, welcher auch nicht recht lateinisch reden konnte und stellet mir bei neben ihme einen für, den der Licenciat sagte und bekannte, seinen Herrn zu sein, vor demselben ward ich umb allen Bescheid gefragt. Da sie nun keinen Argwohn an mir funden, soudern sahen, daß sie an mir übel gehandelt und ihres Verdachts halber geirrt hatten und darob zu schänden wurden, schicket derselbe Ober¬ hauptmann vom Schloß zu mir und ließ nur sagen, ich sollte vom Schloß gehen, denn er hätte keine Bette vor mich, ich sollte frei sein, er wollte mit mir nichts zu thun haben. Dieweil ich aber allda fremde war, auch weder Freund noch Feind kennete und darzu der Sprach nicht kundig, bat ich, sie sollten mich alleine diese Nacht ans einer harten Bank beherbergen. Dies schlugen sie mir auch ab, und demnach sie zum Könige Briefe und Botschaft abfertigten, bat ich, sie sollten mich Seiner Majestät auch damit absenden? dessen weigerten sie sich auch. Des andern Tages aber reisete ich wieder gen *) Karl VIII. Es war grade damals die Zeit der größten Spannung zwischen der Partei Annas, Frau von Beanjeu, die den unmündigen König, ihren Bruder, thatsächlich in der Gewalt hatte, und der des Herzogs von Orleans, welche mit dem Herzog Franz Il> von der Bretagne sich verbunden hatte und auch vou Maximilian von Burgund, freilich recht wenig, unterstützt wurde. Der Graf vou Angoulem stand mit dem Herzog von Bourbon auf Seiten Annas. Dies zur Erklärung des Verdachts gegen unsern Ritter. Die Handschrift fügt den Namen hinzu: „Bursch wirio". Jedenfalls arg entstellt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/508>, abgerufen am 22.07.2024.