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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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dieser Krankheit. Grade um diese Zeit war es, wo Mißh Nightingale in Seutari
einen Ruhm erwarb der höher steht, als der des tapfersten Soldaten. Von den
80,000 Mann, welche die französische Armee während des Krimkrieges verlor,
war nur wenig mehr, als der achte Theil, d. h. 10,240 Mann, vor dem Feinde
geblieben. Noch bei weiten größer waren die Verluste der russischen Armee.
Bei ihr wüthete der Typhus ebenso wie in der französischen Armee, namentlich
unter den jungen Rekruten und eingezogenen Milizen. Wie viel Gebeine Ver¬
schollener mögen aber an den Straßen aus dem Inneren des weiten Reichs,
von den Quellen der Wolga und des Ural, von den Küsten des weißen und
des baltischen Meeres bis zu der Landenge von Pereeop, gebleicht und ungezählt
geblieben sein.

Allen diesen Leiden machte der Frieden ein Ende. Am 5. Juli 1856 schiffte
sich Marschall Pelissier mit den letzten französischen Soldaten zu Kamiesch ein,
um als Triumphator nach Frankreich zurückzukehren.

Am meisten triumphirte jedoch Napoleon III. Nach dem Frieden von
Paris hatte er die Höhe seiner Macht erklommen. Ein Nachfolger war ihm
geboren und das Glück schien sein Füllhorn über ihn ausgießen zu "vollen. Das
Orakel, welches man ehedem in Petersburg suchte, zog man jetzt in Paris
zu Rathe. In seinen Händen hielt er die Fäden der europäischen Politik. Der
Mensch aber versuche die Götter nicht, denn die Weltgeschichte ist das Weltgericht.


W. v. H.


M den westeuropäischen Lösen 1483 vis 1486.
Eine Reisebeschreibung.
III.
4. In Spanien.

In Lepe sah sich der Ritter genöthigt das Schiff zu
verlassen, Ungewitters wegen, "denn ich daselbst gar bald mit alle meiner
Gesellschaft ersoffen und untergangen wäre" erzählt er uns. Er ritt bis
Niebla.

"Daselbst fand ich", sagte er, "böse Zöllner, die begehrten von mir
Schätzung und Zoll, auch von meinen Königlichen Gesellschaften, denen gab
ich so ernsten und spöttischen Bescheid, daß sie mit Schanden davongingen.
Von Niebla bis zu Se. Lukas 8 Meilen und von derselben Stadt kam ich


dieser Krankheit. Grade um diese Zeit war es, wo Mißh Nightingale in Seutari
einen Ruhm erwarb der höher steht, als der des tapfersten Soldaten. Von den
80,000 Mann, welche die französische Armee während des Krimkrieges verlor,
war nur wenig mehr, als der achte Theil, d. h. 10,240 Mann, vor dem Feinde
geblieben. Noch bei weiten größer waren die Verluste der russischen Armee.
Bei ihr wüthete der Typhus ebenso wie in der französischen Armee, namentlich
unter den jungen Rekruten und eingezogenen Milizen. Wie viel Gebeine Ver¬
schollener mögen aber an den Straßen aus dem Inneren des weiten Reichs,
von den Quellen der Wolga und des Ural, von den Küsten des weißen und
des baltischen Meeres bis zu der Landenge von Pereeop, gebleicht und ungezählt
geblieben sein.

Allen diesen Leiden machte der Frieden ein Ende. Am 5. Juli 1856 schiffte
sich Marschall Pelissier mit den letzten französischen Soldaten zu Kamiesch ein,
um als Triumphator nach Frankreich zurückzukehren.

Am meisten triumphirte jedoch Napoleon III. Nach dem Frieden von
Paris hatte er die Höhe seiner Macht erklommen. Ein Nachfolger war ihm
geboren und das Glück schien sein Füllhorn über ihn ausgießen zu »vollen. Das
Orakel, welches man ehedem in Petersburg suchte, zog man jetzt in Paris
zu Rathe. In seinen Händen hielt er die Fäden der europäischen Politik. Der
Mensch aber versuche die Götter nicht, denn die Weltgeschichte ist das Weltgericht.


W. v. H.


M den westeuropäischen Lösen 1483 vis 1486.
Eine Reisebeschreibung.
III.
4. In Spanien.

In Lepe sah sich der Ritter genöthigt das Schiff zu
verlassen, Ungewitters wegen, „denn ich daselbst gar bald mit alle meiner
Gesellschaft ersoffen und untergangen wäre" erzählt er uns. Er ritt bis
Niebla.

„Daselbst fand ich", sagte er, „böse Zöllner, die begehrten von mir
Schätzung und Zoll, auch von meinen Königlichen Gesellschaften, denen gab
ich so ernsten und spöttischen Bescheid, daß sie mit Schanden davongingen.
Von Niebla bis zu Se. Lukas 8 Meilen und von derselben Stadt kam ich


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[0498] dieser Krankheit. Grade um diese Zeit war es, wo Mißh Nightingale in Seutari einen Ruhm erwarb der höher steht, als der des tapfersten Soldaten. Von den 80,000 Mann, welche die französische Armee während des Krimkrieges verlor, war nur wenig mehr, als der achte Theil, d. h. 10,240 Mann, vor dem Feinde geblieben. Noch bei weiten größer waren die Verluste der russischen Armee. Bei ihr wüthete der Typhus ebenso wie in der französischen Armee, namentlich unter den jungen Rekruten und eingezogenen Milizen. Wie viel Gebeine Ver¬ schollener mögen aber an den Straßen aus dem Inneren des weiten Reichs, von den Quellen der Wolga und des Ural, von den Küsten des weißen und des baltischen Meeres bis zu der Landenge von Pereeop, gebleicht und ungezählt geblieben sein. Allen diesen Leiden machte der Frieden ein Ende. Am 5. Juli 1856 schiffte sich Marschall Pelissier mit den letzten französischen Soldaten zu Kamiesch ein, um als Triumphator nach Frankreich zurückzukehren. Am meisten triumphirte jedoch Napoleon III. Nach dem Frieden von Paris hatte er die Höhe seiner Macht erklommen. Ein Nachfolger war ihm geboren und das Glück schien sein Füllhorn über ihn ausgießen zu »vollen. Das Orakel, welches man ehedem in Petersburg suchte, zog man jetzt in Paris zu Rathe. In seinen Händen hielt er die Fäden der europäischen Politik. Der Mensch aber versuche die Götter nicht, denn die Weltgeschichte ist das Weltgericht. W. v. H. M den westeuropäischen Lösen 1483 vis 1486. Eine Reisebeschreibung. III. 4. In Spanien. In Lepe sah sich der Ritter genöthigt das Schiff zu verlassen, Ungewitters wegen, „denn ich daselbst gar bald mit alle meiner Gesellschaft ersoffen und untergangen wäre" erzählt er uns. Er ritt bis Niebla. „Daselbst fand ich", sagte er, „böse Zöllner, die begehrten von mir Schätzung und Zoll, auch von meinen Königlichen Gesellschaften, denen gab ich so ernsten und spöttischen Bescheid, daß sie mit Schanden davongingen. Von Niebla bis zu Se. Lukas 8 Meilen und von derselben Stadt kam ich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/498>, abgerufen am 22.07.2024.