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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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gehegten Herzenswunsch erfüllen und seine Braut, Gräfin Marie von Brühl,
als Gattin heimführen.

Wie Clausewitz die zögernde Politik Preußens schon bei Ausbruch des
Krieges zwischen Oesterreich und Frankreich im Jahre 1809, gleich den edelsten
Männern, wieStein, Scharnhorst und Gneisenau, ansah, erhellt aus seiner damalige"
Absicht in österreichische Kriegsdienste überzutreten. Der baldige Friedensschluß
vereitelte jedoch dies Vorhaben, zu welchem bereits einleitende Schritte gethan
waren. Bei solcher Gesinnung darf es nicht Wunder nehmen, daß, als im
Jahre 1812 sich Preußen mit Frankreich gegen Rußland verbündete, Clausewitz,
gleich vielen anderen Offizieren, den Abschied nahm und in rusische Dienste
trat. Vom rein soldatischen Gesichtspunkte läßt sich sicher manches dagegen
sagen, geht man jedoch auf die letzten Motive zurück, so beruhten sie in einem
glühenden Patriotismus. Vaterland und Nationalehre waren zwei Begriffe,
die mit seinem ganzen Sein innig verwachsen waren. "Alles was ich bin oder
sein könnte", so schrieb er 1807 an seine Braut, "verdanke ich diesen beiden
Erdengöttern, und ohne sie würde nichts als eine kerr- und saftlose Hülse von
mir übrig bleiben."

In der russischen Armee aufgenommen, wechselte er mehrfach seine Stellung
im Gefolge verschiedener Generale, wie Psilli, Pcihlen und Uwaroff. Unter
letzterem nahm er Theil an der Schlacht von Borodino. Schließlich erhielt er
eine Stellung als erster Generalstabs-Offizier der erst noch zu formirenden
russisch-deutschen Legion und wurde einstweilen dem General Wittgenstein
überwiesen. In diesem Verhältniß und im Gefolge des Generals Diebitsch
führte er die denkwürdigen Verhandlungen zwischen diesem und General A^'k,
deren Folge die Convention von Tauroggen war. Nach dem Einrücken der
Russen in Ostpreußen wirkte Clausewitz in Königsberg mit bei der Organisation
der Landesbewaffnung. In den Jahren 1813 und 14 finden wir ihn als
Generalqnartiermeister bei Wallmvden, dem Kommandirenden der russisch-
deutschen Legion und dem Sieger an der Görhde. Als im letztgenannten
Jahre diese Legion von Preußen übernommen wurde, trat auch Clausewitz,
und zwar mit dem Oberstenpatent, wieder in den vaterländischen Dienst zurück.
Im Jahre 1815 bekleidete er die Stelle als Chef des Generalstabes beim
Korps des General von Thielemann und hatte wesentlichen Antheil an den
hartnäckigen Kämpfett bei Wavre, durch welche Grouchy am 18. Juni verhindert
wurde zur Unterstützung Napoleons in der Richtung ans Belle Alliance
zu marschiren.

Nach dem Frieden kam Clausewitz als Chef des Generalstabes zu Gneisenau
nach Koblenz, wo er drei glückliche Jahre verlebte. Für die Dauer des
bekannten Fürstenkougresses zu Aachen im Jahre 1818 wurde er durch Kabinets-


gehegten Herzenswunsch erfüllen und seine Braut, Gräfin Marie von Brühl,
als Gattin heimführen.

Wie Clausewitz die zögernde Politik Preußens schon bei Ausbruch des
Krieges zwischen Oesterreich und Frankreich im Jahre 1809, gleich den edelsten
Männern, wieStein, Scharnhorst und Gneisenau, ansah, erhellt aus seiner damalige»
Absicht in österreichische Kriegsdienste überzutreten. Der baldige Friedensschluß
vereitelte jedoch dies Vorhaben, zu welchem bereits einleitende Schritte gethan
waren. Bei solcher Gesinnung darf es nicht Wunder nehmen, daß, als im
Jahre 1812 sich Preußen mit Frankreich gegen Rußland verbündete, Clausewitz,
gleich vielen anderen Offizieren, den Abschied nahm und in rusische Dienste
trat. Vom rein soldatischen Gesichtspunkte läßt sich sicher manches dagegen
sagen, geht man jedoch auf die letzten Motive zurück, so beruhten sie in einem
glühenden Patriotismus. Vaterland und Nationalehre waren zwei Begriffe,
die mit seinem ganzen Sein innig verwachsen waren. „Alles was ich bin oder
sein könnte", so schrieb er 1807 an seine Braut, „verdanke ich diesen beiden
Erdengöttern, und ohne sie würde nichts als eine kerr- und saftlose Hülse von
mir übrig bleiben."

In der russischen Armee aufgenommen, wechselte er mehrfach seine Stellung
im Gefolge verschiedener Generale, wie Psilli, Pcihlen und Uwaroff. Unter
letzterem nahm er Theil an der Schlacht von Borodino. Schließlich erhielt er
eine Stellung als erster Generalstabs-Offizier der erst noch zu formirenden
russisch-deutschen Legion und wurde einstweilen dem General Wittgenstein
überwiesen. In diesem Verhältniß und im Gefolge des Generals Diebitsch
führte er die denkwürdigen Verhandlungen zwischen diesem und General A^'k,
deren Folge die Convention von Tauroggen war. Nach dem Einrücken der
Russen in Ostpreußen wirkte Clausewitz in Königsberg mit bei der Organisation
der Landesbewaffnung. In den Jahren 1813 und 14 finden wir ihn als
Generalqnartiermeister bei Wallmvden, dem Kommandirenden der russisch-
deutschen Legion und dem Sieger an der Görhde. Als im letztgenannten
Jahre diese Legion von Preußen übernommen wurde, trat auch Clausewitz,
und zwar mit dem Oberstenpatent, wieder in den vaterländischen Dienst zurück.
Im Jahre 1815 bekleidete er die Stelle als Chef des Generalstabes beim
Korps des General von Thielemann und hatte wesentlichen Antheil an den
hartnäckigen Kämpfett bei Wavre, durch welche Grouchy am 18. Juni verhindert
wurde zur Unterstützung Napoleons in der Richtung ans Belle Alliance
zu marschiren.

Nach dem Frieden kam Clausewitz als Chef des Generalstabes zu Gneisenau
nach Koblenz, wo er drei glückliche Jahre verlebte. Für die Dauer des
bekannten Fürstenkougresses zu Aachen im Jahre 1818 wurde er durch Kabinets-


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[0408] gehegten Herzenswunsch erfüllen und seine Braut, Gräfin Marie von Brühl, als Gattin heimführen. Wie Clausewitz die zögernde Politik Preußens schon bei Ausbruch des Krieges zwischen Oesterreich und Frankreich im Jahre 1809, gleich den edelsten Männern, wieStein, Scharnhorst und Gneisenau, ansah, erhellt aus seiner damalige» Absicht in österreichische Kriegsdienste überzutreten. Der baldige Friedensschluß vereitelte jedoch dies Vorhaben, zu welchem bereits einleitende Schritte gethan waren. Bei solcher Gesinnung darf es nicht Wunder nehmen, daß, als im Jahre 1812 sich Preußen mit Frankreich gegen Rußland verbündete, Clausewitz, gleich vielen anderen Offizieren, den Abschied nahm und in rusische Dienste trat. Vom rein soldatischen Gesichtspunkte läßt sich sicher manches dagegen sagen, geht man jedoch auf die letzten Motive zurück, so beruhten sie in einem glühenden Patriotismus. Vaterland und Nationalehre waren zwei Begriffe, die mit seinem ganzen Sein innig verwachsen waren. „Alles was ich bin oder sein könnte", so schrieb er 1807 an seine Braut, „verdanke ich diesen beiden Erdengöttern, und ohne sie würde nichts als eine kerr- und saftlose Hülse von mir übrig bleiben." In der russischen Armee aufgenommen, wechselte er mehrfach seine Stellung im Gefolge verschiedener Generale, wie Psilli, Pcihlen und Uwaroff. Unter letzterem nahm er Theil an der Schlacht von Borodino. Schließlich erhielt er eine Stellung als erster Generalstabs-Offizier der erst noch zu formirenden russisch-deutschen Legion und wurde einstweilen dem General Wittgenstein überwiesen. In diesem Verhältniß und im Gefolge des Generals Diebitsch führte er die denkwürdigen Verhandlungen zwischen diesem und General A^'k, deren Folge die Convention von Tauroggen war. Nach dem Einrücken der Russen in Ostpreußen wirkte Clausewitz in Königsberg mit bei der Organisation der Landesbewaffnung. In den Jahren 1813 und 14 finden wir ihn als Generalqnartiermeister bei Wallmvden, dem Kommandirenden der russisch- deutschen Legion und dem Sieger an der Görhde. Als im letztgenannten Jahre diese Legion von Preußen übernommen wurde, trat auch Clausewitz, und zwar mit dem Oberstenpatent, wieder in den vaterländischen Dienst zurück. Im Jahre 1815 bekleidete er die Stelle als Chef des Generalstabes beim Korps des General von Thielemann und hatte wesentlichen Antheil an den hartnäckigen Kämpfett bei Wavre, durch welche Grouchy am 18. Juni verhindert wurde zur Unterstützung Napoleons in der Richtung ans Belle Alliance zu marschiren. Nach dem Frieden kam Clausewitz als Chef des Generalstabes zu Gneisenau nach Koblenz, wo er drei glückliche Jahre verlebte. Für die Dauer des bekannten Fürstenkougresses zu Aachen im Jahre 1818 wurde er durch Kabinets-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/408>, abgerufen am 24.08.2024.