Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.Den besten Erfolg haben diejenigen Zeitungen, bei denen die Verwaltung Derjenige Redakteur, welcher es mit der Wahrheit streng und genan nimmt Die Gehalte der amerikanischen Redakteure sind anch bei den großen Den besten Erfolg haben diejenigen Zeitungen, bei denen die Verwaltung Derjenige Redakteur, welcher es mit der Wahrheit streng und genan nimmt Die Gehalte der amerikanischen Redakteure sind anch bei den großen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0040" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138799"/> <p xml:id="ID_99"> Den besten Erfolg haben diejenigen Zeitungen, bei denen die Verwaltung<lb/> in zwei vollkommen gesonderte Ressorts, das des Redakteurs und das des<lb/> Herausgebers, zerfällt. Der Redakteur beherrscht die Spalten der eigentlichen.<lb/> Zeitung, er bestimmt deren Parteirichtung, deren Tendenz und Farbe, deren<lb/> Ton und deren Sprache, was sie sagen und über was sie schweigen soll.<lb/> Der Herausgeber andrerseits sorgt, daß die Rechnungen bezahlt werden, er<lb/> bestimmt den Preis der Anzeigen, er entscheidet, ob andere Veröffentlichungen<lb/> gegen Bezahlung oder unentgeltlich in dem Blatte Aufnahme finden sollen.<lb/> Jeder dieser beiden Verwaltungszweige verlangt eine besondere Art Talent,<lb/> der eine schriftstellerisches und kritisches, der andere kaufmännisches, und es<lb/> versteht sich, so viel auch in jedem Amerikaner vom Kaufmanne stecken mag,<lb/> von selbst, daß sich selten jemand findet, der beide Talente in sich vereinigt.<lb/> Allgemein bekannt war, daß Horace Greeley, der Begründer der „Tribune"<lb/> in New Aork, ein bedeutender Publizist, aber für den kaufmännischen und<lb/> finanziellen Theil der Verwaltung seines Blattes ganz und gar nicht zu<lb/> brauchen war.</p><lb/> <p xml:id="ID_100"> Derjenige Redakteur, welcher es mit der Wahrheit streng und genan nimmt<lb/> und nichts in seine Spalten aufnimmt, was er nicht für richtig und begründet<lb/> ansieht, übt einen ungemein großen Einfluß ans und hat oft Gelegenheit, zu<lb/> staunen, wie groß die Tragweite seiner Meinungen ist. Die Zeitungen andrer¬<lb/> seits, welche keinen bestimmten Standpunkt in politischen Fragen einnehmen,<lb/> sogenannte unabhängige Blätter, die hente gut demokratisch und morgen gut<lb/> republikanisch siud, üben natürlich geringe Einwirkung auf die Denkart ihres<lb/> Leserkreises aus. Senator Wilson von Massachusetts kennzeichnete die Stellung<lb/> dieser Blätter treffend, als er einst bei einer Unterhaltung mit dem Redakteur<lb/> einer westlichen Zeitung, der sich mit dem Einfluß seines „unabhängigen"<lb/> Blattes rühmte, die Antwort gab: „Eure unabhängigen Zeitungen haben wenig<lb/> Einfluß. Sie haben ihre Leser so gewöhnt, daß sie gerade so unabhängig<lb/> sind, wie die Blätter selber, und wenn Ihr einmal Euren Standpunkt ver¬<lb/> ändert, so werden sie Euch nicht folgen."</p><lb/> <p xml:id="ID_101" next="#ID_102"> Die Gehalte der amerikanischen Redakteure sind anch bei den großen<lb/> Zeitungen im Vergleich mit der aufreibenden Arbeit, die verlangt und geleistet<lb/> wird, im Allgemeinen nnr mäßig. Der größte Gehalt, der je einem Redakteur<lb/> bewilligt worden ist, wird 15,000 Dollars jährlich nicht übersteigen, und anch<lb/> dieß ist wohl nur von dem des newyorker „Herald" und höchstens noch von<lb/> dem eiues andern leitenden Blattes auf der Manhattaninsel erreicht worden. In<lb/> andern großen Städten der Union betrachtet man hundert Dollars die Woche<lb/> für einen guten Gehalt, und nur in Städten wie Chicago und Se. Louis<lb/> wird so viel gewährt. In Boston, Philadelphia, Baltimore und andern Groß-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0040]
Den besten Erfolg haben diejenigen Zeitungen, bei denen die Verwaltung
in zwei vollkommen gesonderte Ressorts, das des Redakteurs und das des
Herausgebers, zerfällt. Der Redakteur beherrscht die Spalten der eigentlichen.
Zeitung, er bestimmt deren Parteirichtung, deren Tendenz und Farbe, deren
Ton und deren Sprache, was sie sagen und über was sie schweigen soll.
Der Herausgeber andrerseits sorgt, daß die Rechnungen bezahlt werden, er
bestimmt den Preis der Anzeigen, er entscheidet, ob andere Veröffentlichungen
gegen Bezahlung oder unentgeltlich in dem Blatte Aufnahme finden sollen.
Jeder dieser beiden Verwaltungszweige verlangt eine besondere Art Talent,
der eine schriftstellerisches und kritisches, der andere kaufmännisches, und es
versteht sich, so viel auch in jedem Amerikaner vom Kaufmanne stecken mag,
von selbst, daß sich selten jemand findet, der beide Talente in sich vereinigt.
Allgemein bekannt war, daß Horace Greeley, der Begründer der „Tribune"
in New Aork, ein bedeutender Publizist, aber für den kaufmännischen und
finanziellen Theil der Verwaltung seines Blattes ganz und gar nicht zu
brauchen war.
Derjenige Redakteur, welcher es mit der Wahrheit streng und genan nimmt
und nichts in seine Spalten aufnimmt, was er nicht für richtig und begründet
ansieht, übt einen ungemein großen Einfluß ans und hat oft Gelegenheit, zu
staunen, wie groß die Tragweite seiner Meinungen ist. Die Zeitungen andrer¬
seits, welche keinen bestimmten Standpunkt in politischen Fragen einnehmen,
sogenannte unabhängige Blätter, die hente gut demokratisch und morgen gut
republikanisch siud, üben natürlich geringe Einwirkung auf die Denkart ihres
Leserkreises aus. Senator Wilson von Massachusetts kennzeichnete die Stellung
dieser Blätter treffend, als er einst bei einer Unterhaltung mit dem Redakteur
einer westlichen Zeitung, der sich mit dem Einfluß seines „unabhängigen"
Blattes rühmte, die Antwort gab: „Eure unabhängigen Zeitungen haben wenig
Einfluß. Sie haben ihre Leser so gewöhnt, daß sie gerade so unabhängig
sind, wie die Blätter selber, und wenn Ihr einmal Euren Standpunkt ver¬
ändert, so werden sie Euch nicht folgen."
Die Gehalte der amerikanischen Redakteure sind anch bei den großen
Zeitungen im Vergleich mit der aufreibenden Arbeit, die verlangt und geleistet
wird, im Allgemeinen nnr mäßig. Der größte Gehalt, der je einem Redakteur
bewilligt worden ist, wird 15,000 Dollars jährlich nicht übersteigen, und anch
dieß ist wohl nur von dem des newyorker „Herald" und höchstens noch von
dem eiues andern leitenden Blattes auf der Manhattaninsel erreicht worden. In
andern großen Städten der Union betrachtet man hundert Dollars die Woche
für einen guten Gehalt, und nur in Städten wie Chicago und Se. Louis
wird so viel gewährt. In Boston, Philadelphia, Baltimore und andern Groß-
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