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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Städten des Ostens mit Ausnahme Newyorks erhält wohl kein Chefredakteur
5000 Dollars jährlich. Lokalredakteure, Reporter und audere luitergeorducte
Geister werden schlecht bezahlt, indem sie je nach ihrer Stellung oder Leistung
von 12 bis 40 Dollars die Woche erhalten. Am besten wird gewöhnlich der
Geschäftsführer des Blattes honorirt, da von ihm und seiner Befähigung der
Reingewinn zum größten Theile abhängig ist.

Zeitungen, welche ganz ans Originalarbeiten bestehen, sind nicht be¬
sonders beliebt. "Man hört Zeituugsleute sehr häusig äußern, daß sie bessere
Artikel stehlen können, als sie zu kaufen im Stande sind. Hat man einen
Aufsatz erworben und bezahlt, so fühlt man sich bewogen, das Ganze so, wie
es ist, abzudrucken, auch wenn einzelne Theile wenig Interesse haben. Ande¬
rerseits würde man keinen Anstand nehmen, einen guten Artikel, den man in
einer anderen Zeitung findet, für den vorhandenen Raum und den Geschmack
seiner Leser passend zurechtzuschneiden. Mau bringt dann das Beste des Inhaltes in
vielleicht etwas abgeänderten Wortlaute. Es ist gleichermaßen Thatsache, daß
das Publikum zu viel Lesestoff nicht gerne sieht." Zu deu erfolgreichste" Zei¬
tungen gehören die, welche hiervon und namentlich von Originalartikeln uur
wenig in ihren Spalten führen, z. B. der "Philadelphia Ledger" und die
"New-York News." Auch Beilagen liebt das amerikanische Publikum uicht,
und kaum wird jemand eine solche in einer Morgenzeitnng entdecken, ohne sie
verdrießlich hinweg zu wünschen. Und doch kosten diese Beilagen dem Heraus¬
geber schweres Geld.

Mit geringen Ausnahmen stehen die amerikanischen Zeitungen in der
äußeren Ausstattung den unserigen uach. Das Papier ist gewöhnlich grau
und dünn, der Druck nicht recht scharf und wenig korrekt. Trotz des großen
Formates siud die Blätter -- einige wenige, darunter auch die deutsche "New-
Avrker Staatsztg." ausgenommen -- ärmer an Stoff als unsere großen Blätter.
Gewöhnlich bilden ein Leitartikel politischen Inhalts, el" volkswirtschaftlicher
Aufsah, dann Neuigkeiten den Inhalt. Häufig mischen sich nnter die letzteren
humoristische und sensationelle Histörchen und mehr oder minder pomphafte
Reklamen. Was das Format betrifft, so herrscht namentlich nnter den Redak¬
teuren und Herausgebern der kleinen Städte die Meinung, daß das Publikum
einen recht großen Bogen wünsche. Der Zeitnngsverleger draußen in der
Provinz wird sein Format fortwährend vergrößern, wenn er genug Anzeigen
bekommen kann, welche die Kosten der Vergrößerung decken, während er sich
weniger Gedanken in Betreff der Verbesserung des Blattes nach seinem Inhalt
und nach Druck und Papier macht.

Hinsichtlich der Neuigkeiten verläugnet ein amerikanisches Blatt das Wesen
des Landes und Volkes, aus dem es hervorgegangen, niemals. Welch' ein


Städten des Ostens mit Ausnahme Newyorks erhält wohl kein Chefredakteur
5000 Dollars jährlich. Lokalredakteure, Reporter und audere luitergeorducte
Geister werden schlecht bezahlt, indem sie je nach ihrer Stellung oder Leistung
von 12 bis 40 Dollars die Woche erhalten. Am besten wird gewöhnlich der
Geschäftsführer des Blattes honorirt, da von ihm und seiner Befähigung der
Reingewinn zum größten Theile abhängig ist.

Zeitungen, welche ganz ans Originalarbeiten bestehen, sind nicht be¬
sonders beliebt. „Man hört Zeituugsleute sehr häusig äußern, daß sie bessere
Artikel stehlen können, als sie zu kaufen im Stande sind. Hat man einen
Aufsatz erworben und bezahlt, so fühlt man sich bewogen, das Ganze so, wie
es ist, abzudrucken, auch wenn einzelne Theile wenig Interesse haben. Ande¬
rerseits würde man keinen Anstand nehmen, einen guten Artikel, den man in
einer anderen Zeitung findet, für den vorhandenen Raum und den Geschmack
seiner Leser passend zurechtzuschneiden. Mau bringt dann das Beste des Inhaltes in
vielleicht etwas abgeänderten Wortlaute. Es ist gleichermaßen Thatsache, daß
das Publikum zu viel Lesestoff nicht gerne sieht." Zu deu erfolgreichste» Zei¬
tungen gehören die, welche hiervon und namentlich von Originalartikeln uur
wenig in ihren Spalten führen, z. B. der „Philadelphia Ledger" und die
»New-York News." Auch Beilagen liebt das amerikanische Publikum uicht,
und kaum wird jemand eine solche in einer Morgenzeitnng entdecken, ohne sie
verdrießlich hinweg zu wünschen. Und doch kosten diese Beilagen dem Heraus¬
geber schweres Geld.

Mit geringen Ausnahmen stehen die amerikanischen Zeitungen in der
äußeren Ausstattung den unserigen uach. Das Papier ist gewöhnlich grau
und dünn, der Druck nicht recht scharf und wenig korrekt. Trotz des großen
Formates siud die Blätter — einige wenige, darunter auch die deutsche „New-
Avrker Staatsztg." ausgenommen — ärmer an Stoff als unsere großen Blätter.
Gewöhnlich bilden ein Leitartikel politischen Inhalts, el» volkswirtschaftlicher
Aufsah, dann Neuigkeiten den Inhalt. Häufig mischen sich nnter die letzteren
humoristische und sensationelle Histörchen und mehr oder minder pomphafte
Reklamen. Was das Format betrifft, so herrscht namentlich nnter den Redak¬
teuren und Herausgebern der kleinen Städte die Meinung, daß das Publikum
einen recht großen Bogen wünsche. Der Zeitnngsverleger draußen in der
Provinz wird sein Format fortwährend vergrößern, wenn er genug Anzeigen
bekommen kann, welche die Kosten der Vergrößerung decken, während er sich
weniger Gedanken in Betreff der Verbesserung des Blattes nach seinem Inhalt
und nach Druck und Papier macht.

Hinsichtlich der Neuigkeiten verläugnet ein amerikanisches Blatt das Wesen
des Landes und Volkes, aus dem es hervorgegangen, niemals. Welch' ein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/41>, abgerufen am 22.07.2024.