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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Dom preußischen Landtage.

Eine bewegte Woche! Viel Freude aber wird schwerlich Jemand an ihr
gehabt haben. Beginnen wir mit dem Unerquicklichsten, zumal es gleichzeitig
das Wichtigste ist! Nicht zum ersten Male hat der "Welfenfonds" die Kosten
einer Sensationsdebatte getragen. Wiederholt ist er der Gegenstand von In¬
terpellationen in beiden Häusern des Landtags gewesen; unzählige Male hat
er als "Reptilienfonds" oppositionellen Rednern zum letzten Trumpf dienen
müssen- In der That, über die Verwendung der Zinsen jener 16 Millionen
Thaler, welche dem König Georg als Abfindung bestimmt, alsbald aber wegen
seiner fortgesetzt feindseligen Haltung gegen Preußen mit Beschlag belegt wur¬
den, gehen die seltsamsten Gerüchte, Nach dem Gesetz sollen aus ihnen die
Kosten für Maßregeln zur Ueberwachung und Abwehr der gegen Preußen ge¬
richteten Unternehmungen des Königs Georg und seiner Agenten bestritten, der
verbleibende Rest aber zu dem Vermögen geschlagen werden. Ohne Zweifel
gestattet diese weitherzige Bestimmung eine große Latitüde in der Disposition
über die betreffenden Mittel, aber jene Gerüchte wollen von Verwendungen
wissen, welche allerdings auch die kühnste Interpretation nicht mit dem gesetzlich
fixirten Zwecke in Einklang bringen würde. Nicht etwa die Besorgniß, daß
das Vermögen des Königs Georg um einen Theil des ihm zukommenden
Zinsenbetrages verkürzt werde, wohl aber das Interesse, welches jede Volks¬
vertretung daran haben muß, daß ihrer Regierung keine weiteren Summen
Zur Verfügung stehen, als welche sie ihr bewilligt hat, läßt allerdings einen
klaren Einblick in die Verwaltung der Zinsen jener Fonds sehr wünschenswert!,
erscheinen, ganz abgesehen davon, daß es anch der Regierung nur nützen
könnte, wenn so manches entweder ganz unbegründete oder wenigstens über¬
triebene Gerücht, welches sich an den "Reptilienfonds" geknüpft hat, am hellen
Licht des Tages widerlegt wurde. Allein die Regierung hat sich stets darauf
Drusen, daß eine Verpflichtung zur Rechnungslegung über die in Rede stehen¬
den Gelder für sie nicht bestehe, und deshalb jede Auskunft über die Verwen¬
dung derselben verweigert. Will man gerecht sein, so muß man bedenken, daß
sehr wohl ernste Rücksichten auf unsere äußeren Beziehungen ihr verbieten
können, die gewünschten Mittheilungen zu machen. Genug, nach allen bis¬
herigen Erfahrungen wußte ein Jeder, wie die Regierung eine erneute Anfrage
wegen der Verwendung der Zinsen des Welseufonds beantworten würde.
Wenn trotzdem die Fortschrittspartei eine derartige Jnterpellation einbrachte,
^ war die Regierung, nach dem ihr von dieser Seite ertheilten Mißtrauens-


Dom preußischen Landtage.

Eine bewegte Woche! Viel Freude aber wird schwerlich Jemand an ihr
gehabt haben. Beginnen wir mit dem Unerquicklichsten, zumal es gleichzeitig
das Wichtigste ist! Nicht zum ersten Male hat der „Welfenfonds" die Kosten
einer Sensationsdebatte getragen. Wiederholt ist er der Gegenstand von In¬
terpellationen in beiden Häusern des Landtags gewesen; unzählige Male hat
er als „Reptilienfonds" oppositionellen Rednern zum letzten Trumpf dienen
müssen- In der That, über die Verwendung der Zinsen jener 16 Millionen
Thaler, welche dem König Georg als Abfindung bestimmt, alsbald aber wegen
seiner fortgesetzt feindseligen Haltung gegen Preußen mit Beschlag belegt wur¬
den, gehen die seltsamsten Gerüchte, Nach dem Gesetz sollen aus ihnen die
Kosten für Maßregeln zur Ueberwachung und Abwehr der gegen Preußen ge¬
richteten Unternehmungen des Königs Georg und seiner Agenten bestritten, der
verbleibende Rest aber zu dem Vermögen geschlagen werden. Ohne Zweifel
gestattet diese weitherzige Bestimmung eine große Latitüde in der Disposition
über die betreffenden Mittel, aber jene Gerüchte wollen von Verwendungen
wissen, welche allerdings auch die kühnste Interpretation nicht mit dem gesetzlich
fixirten Zwecke in Einklang bringen würde. Nicht etwa die Besorgniß, daß
das Vermögen des Königs Georg um einen Theil des ihm zukommenden
Zinsenbetrages verkürzt werde, wohl aber das Interesse, welches jede Volks¬
vertretung daran haben muß, daß ihrer Regierung keine weiteren Summen
Zur Verfügung stehen, als welche sie ihr bewilligt hat, läßt allerdings einen
klaren Einblick in die Verwaltung der Zinsen jener Fonds sehr wünschenswert!,
erscheinen, ganz abgesehen davon, daß es anch der Regierung nur nützen
könnte, wenn so manches entweder ganz unbegründete oder wenigstens über¬
triebene Gerücht, welches sich an den „Reptilienfonds" geknüpft hat, am hellen
Licht des Tages widerlegt wurde. Allein die Regierung hat sich stets darauf
Drusen, daß eine Verpflichtung zur Rechnungslegung über die in Rede stehen¬
den Gelder für sie nicht bestehe, und deshalb jede Auskunft über die Verwen¬
dung derselben verweigert. Will man gerecht sein, so muß man bedenken, daß
sehr wohl ernste Rücksichten auf unsere äußeren Beziehungen ihr verbieten
können, die gewünschten Mittheilungen zu machen. Genug, nach allen bis¬
herigen Erfahrungen wußte ein Jeder, wie die Regierung eine erneute Anfrage
wegen der Verwendung der Zinsen des Welseufonds beantworten würde.
Wenn trotzdem die Fortschrittspartei eine derartige Jnterpellation einbrachte,
^ war die Regierung, nach dem ihr von dieser Seite ertheilten Mißtrauens-


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[0399] Dom preußischen Landtage. Eine bewegte Woche! Viel Freude aber wird schwerlich Jemand an ihr gehabt haben. Beginnen wir mit dem Unerquicklichsten, zumal es gleichzeitig das Wichtigste ist! Nicht zum ersten Male hat der „Welfenfonds" die Kosten einer Sensationsdebatte getragen. Wiederholt ist er der Gegenstand von In¬ terpellationen in beiden Häusern des Landtags gewesen; unzählige Male hat er als „Reptilienfonds" oppositionellen Rednern zum letzten Trumpf dienen müssen- In der That, über die Verwendung der Zinsen jener 16 Millionen Thaler, welche dem König Georg als Abfindung bestimmt, alsbald aber wegen seiner fortgesetzt feindseligen Haltung gegen Preußen mit Beschlag belegt wur¬ den, gehen die seltsamsten Gerüchte, Nach dem Gesetz sollen aus ihnen die Kosten für Maßregeln zur Ueberwachung und Abwehr der gegen Preußen ge¬ richteten Unternehmungen des Königs Georg und seiner Agenten bestritten, der verbleibende Rest aber zu dem Vermögen geschlagen werden. Ohne Zweifel gestattet diese weitherzige Bestimmung eine große Latitüde in der Disposition über die betreffenden Mittel, aber jene Gerüchte wollen von Verwendungen wissen, welche allerdings auch die kühnste Interpretation nicht mit dem gesetzlich fixirten Zwecke in Einklang bringen würde. Nicht etwa die Besorgniß, daß das Vermögen des Königs Georg um einen Theil des ihm zukommenden Zinsenbetrages verkürzt werde, wohl aber das Interesse, welches jede Volks¬ vertretung daran haben muß, daß ihrer Regierung keine weiteren Summen Zur Verfügung stehen, als welche sie ihr bewilligt hat, läßt allerdings einen klaren Einblick in die Verwaltung der Zinsen jener Fonds sehr wünschenswert!, erscheinen, ganz abgesehen davon, daß es anch der Regierung nur nützen könnte, wenn so manches entweder ganz unbegründete oder wenigstens über¬ triebene Gerücht, welches sich an den „Reptilienfonds" geknüpft hat, am hellen Licht des Tages widerlegt wurde. Allein die Regierung hat sich stets darauf Drusen, daß eine Verpflichtung zur Rechnungslegung über die in Rede stehen¬ den Gelder für sie nicht bestehe, und deshalb jede Auskunft über die Verwen¬ dung derselben verweigert. Will man gerecht sein, so muß man bedenken, daß sehr wohl ernste Rücksichten auf unsere äußeren Beziehungen ihr verbieten können, die gewünschten Mittheilungen zu machen. Genug, nach allen bis¬ herigen Erfahrungen wußte ein Jeder, wie die Regierung eine erneute Anfrage wegen der Verwendung der Zinsen des Welseufonds beantworten würde. Wenn trotzdem die Fortschrittspartei eine derartige Jnterpellation einbrachte, ^ war die Regierung, nach dem ihr von dieser Seite ertheilten Mißtrauens-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/399>, abgerufen am 24.08.2024.