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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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erheben, entgegengesetzt ist. Die Thürme sind im Innern ohne Zwischenwände
und fast alle sind mit langen Schießscharten versehen. Das Jnteressanteste
ist jedoch, und das eben beweist das hohe Alter der Mauer, daß sie durchaus
keine Arkaden hat, ein Umstand, auf den schon Dodon bei den Pyramiden der
Pharaonen hingewiesen hat. Ich habe alle unterirdischen Gänge dieser Thürme
untersucht, welche zu Quellen oder Wasserreservoirs führen, aber ich habe nir¬
gends eine Arkade gefunden, Ich habe die Ueberzeugung, daß die Erbauer
dieses Riesenwerkes keinen Begriff vom Bogen gehabt haben. Jetzt entsteht die
Frage, in welcher Richtung hat sich diese Mauer hingezogen? Wie und bis
wohin war sie verlängert? Hat sie weiter gereicht als die Ueberreste, welche
wir heute noch sehen? Es find dies Fragen, welche aller Wahrscheinlichkeit
nach sür immer unbeantwortet bleiben werden." Soweit Bestuscheff. Die kau¬
kasische Mauer hat viele Jahre später, gegen Ende der fünfziger Jahre ein
Jngenieuroffizier, der Bau-Adjutant H. Jaworski gesehen und beschrieben. Er
sagt, daß er alles gesehen habe, was Bestuscheff beschrieben und daß er die¬
selben Eindrücke erhalten hat, wie dieser. Jaworski fügt seinerseit nur hinzu,
daß er die Spur der Mauer bis auf 27 Werft von Derbend verfolgt habe,
daß noch jetzt die Tradition lebt, daß sie vom Kaspischen bis zum Schwarzen
Meere ohne jede Unterbrechung gereicht habe und daß es möglich war, in
sechs Stunden Mittheilungen von einem Ende der Mauer zum andern zu
senden. Wie das möglich gewesen, darüber schweigt die Tradition. Hier nur
noch soviel, daß sich die russische Regierung jetzt wirklich mit dem Plane be¬
schäftigt, eine Kommunikation zwischen den beiden Meeren, und zwar mittelst
eines Kanals, herzustellen, der gewiß dazu beitragen würde, recht bald euro¬
päische Zivilisation in das Innere Asiens zu tragen. Die Berührung mit der
westlichen, wirklich europäischen Zivilisation würde sicherlich wohlthätig auf die
Bewohner Kaukasiers, denen Bildungsfähigkeit nicht abgesprochen werden kann,
einwirken; zum mindesten würde sie die Grusier und die ihnen verwandten
Stämme wieder bald zu dem machen, was sie dem Anschein nach im grauen
Alterthum gewesen sind, zu einem Kulturvolke.




erheben, entgegengesetzt ist. Die Thürme sind im Innern ohne Zwischenwände
und fast alle sind mit langen Schießscharten versehen. Das Jnteressanteste
ist jedoch, und das eben beweist das hohe Alter der Mauer, daß sie durchaus
keine Arkaden hat, ein Umstand, auf den schon Dodon bei den Pyramiden der
Pharaonen hingewiesen hat. Ich habe alle unterirdischen Gänge dieser Thürme
untersucht, welche zu Quellen oder Wasserreservoirs führen, aber ich habe nir¬
gends eine Arkade gefunden, Ich habe die Ueberzeugung, daß die Erbauer
dieses Riesenwerkes keinen Begriff vom Bogen gehabt haben. Jetzt entsteht die
Frage, in welcher Richtung hat sich diese Mauer hingezogen? Wie und bis
wohin war sie verlängert? Hat sie weiter gereicht als die Ueberreste, welche
wir heute noch sehen? Es find dies Fragen, welche aller Wahrscheinlichkeit
nach sür immer unbeantwortet bleiben werden." Soweit Bestuscheff. Die kau¬
kasische Mauer hat viele Jahre später, gegen Ende der fünfziger Jahre ein
Jngenieuroffizier, der Bau-Adjutant H. Jaworski gesehen und beschrieben. Er
sagt, daß er alles gesehen habe, was Bestuscheff beschrieben und daß er die¬
selben Eindrücke erhalten hat, wie dieser. Jaworski fügt seinerseit nur hinzu,
daß er die Spur der Mauer bis auf 27 Werft von Derbend verfolgt habe,
daß noch jetzt die Tradition lebt, daß sie vom Kaspischen bis zum Schwarzen
Meere ohne jede Unterbrechung gereicht habe und daß es möglich war, in
sechs Stunden Mittheilungen von einem Ende der Mauer zum andern zu
senden. Wie das möglich gewesen, darüber schweigt die Tradition. Hier nur
noch soviel, daß sich die russische Regierung jetzt wirklich mit dem Plane be¬
schäftigt, eine Kommunikation zwischen den beiden Meeren, und zwar mittelst
eines Kanals, herzustellen, der gewiß dazu beitragen würde, recht bald euro¬
päische Zivilisation in das Innere Asiens zu tragen. Die Berührung mit der
westlichen, wirklich europäischen Zivilisation würde sicherlich wohlthätig auf die
Bewohner Kaukasiers, denen Bildungsfähigkeit nicht abgesprochen werden kann,
einwirken; zum mindesten würde sie die Grusier und die ihnen verwandten
Stämme wieder bald zu dem machen, was sie dem Anschein nach im grauen
Alterthum gewesen sind, zu einem Kulturvolke.




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[0398] erheben, entgegengesetzt ist. Die Thürme sind im Innern ohne Zwischenwände und fast alle sind mit langen Schießscharten versehen. Das Jnteressanteste ist jedoch, und das eben beweist das hohe Alter der Mauer, daß sie durchaus keine Arkaden hat, ein Umstand, auf den schon Dodon bei den Pyramiden der Pharaonen hingewiesen hat. Ich habe alle unterirdischen Gänge dieser Thürme untersucht, welche zu Quellen oder Wasserreservoirs führen, aber ich habe nir¬ gends eine Arkade gefunden, Ich habe die Ueberzeugung, daß die Erbauer dieses Riesenwerkes keinen Begriff vom Bogen gehabt haben. Jetzt entsteht die Frage, in welcher Richtung hat sich diese Mauer hingezogen? Wie und bis wohin war sie verlängert? Hat sie weiter gereicht als die Ueberreste, welche wir heute noch sehen? Es find dies Fragen, welche aller Wahrscheinlichkeit nach sür immer unbeantwortet bleiben werden." Soweit Bestuscheff. Die kau¬ kasische Mauer hat viele Jahre später, gegen Ende der fünfziger Jahre ein Jngenieuroffizier, der Bau-Adjutant H. Jaworski gesehen und beschrieben. Er sagt, daß er alles gesehen habe, was Bestuscheff beschrieben und daß er die¬ selben Eindrücke erhalten hat, wie dieser. Jaworski fügt seinerseit nur hinzu, daß er die Spur der Mauer bis auf 27 Werft von Derbend verfolgt habe, daß noch jetzt die Tradition lebt, daß sie vom Kaspischen bis zum Schwarzen Meere ohne jede Unterbrechung gereicht habe und daß es möglich war, in sechs Stunden Mittheilungen von einem Ende der Mauer zum andern zu senden. Wie das möglich gewesen, darüber schweigt die Tradition. Hier nur noch soviel, daß sich die russische Regierung jetzt wirklich mit dem Plane be¬ schäftigt, eine Kommunikation zwischen den beiden Meeren, und zwar mittelst eines Kanals, herzustellen, der gewiß dazu beitragen würde, recht bald euro¬ päische Zivilisation in das Innere Asiens zu tragen. Die Berührung mit der westlichen, wirklich europäischen Zivilisation würde sicherlich wohlthätig auf die Bewohner Kaukasiers, denen Bildungsfähigkeit nicht abgesprochen werden kann, einwirken; zum mindesten würde sie die Grusier und die ihnen verwandten Stämme wieder bald zu dem machen, was sie dem Anschein nach im grauen Alterthum gewesen sind, zu einem Kulturvolke.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/398>, abgerufen am 24.08.2024.