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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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der Kriegsrüstung römischer und griechischer Helden auf unsrer Bühne für
gleichbedeutend halten mit der Erfolglosigkeit eines Dramas, werden ihr Urtheil
über Krufe's jüngste Schöpfung abschließen können, ohne sie gelesen zu haben.
Der wallende Helmbusch der Achaier, und das üppige Gewand, das in der
Persischen Stadt Byzanz getragen wird, kostümiren die Helden dieses Stückes,
folglich ist es nicht bühuenfähig. Man verzeihe, daß wir Kritiker, die sich den
Horizont des modernen Bekleidungskünstlers aneignen, überhaupt ernst nehmen.
Sie drängen sich jedoch, auch in namhaften kritischen Organen so lant hervor,
daß ihre Erwähnung mindestens zur Vollständigkeit gehört. Von dem, was
den Dichter zum Dichten treibt, haben sie freilich kaum eine Ahnung. Kruse
hat uns in der letzten Zeit fast alljährlich mit einem neuen Drama beschenkt.
Man mag über den Theatereffekt und die Bühnentechnik seiner Dichtungen ur¬
theilen wie man will: das Eine muß ihm jeder zugestehen, daß er nur dichtet
unter dem Gebot seiner Muse, daß er das Beste erstrebt und zu erreichen ver¬
sucht, daß keiner von den blendenden und hinabziehenden Nebenzwecken, die
Andere bei ihrem dramatischen Schaffen leiten, ihn jemals beeinflußt hat.
Vielen unsrer "praktischen" dramatischen deutschen Dichter gilt, namentlich auf
dem Gebiete des Lustspiels, Scribe als nachahmenswerthes und unerreichtes
Vorbild. Und doch erzählt uns Seribe in seinein "Lor-Ilckimisme" offen,
welche Grundsätze ihn bei seinem Schaffen leiten, und warum seine Figuren
im Neglige vor das Publikum zu treten pflegen: "^1 est un protecteur auauel
"n xeut, siens rougir, consacrer ses travaux, un Na-vero noble et genereux
<M reeowxense sans mared-mäer et cM x^e ceux cM l'amuseut: e'est le
Vudlie. ?g.s si bete cke taire clef er^eüie-?, yuelaues xoemes exiques. ^e
kkis I'yM-ii eomiciuk et 1e vaucleville. vn se ruine Z-uis I-i diante Alter.-^-
^ure; on kz'enriedit äavs 1a petite. So^e^ none äix ans a ereer un edel-
^'oeuvrs. Mus metwns trois ^jours ü eomposer les notres; et encore souvent^
^"us Maines trois! ^insi. eg-toute. v'est 1'MÄrs ä'un ä^jenner.

Es ist in d. Bl. wiederholt darauf hingewiesen worden, daß Kruse weit
idealere Ziele in seinen dramatischen Dichtungen verfolgt. Bei historischen
Stoffen vor allen Dingen die möglichst getreue Anlehnung an das Weltgericht
der Geschichte. Das ist auch hier der Fall. Die Gestalt und das tragische
Geschick des Pausanias sind geschichtlich treu dargestellt. Viel Aehnliches
bietet das Leben des Sparterkönigs aus dem Herrschergeschlechte der Ägiden,
es vergönnt war, den reichsten und glänzendsten Sieg über den Erbfeind
der Hellenen davonzutragen, mit dem Geschick Julius Cüsar's, das Kruse in
seinem Brutus dramatisch gestaltet hat. Wie der große Römer, hat der Sohn
des Kleombotros die höchsten Stufen irdischer Macht und Herrlichkeit erklommen.
Huldigend liegt der in-bis terr.irum Beiden zu Füßen. Eine Fülle unermeß-


der Kriegsrüstung römischer und griechischer Helden auf unsrer Bühne für
gleichbedeutend halten mit der Erfolglosigkeit eines Dramas, werden ihr Urtheil
über Krufe's jüngste Schöpfung abschließen können, ohne sie gelesen zu haben.
Der wallende Helmbusch der Achaier, und das üppige Gewand, das in der
Persischen Stadt Byzanz getragen wird, kostümiren die Helden dieses Stückes,
folglich ist es nicht bühuenfähig. Man verzeihe, daß wir Kritiker, die sich den
Horizont des modernen Bekleidungskünstlers aneignen, überhaupt ernst nehmen.
Sie drängen sich jedoch, auch in namhaften kritischen Organen so lant hervor,
daß ihre Erwähnung mindestens zur Vollständigkeit gehört. Von dem, was
den Dichter zum Dichten treibt, haben sie freilich kaum eine Ahnung. Kruse
hat uns in der letzten Zeit fast alljährlich mit einem neuen Drama beschenkt.
Man mag über den Theatereffekt und die Bühnentechnik seiner Dichtungen ur¬
theilen wie man will: das Eine muß ihm jeder zugestehen, daß er nur dichtet
unter dem Gebot seiner Muse, daß er das Beste erstrebt und zu erreichen ver¬
sucht, daß keiner von den blendenden und hinabziehenden Nebenzwecken, die
Andere bei ihrem dramatischen Schaffen leiten, ihn jemals beeinflußt hat.
Vielen unsrer „praktischen" dramatischen deutschen Dichter gilt, namentlich auf
dem Gebiete des Lustspiels, Scribe als nachahmenswerthes und unerreichtes
Vorbild. Und doch erzählt uns Seribe in seinein „Lor-Ilckimisme" offen,
welche Grundsätze ihn bei seinem Schaffen leiten, und warum seine Figuren
im Neglige vor das Publikum zu treten pflegen: „^1 est un protecteur auauel
"n xeut, siens rougir, consacrer ses travaux, un Na-vero noble et genereux
<M reeowxense sans mared-mäer et cM x^e ceux cM l'amuseut: e'est le
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Es ist in d. Bl. wiederholt darauf hingewiesen worden, daß Kruse weit
idealere Ziele in seinen dramatischen Dichtungen verfolgt. Bei historischen
Stoffen vor allen Dingen die möglichst getreue Anlehnung an das Weltgericht
der Geschichte. Das ist auch hier der Fall. Die Gestalt und das tragische
Geschick des Pausanias sind geschichtlich treu dargestellt. Viel Aehnliches
bietet das Leben des Sparterkönigs aus dem Herrschergeschlechte der Ägiden,
es vergönnt war, den reichsten und glänzendsten Sieg über den Erbfeind
der Hellenen davonzutragen, mit dem Geschick Julius Cüsar's, das Kruse in
seinem Brutus dramatisch gestaltet hat. Wie der große Römer, hat der Sohn
des Kleombotros die höchsten Stufen irdischer Macht und Herrlichkeit erklommen.
Huldigend liegt der in-bis terr.irum Beiden zu Füßen. Eine Fülle unermeß-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/355>, abgerufen am 25.08.2024.