Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

licher Pläne regt sich in Beider Häuptern für die Zukunft. Da stürzt Beide
plötzlich der Neid gemeiner Erdenmenschen von der königlichen Höhe. Pciusauias
hat freilich nie die welthistorische Bedeutung Cäsars erlangt. Langsamer hat
dagegen auch das immer rege Mißtrauen seiner Vaterstadt und der Bundes¬
genossen an seiner Stellung genagt, zäher hat er den Versuchen seinen Sturz
herbeizuführen, Widerstand geleistet, als Cäsar. Schon 476, drei Jahre nach
dem Siege von Platäa, kurze Zeit nachdem Pausanias mit der griechi¬
schen Flotte Kypros und Byzanz erobert, ließ er sich in verrätherische Um¬
triebe mit Xerxes ein, um durch des Perserkönigs Beistand die Tyrannis
in Griechenland zu erwerben. Damals schon wurde er auf Betrieb der Bundes¬
genossen, vornehmlich der eifersüchtigen Athener, seines Oberbefehles entsetzt und
des Verrathes angeklagt, aber 474 freigesprochen. Vier Jahre später gebietet
Pausanias abermals in Byzanz. Wie Cäsar seine Kriegsgenossen in den
Feldzügen gegen die Helveter, Germanen und Gallier zu seinen Leibtruppen
heranzieht und umbildet, so sammelt Pausanias thrakische Söldner und fesselt
sie an feine Person, um durch sie deu entscheidenden Streich zu wagen. Die
geheimen Umtriebe mit den Persern werden dann wieder aufgenommen. Aber
Athen vertreibt ihn aus der Stadt Byzanz, wo er unbeobachtet von den
Argusaugen der Ephoren und nahe dem Persischen Königshofe seine Ränke
schmieden kounte. Ein zweites Mal wird er zurückberufen und angeklagt. Ein
zweites Mal wäre er wohl dem gefährlichen Prozesse mit heiler Haut entronnen,
wenn nicht sein Sklave die geheimen Briefe, die er dein Satrapen Artabazos
überbringen sollte, den Ephoren ausgeliefert Hütte, weil in demselben die Tödtung
des Boten anbefohlen war. Dazu kamen dann Ueberführungskünste, wie sie
Venedig und das machiavellistische Florenz in ihrer Blüthezeit ausgebildet haben.
In dem Augenblicke als Pausanias ergriffen werden sollte -- die Verhaftung
war nach Lage der Sache mit dem Todesurtheil gleichbedeutend, -- flüchtete
er in den Tempel der Athene; seine eigene Mutter soll dem Volke gezeigt
haben, wie man den Verrath des Vaterlandes an ihm rächen könne, ohne das
Heiligthum der Göttin zu entweihen, indem sie den ersten Stein vor den Ein¬
gang legte. Pausanias wurde eingemauert und starb den Hungertod.

Wir erinnern an diese bekannten historischen Thatsachen nur, um den
Leser in Stand zu setzen, unmittelbar damit die Handlung des Kruse'schen
Dramas zu vergleichen. Selbstverständlich mußte der zweimalige Versuch des
Sparterkönigs, Verrath mit dem Feinde zu spinnen, der zweimal gegen ihn
angestrengte Hochverrathsprvzeß, im Drama nur einmal, vorkommen. Der
Dichter hatte demgemäß nur die Wahl, sein Stück in die Zeit der ersten Er¬
oberung von Byzanz, drei Jahre nach dem Siege von Platna, oder in die
Zeit zu verlegen, als Pausanias, nachdem er glücklich der ersten Anklage ent-


licher Pläne regt sich in Beider Häuptern für die Zukunft. Da stürzt Beide
plötzlich der Neid gemeiner Erdenmenschen von der königlichen Höhe. Pciusauias
hat freilich nie die welthistorische Bedeutung Cäsars erlangt. Langsamer hat
dagegen auch das immer rege Mißtrauen seiner Vaterstadt und der Bundes¬
genossen an seiner Stellung genagt, zäher hat er den Versuchen seinen Sturz
herbeizuführen, Widerstand geleistet, als Cäsar. Schon 476, drei Jahre nach
dem Siege von Platäa, kurze Zeit nachdem Pausanias mit der griechi¬
schen Flotte Kypros und Byzanz erobert, ließ er sich in verrätherische Um¬
triebe mit Xerxes ein, um durch des Perserkönigs Beistand die Tyrannis
in Griechenland zu erwerben. Damals schon wurde er auf Betrieb der Bundes¬
genossen, vornehmlich der eifersüchtigen Athener, seines Oberbefehles entsetzt und
des Verrathes angeklagt, aber 474 freigesprochen. Vier Jahre später gebietet
Pausanias abermals in Byzanz. Wie Cäsar seine Kriegsgenossen in den
Feldzügen gegen die Helveter, Germanen und Gallier zu seinen Leibtruppen
heranzieht und umbildet, so sammelt Pausanias thrakische Söldner und fesselt
sie an feine Person, um durch sie deu entscheidenden Streich zu wagen. Die
geheimen Umtriebe mit den Persern werden dann wieder aufgenommen. Aber
Athen vertreibt ihn aus der Stadt Byzanz, wo er unbeobachtet von den
Argusaugen der Ephoren und nahe dem Persischen Königshofe seine Ränke
schmieden kounte. Ein zweites Mal wird er zurückberufen und angeklagt. Ein
zweites Mal wäre er wohl dem gefährlichen Prozesse mit heiler Haut entronnen,
wenn nicht sein Sklave die geheimen Briefe, die er dein Satrapen Artabazos
überbringen sollte, den Ephoren ausgeliefert Hütte, weil in demselben die Tödtung
des Boten anbefohlen war. Dazu kamen dann Ueberführungskünste, wie sie
Venedig und das machiavellistische Florenz in ihrer Blüthezeit ausgebildet haben.
In dem Augenblicke als Pausanias ergriffen werden sollte — die Verhaftung
war nach Lage der Sache mit dem Todesurtheil gleichbedeutend, — flüchtete
er in den Tempel der Athene; seine eigene Mutter soll dem Volke gezeigt
haben, wie man den Verrath des Vaterlandes an ihm rächen könne, ohne das
Heiligthum der Göttin zu entweihen, indem sie den ersten Stein vor den Ein¬
gang legte. Pausanias wurde eingemauert und starb den Hungertod.

Wir erinnern an diese bekannten historischen Thatsachen nur, um den
Leser in Stand zu setzen, unmittelbar damit die Handlung des Kruse'schen
Dramas zu vergleichen. Selbstverständlich mußte der zweimalige Versuch des
Sparterkönigs, Verrath mit dem Feinde zu spinnen, der zweimal gegen ihn
angestrengte Hochverrathsprvzeß, im Drama nur einmal, vorkommen. Der
Dichter hatte demgemäß nur die Wahl, sein Stück in die Zeit der ersten Er¬
oberung von Byzanz, drei Jahre nach dem Siege von Platna, oder in die
Zeit zu verlegen, als Pausanias, nachdem er glücklich der ersten Anklage ent-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0356" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139115"/>
          <p xml:id="ID_1034" prev="#ID_1033"> licher Pläne regt sich in Beider Häuptern für die Zukunft. Da stürzt Beide<lb/>
plötzlich der Neid gemeiner Erdenmenschen von der königlichen Höhe. Pciusauias<lb/>
hat freilich nie die welthistorische Bedeutung Cäsars erlangt. Langsamer hat<lb/>
dagegen auch das immer rege Mißtrauen seiner Vaterstadt und der Bundes¬<lb/>
genossen an seiner Stellung genagt, zäher hat er den Versuchen seinen Sturz<lb/>
herbeizuführen, Widerstand geleistet, als Cäsar. Schon 476, drei Jahre nach<lb/>
dem Siege von Platäa, kurze Zeit nachdem Pausanias mit der griechi¬<lb/>
schen Flotte Kypros und Byzanz erobert, ließ er sich in verrätherische Um¬<lb/>
triebe mit Xerxes ein, um durch des Perserkönigs Beistand die Tyrannis<lb/>
in Griechenland zu erwerben. Damals schon wurde er auf Betrieb der Bundes¬<lb/>
genossen, vornehmlich der eifersüchtigen Athener, seines Oberbefehles entsetzt und<lb/>
des Verrathes angeklagt, aber 474 freigesprochen. Vier Jahre später gebietet<lb/>
Pausanias abermals in Byzanz. Wie Cäsar seine Kriegsgenossen in den<lb/>
Feldzügen gegen die Helveter, Germanen und Gallier zu seinen Leibtruppen<lb/>
heranzieht und umbildet, so sammelt Pausanias thrakische Söldner und fesselt<lb/>
sie an feine Person, um durch sie deu entscheidenden Streich zu wagen. Die<lb/>
geheimen Umtriebe mit den Persern werden dann wieder aufgenommen. Aber<lb/>
Athen vertreibt ihn aus der Stadt Byzanz, wo er unbeobachtet von den<lb/>
Argusaugen der Ephoren und nahe dem Persischen Königshofe seine Ränke<lb/>
schmieden kounte. Ein zweites Mal wird er zurückberufen und angeklagt. Ein<lb/>
zweites Mal wäre er wohl dem gefährlichen Prozesse mit heiler Haut entronnen,<lb/>
wenn nicht sein Sklave die geheimen Briefe, die er dein Satrapen Artabazos<lb/>
überbringen sollte, den Ephoren ausgeliefert Hütte, weil in demselben die Tödtung<lb/>
des Boten anbefohlen war. Dazu kamen dann Ueberführungskünste, wie sie<lb/>
Venedig und das machiavellistische Florenz in ihrer Blüthezeit ausgebildet haben.<lb/>
In dem Augenblicke als Pausanias ergriffen werden sollte &#x2014; die Verhaftung<lb/>
war nach Lage der Sache mit dem Todesurtheil gleichbedeutend, &#x2014; flüchtete<lb/>
er in den Tempel der Athene; seine eigene Mutter soll dem Volke gezeigt<lb/>
haben, wie man den Verrath des Vaterlandes an ihm rächen könne, ohne das<lb/>
Heiligthum der Göttin zu entweihen, indem sie den ersten Stein vor den Ein¬<lb/>
gang legte.  Pausanias wurde eingemauert und starb den Hungertod.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1035" next="#ID_1036"> Wir erinnern an diese bekannten historischen Thatsachen nur, um den<lb/>
Leser in Stand zu setzen, unmittelbar damit die Handlung des Kruse'schen<lb/>
Dramas zu vergleichen. Selbstverständlich mußte der zweimalige Versuch des<lb/>
Sparterkönigs, Verrath mit dem Feinde zu spinnen, der zweimal gegen ihn<lb/>
angestrengte Hochverrathsprvzeß, im Drama nur einmal, vorkommen. Der<lb/>
Dichter hatte demgemäß nur die Wahl, sein Stück in die Zeit der ersten Er¬<lb/>
oberung von Byzanz, drei Jahre nach dem Siege von Platna, oder in die<lb/>
Zeit zu verlegen, als Pausanias, nachdem er glücklich der ersten Anklage ent-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0356] licher Pläne regt sich in Beider Häuptern für die Zukunft. Da stürzt Beide plötzlich der Neid gemeiner Erdenmenschen von der königlichen Höhe. Pciusauias hat freilich nie die welthistorische Bedeutung Cäsars erlangt. Langsamer hat dagegen auch das immer rege Mißtrauen seiner Vaterstadt und der Bundes¬ genossen an seiner Stellung genagt, zäher hat er den Versuchen seinen Sturz herbeizuführen, Widerstand geleistet, als Cäsar. Schon 476, drei Jahre nach dem Siege von Platäa, kurze Zeit nachdem Pausanias mit der griechi¬ schen Flotte Kypros und Byzanz erobert, ließ er sich in verrätherische Um¬ triebe mit Xerxes ein, um durch des Perserkönigs Beistand die Tyrannis in Griechenland zu erwerben. Damals schon wurde er auf Betrieb der Bundes¬ genossen, vornehmlich der eifersüchtigen Athener, seines Oberbefehles entsetzt und des Verrathes angeklagt, aber 474 freigesprochen. Vier Jahre später gebietet Pausanias abermals in Byzanz. Wie Cäsar seine Kriegsgenossen in den Feldzügen gegen die Helveter, Germanen und Gallier zu seinen Leibtruppen heranzieht und umbildet, so sammelt Pausanias thrakische Söldner und fesselt sie an feine Person, um durch sie deu entscheidenden Streich zu wagen. Die geheimen Umtriebe mit den Persern werden dann wieder aufgenommen. Aber Athen vertreibt ihn aus der Stadt Byzanz, wo er unbeobachtet von den Argusaugen der Ephoren und nahe dem Persischen Königshofe seine Ränke schmieden kounte. Ein zweites Mal wird er zurückberufen und angeklagt. Ein zweites Mal wäre er wohl dem gefährlichen Prozesse mit heiler Haut entronnen, wenn nicht sein Sklave die geheimen Briefe, die er dein Satrapen Artabazos überbringen sollte, den Ephoren ausgeliefert Hütte, weil in demselben die Tödtung des Boten anbefohlen war. Dazu kamen dann Ueberführungskünste, wie sie Venedig und das machiavellistische Florenz in ihrer Blüthezeit ausgebildet haben. In dem Augenblicke als Pausanias ergriffen werden sollte — die Verhaftung war nach Lage der Sache mit dem Todesurtheil gleichbedeutend, — flüchtete er in den Tempel der Athene; seine eigene Mutter soll dem Volke gezeigt haben, wie man den Verrath des Vaterlandes an ihm rächen könne, ohne das Heiligthum der Göttin zu entweihen, indem sie den ersten Stein vor den Ein¬ gang legte. Pausanias wurde eingemauert und starb den Hungertod. Wir erinnern an diese bekannten historischen Thatsachen nur, um den Leser in Stand zu setzen, unmittelbar damit die Handlung des Kruse'schen Dramas zu vergleichen. Selbstverständlich mußte der zweimalige Versuch des Sparterkönigs, Verrath mit dem Feinde zu spinnen, der zweimal gegen ihn angestrengte Hochverrathsprvzeß, im Drama nur einmal, vorkommen. Der Dichter hatte demgemäß nur die Wahl, sein Stück in die Zeit der ersten Er¬ oberung von Byzanz, drei Jahre nach dem Siege von Platna, oder in die Zeit zu verlegen, als Pausanias, nachdem er glücklich der ersten Anklage ent-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/356
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/356>, abgerufen am 25.08.2024.