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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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nicht zu thun; sie erklärten, daß ein allgemeines Konzil über dem Papste stehe
und blieben versammelt. Der Kaiser sprach über den Erzherzog von Oester-
reich die Acht aus und beauftragte den Burggrafen Friedrich als seinen Feld¬
hauptmann oder "Axiwiiöus mit Führung des Krieges gegen den Erzherzog.

Weder der Kaiser, noch der Erzherzog hatten ein Heer versammelt, allein
es gelang dem Kaiser, durch einen Aufruf, den er an die Fürsten, Edlen und
Städte von Schwaben sowie an die Schweizer Eidgenossen erließ, ein Heer
zusammenzubringen. An der Spitze dieses Heeres griff der Burggraf von
Nürnberg den Erzherzog an und zwang ihn durch einen Feldzug von wenigen
Wochen, sich dem Kaiser zu unterwerfen, der Papst Johann XXIII. dagegen
ward zu Breisach vom Burggrafen gefangen genommen und demnächst nach
Radolfzell ins Gefängniß gebracht.' Das Konzil konnte nun in aller Ruhe
die Absetzung des Papstes aussprechen und der Papst unterwarf sich diesem
Ausspruche des Konzils. Es war ein hoher Triumph für den Kaiser, daß
unter seiner Leitung und dnrch seine Waffen das Konzil über den Papst einen
so glänzenden Sieg davon getragen hatte. Unmittelbar nach der Gefangen¬
nahme des Papstes übertrug der Kaiser Sigismund durch schriftliche Urkunde
die Markgrafschaft von Brandenburg sammt der Kurwürde auf den bisherigen
Burggrafen Friedrich, der nunmehr als Kurfürst deu Namen Friedrich I.
annahm.

Drei Gründe waren es, welche den Kaiser zu dieser wichtigen und folgen¬
reichen Handlung veranlaßten; erstens, daß Sigismund annahm, der Glanz der
kaiserlichen Würde erfordere, daß dem Kaiser sieben Kurfürsten zur Seite
stehen; dies war aber so lange nicht der Fall, als der Kaiser selbst zugleich
Kurfürst war; es beruhte dieser Grund im Wesentlichen auf der heiligen Be¬
deutung, die man im Mittelalter der Siebenzahl beimaß. Auf diese Heiligkeit
der sieben war in der goldenen Bulle, die der Vater Sigismunds, Kaiser
Karl IV., mit sovieler Feierlichkeit als Grundgesetz des deutschen Reichs ver¬
kündigt hatte, bei den Bestimmungen über Einrichtung des Kurfürsten-Kvllegii
Bezug genommen. Die Auffassung des Mittelalters in dieser Beziehung war
im Wesentlichen dieselbe, die Schiller in den Worten ausspricht:


Und alle die Wähler, die sieben,
Wie der Sterne Kreis um die Sonne sich stellt.
Umstunden geschäftig den Herrscher der Welt,
Die Würde des Amtes zu üben.

Der zweite Grund des Kaisers bestand in den großen Geldsummen, die er
von Friedrich geliehen erhalten hatte, und der dritte in den großen und er¬
folgreichen Diensten, welche ihm der nunmehrige Kurfürst geleistet hatte. Unter


nicht zu thun; sie erklärten, daß ein allgemeines Konzil über dem Papste stehe
und blieben versammelt. Der Kaiser sprach über den Erzherzog von Oester-
reich die Acht aus und beauftragte den Burggrafen Friedrich als seinen Feld¬
hauptmann oder «Axiwiiöus mit Führung des Krieges gegen den Erzherzog.

Weder der Kaiser, noch der Erzherzog hatten ein Heer versammelt, allein
es gelang dem Kaiser, durch einen Aufruf, den er an die Fürsten, Edlen und
Städte von Schwaben sowie an die Schweizer Eidgenossen erließ, ein Heer
zusammenzubringen. An der Spitze dieses Heeres griff der Burggraf von
Nürnberg den Erzherzog an und zwang ihn durch einen Feldzug von wenigen
Wochen, sich dem Kaiser zu unterwerfen, der Papst Johann XXIII. dagegen
ward zu Breisach vom Burggrafen gefangen genommen und demnächst nach
Radolfzell ins Gefängniß gebracht.' Das Konzil konnte nun in aller Ruhe
die Absetzung des Papstes aussprechen und der Papst unterwarf sich diesem
Ausspruche des Konzils. Es war ein hoher Triumph für den Kaiser, daß
unter seiner Leitung und dnrch seine Waffen das Konzil über den Papst einen
so glänzenden Sieg davon getragen hatte. Unmittelbar nach der Gefangen¬
nahme des Papstes übertrug der Kaiser Sigismund durch schriftliche Urkunde
die Markgrafschaft von Brandenburg sammt der Kurwürde auf den bisherigen
Burggrafen Friedrich, der nunmehr als Kurfürst deu Namen Friedrich I.
annahm.

Drei Gründe waren es, welche den Kaiser zu dieser wichtigen und folgen¬
reichen Handlung veranlaßten; erstens, daß Sigismund annahm, der Glanz der
kaiserlichen Würde erfordere, daß dem Kaiser sieben Kurfürsten zur Seite
stehen; dies war aber so lange nicht der Fall, als der Kaiser selbst zugleich
Kurfürst war; es beruhte dieser Grund im Wesentlichen auf der heiligen Be¬
deutung, die man im Mittelalter der Siebenzahl beimaß. Auf diese Heiligkeit
der sieben war in der goldenen Bulle, die der Vater Sigismunds, Kaiser
Karl IV., mit sovieler Feierlichkeit als Grundgesetz des deutschen Reichs ver¬
kündigt hatte, bei den Bestimmungen über Einrichtung des Kurfürsten-Kvllegii
Bezug genommen. Die Auffassung des Mittelalters in dieser Beziehung war
im Wesentlichen dieselbe, die Schiller in den Worten ausspricht:


Und alle die Wähler, die sieben,
Wie der Sterne Kreis um die Sonne sich stellt.
Umstunden geschäftig den Herrscher der Welt,
Die Würde des Amtes zu üben.

Der zweite Grund des Kaisers bestand in den großen Geldsummen, die er
von Friedrich geliehen erhalten hatte, und der dritte in den großen und er¬
folgreichen Diensten, welche ihm der nunmehrige Kurfürst geleistet hatte. Unter


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/328>, abgerufen am 24.08.2024.