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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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diesen Diensten war aber der wichtigste die Besiegung des Erzherzogs Friedrich
von Oesterreich und die Gefangennahme des Papstes Johann XXIII.

Auch nach der Ernennung zum Kurfürsten wohnte Friedrich der I. noch
einem Theile der Verhandlungen des Konzils zu Konstanz bei. Unter andern
war er zugegen bei einem der Verhöre des Reformators Huß. Es wird mit¬
getheilt, daß bei diesem Verhöre der Kaiser sich bei Gelegenheit einer ihm
mißfälligen Antwort des Huß zu dem ueben ihm stehenden Kurfürsten Friedrich
wandte und in Bezug auf Huß ihm sagte: "Ich habe nie einen schlimmeren
und verderblicheren Ketzer gesehn." Man weiß nicht, wie Friedrich I. über die
Verbrennung des Huß urtheilte; hat er sie gebilligt, so hat er jedenfalls später
Veranlassung genug gehabt, diese Billigung zu bereuen. Bald nachdem Huß den
Tod erlitten hatte, begab sich Friedrich I. nach der Mark, wo er am 21. Oktober
1415 die eigentliche Huldigung der Stände entgegennahm.- Mit diesem Tage
begann die wirkliche Herrschaft der Hohenzollern über die Mark Brandenburg.
Aus der Mark begab sich Friedrich I. noch einmal nach Konstanz' zurück. Dort
erfolgte auf offenem Marktplatz dnrch den Kaiser am 18. April 1417 seine
feierliche Belehnung mit der Kurwürde, eine Bestätigung der bereits im Jahre
1415 durch schriftliche Urkunde erfolgten Belehnung. Vor dem Schlüsse des
Konzils hielt der neu gewählte Papst Martin V. einen feierlichen Umzug durch
Konstanz. Der Kaiser Sigismund führte hierbei das Pferd des Papstes am
Zügel, indem er rechts neben dem Pferde ging und Kurfürst Friedrich I. hielt
auf der linken Seite den Zügel des Pferdes. Hierin lag ein Anerkenntnis;,
daß nächst dem Kaiser der Kurfürst Friedrich der angesehenste unter den da¬
mals in Konstanz versammelten weltlichen Fürsten war.

Die Versammlung zu Konstanz hatte den einen Hauptzweck, zu dem sie
berufen war, Beseitigung der Herrschaft mehrerer Päpste, glücklich erreicht, eine
anderer Zweck, den die meisten der Theilnehmer dieses Konzils gehabt hatten,
nämlich Reformation der Verfassung der Kirche, war nicht erreicht. Der Plan
der Reformation der Kirche, den viele Theilnehmer des Konzils verfolgt hatten,
war dahin gegangen, die Verfassung der Kirche nach dein Muster der Ver¬
fassung des deutschen Reichs umzugestalten. Sowie dem deutschen Kaiser die
Kurfürsten zur Seite standen, sollte dem Papste das Kollegium der Kardinäle
Sur Seite stehn; das Konzil der Bischöfe sollte eine ähnliche Stellung in der
Kirche haben, wie im deutschen Reiche der Reichstag. Auf diese Art würde
die Verfassung der Kirche ans einer rein monarchischen, zu der sie im Laufe
des Mittelalters geworden war, zu einer aristokratischen geworden sein. Sie
würde alsdann in Einklang gestanden haben mit der damaligen Verfassung
oft aller Staaten Europas, die durchweg auf dem Prinzipe der Aristokratie
beruhte. Die Einschränkn"", der päpstlichen Macht, die in Konstanz erreicht


diesen Diensten war aber der wichtigste die Besiegung des Erzherzogs Friedrich
von Oesterreich und die Gefangennahme des Papstes Johann XXIII.

Auch nach der Ernennung zum Kurfürsten wohnte Friedrich der I. noch
einem Theile der Verhandlungen des Konzils zu Konstanz bei. Unter andern
war er zugegen bei einem der Verhöre des Reformators Huß. Es wird mit¬
getheilt, daß bei diesem Verhöre der Kaiser sich bei Gelegenheit einer ihm
mißfälligen Antwort des Huß zu dem ueben ihm stehenden Kurfürsten Friedrich
wandte und in Bezug auf Huß ihm sagte: „Ich habe nie einen schlimmeren
und verderblicheren Ketzer gesehn." Man weiß nicht, wie Friedrich I. über die
Verbrennung des Huß urtheilte; hat er sie gebilligt, so hat er jedenfalls später
Veranlassung genug gehabt, diese Billigung zu bereuen. Bald nachdem Huß den
Tod erlitten hatte, begab sich Friedrich I. nach der Mark, wo er am 21. Oktober
1415 die eigentliche Huldigung der Stände entgegennahm.- Mit diesem Tage
begann die wirkliche Herrschaft der Hohenzollern über die Mark Brandenburg.
Aus der Mark begab sich Friedrich I. noch einmal nach Konstanz' zurück. Dort
erfolgte auf offenem Marktplatz dnrch den Kaiser am 18. April 1417 seine
feierliche Belehnung mit der Kurwürde, eine Bestätigung der bereits im Jahre
1415 durch schriftliche Urkunde erfolgten Belehnung. Vor dem Schlüsse des
Konzils hielt der neu gewählte Papst Martin V. einen feierlichen Umzug durch
Konstanz. Der Kaiser Sigismund führte hierbei das Pferd des Papstes am
Zügel, indem er rechts neben dem Pferde ging und Kurfürst Friedrich I. hielt
auf der linken Seite den Zügel des Pferdes. Hierin lag ein Anerkenntnis;,
daß nächst dem Kaiser der Kurfürst Friedrich der angesehenste unter den da¬
mals in Konstanz versammelten weltlichen Fürsten war.

Die Versammlung zu Konstanz hatte den einen Hauptzweck, zu dem sie
berufen war, Beseitigung der Herrschaft mehrerer Päpste, glücklich erreicht, eine
anderer Zweck, den die meisten der Theilnehmer dieses Konzils gehabt hatten,
nämlich Reformation der Verfassung der Kirche, war nicht erreicht. Der Plan
der Reformation der Kirche, den viele Theilnehmer des Konzils verfolgt hatten,
war dahin gegangen, die Verfassung der Kirche nach dein Muster der Ver¬
fassung des deutschen Reichs umzugestalten. Sowie dem deutschen Kaiser die
Kurfürsten zur Seite standen, sollte dem Papste das Kollegium der Kardinäle
Sur Seite stehn; das Konzil der Bischöfe sollte eine ähnliche Stellung in der
Kirche haben, wie im deutschen Reiche der Reichstag. Auf diese Art würde
die Verfassung der Kirche ans einer rein monarchischen, zu der sie im Laufe
des Mittelalters geworden war, zu einer aristokratischen geworden sein. Sie
würde alsdann in Einklang gestanden haben mit der damaligen Verfassung
oft aller Staaten Europas, die durchweg auf dem Prinzipe der Aristokratie
beruhte. Die Einschränkn««, der päpstlichen Macht, die in Konstanz erreicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/329>, abgerufen am 24.08.2024.