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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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mund von Ungarn, dem Bruder des damals bereits abgesetzten Kaisers Wenzel,
in Verbindung. Er war es vorzugsweise, der als Bevollmächtigter Sigis-
munds in den Jahren 1410 und 1411 bei den deutschen Kurfürsten dessen Wahl
zum Kaiser durchsetzte. Er befand sich im Jahre 1411 gerade bei Sigismund
in der Stadt Ofen, als eine Gesandtschaft aus der Mark Brandenburg von
den dortigen Städten eintraf, die sich über die Plünderungen und Verwüstungen
der Familie von Quitzow beschwerte. Das gab Veranlassung, daß Sigismund
den Burggrafen Friedrich als seinen Statthalter nach der Mark sandte, um
den Plünderungen der Quitzows Einhalt zu thun, und dort überhaupt wieder
einen gesetzlichen Zustand herzustellen. Bekanntlich gab dieser Auftrag Sigis-
munds die erste Veranlassung zur Erwerbung der Mark dnrch den Burggrafen
Friedrich. Ueber den ganzen Verlauf dieses für die Folge so wichtigen Ereig¬
nisses wollen wir nur Folgendes bemerken: Sigismund hatte von seinem
Vater, dem Kaiser Karl, die Mark und die Kurwürde geerbt. Er hatte sich
jedoch von Anfang an wenig um die Mark kümmern können, weil er zum
König von Ungarn gewühlt wurde und dort theils durch den Kampf mit
innern Feinden, theils durch Kriege gegen die Türken vollauf beschäftigt war.
Daher hatte er die Mark seinem Vetter, Jobst von Mähren, übertragen. Dieser
ließ die Mark durch Statthalter (Landeshauptleute) regieren, denen er sie zum
Theil für ihm geleistete Vorschüsse verpfändete. Ein solcher Landeshauptmann
war eine Zeit lang Kaspar Haus von Putlitz gewesen, Schwiegervater des
Dietrich von Quitzow, der zu den Lehnsleuten der Putlitze gehörte. Die Quitzows,
namentlich Dietrich von Quitzow widersetzten sich nun den Landeshauptleuten,
die Jobst von Mähren nach Absetzung des Kaspar Haus von Putlitz ernannte;
einen dieser Landes-Hauptleute, den Fürsten Günther von Schwarzburg, nahm
Dietrich von Quitzow gefangen und sperrte ihn in seiner Burg zu Plciuen ein;
die Quitzows befehdeten auch die benachbarten Fürsten, namentlich den Erz-
bischof von Magdeburg und die Herzoge von Sachsen; sie brandschatzten endlich
die Städte der Mark. Ihre Absicht scheint hierbei dahin gegangen zu sein, den
Jobst von Mähren, später den König Sigismund, an den nach dem Tode des
Jobst im Jahre 1411 die Mark zurückfiel, zu zwingen, daß er entweder dem
Caspar Haus von Putlitz die Stelle als Landeshauptmann wieder gebe oder
daß er den Dietrich von Quitzow zum Landeshauptmann mache. Sigismund
wollte sich nun aber die Statthalterschaft der Mark nicht abtrotzen lassen, und
konnte dies auch nicht wohl, ohne sein eigenes Ansehen einzubüßen und sich
den begründeten Vorwürfen der übrigen Fürsten auszusetzen, denn auch die
Autorität der andern Fürsten gegenüber ihren lehnpflichtigen Rittern würde
gelitten haben, wenn ein einfacher Edelmann, wie Dietrich von Quitzow, ein
so wichtiges Amt durch trotzige Auflehnung errungen hätte.


mund von Ungarn, dem Bruder des damals bereits abgesetzten Kaisers Wenzel,
in Verbindung. Er war es vorzugsweise, der als Bevollmächtigter Sigis-
munds in den Jahren 1410 und 1411 bei den deutschen Kurfürsten dessen Wahl
zum Kaiser durchsetzte. Er befand sich im Jahre 1411 gerade bei Sigismund
in der Stadt Ofen, als eine Gesandtschaft aus der Mark Brandenburg von
den dortigen Städten eintraf, die sich über die Plünderungen und Verwüstungen
der Familie von Quitzow beschwerte. Das gab Veranlassung, daß Sigismund
den Burggrafen Friedrich als seinen Statthalter nach der Mark sandte, um
den Plünderungen der Quitzows Einhalt zu thun, und dort überhaupt wieder
einen gesetzlichen Zustand herzustellen. Bekanntlich gab dieser Auftrag Sigis-
munds die erste Veranlassung zur Erwerbung der Mark dnrch den Burggrafen
Friedrich. Ueber den ganzen Verlauf dieses für die Folge so wichtigen Ereig¬
nisses wollen wir nur Folgendes bemerken: Sigismund hatte von seinem
Vater, dem Kaiser Karl, die Mark und die Kurwürde geerbt. Er hatte sich
jedoch von Anfang an wenig um die Mark kümmern können, weil er zum
König von Ungarn gewühlt wurde und dort theils durch den Kampf mit
innern Feinden, theils durch Kriege gegen die Türken vollauf beschäftigt war.
Daher hatte er die Mark seinem Vetter, Jobst von Mähren, übertragen. Dieser
ließ die Mark durch Statthalter (Landeshauptleute) regieren, denen er sie zum
Theil für ihm geleistete Vorschüsse verpfändete. Ein solcher Landeshauptmann
war eine Zeit lang Kaspar Haus von Putlitz gewesen, Schwiegervater des
Dietrich von Quitzow, der zu den Lehnsleuten der Putlitze gehörte. Die Quitzows,
namentlich Dietrich von Quitzow widersetzten sich nun den Landeshauptleuten,
die Jobst von Mähren nach Absetzung des Kaspar Haus von Putlitz ernannte;
einen dieser Landes-Hauptleute, den Fürsten Günther von Schwarzburg, nahm
Dietrich von Quitzow gefangen und sperrte ihn in seiner Burg zu Plciuen ein;
die Quitzows befehdeten auch die benachbarten Fürsten, namentlich den Erz-
bischof von Magdeburg und die Herzoge von Sachsen; sie brandschatzten endlich
die Städte der Mark. Ihre Absicht scheint hierbei dahin gegangen zu sein, den
Jobst von Mähren, später den König Sigismund, an den nach dem Tode des
Jobst im Jahre 1411 die Mark zurückfiel, zu zwingen, daß er entweder dem
Caspar Haus von Putlitz die Stelle als Landeshauptmann wieder gebe oder
daß er den Dietrich von Quitzow zum Landeshauptmann mache. Sigismund
wollte sich nun aber die Statthalterschaft der Mark nicht abtrotzen lassen, und
konnte dies auch nicht wohl, ohne sein eigenes Ansehen einzubüßen und sich
den begründeten Vorwürfen der übrigen Fürsten auszusetzen, denn auch die
Autorität der andern Fürsten gegenüber ihren lehnpflichtigen Rittern würde
gelitten haben, wenn ein einfacher Edelmann, wie Dietrich von Quitzow, ein
so wichtiges Amt durch trotzige Auflehnung errungen hätte.


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[0326] mund von Ungarn, dem Bruder des damals bereits abgesetzten Kaisers Wenzel, in Verbindung. Er war es vorzugsweise, der als Bevollmächtigter Sigis- munds in den Jahren 1410 und 1411 bei den deutschen Kurfürsten dessen Wahl zum Kaiser durchsetzte. Er befand sich im Jahre 1411 gerade bei Sigismund in der Stadt Ofen, als eine Gesandtschaft aus der Mark Brandenburg von den dortigen Städten eintraf, die sich über die Plünderungen und Verwüstungen der Familie von Quitzow beschwerte. Das gab Veranlassung, daß Sigismund den Burggrafen Friedrich als seinen Statthalter nach der Mark sandte, um den Plünderungen der Quitzows Einhalt zu thun, und dort überhaupt wieder einen gesetzlichen Zustand herzustellen. Bekanntlich gab dieser Auftrag Sigis- munds die erste Veranlassung zur Erwerbung der Mark dnrch den Burggrafen Friedrich. Ueber den ganzen Verlauf dieses für die Folge so wichtigen Ereig¬ nisses wollen wir nur Folgendes bemerken: Sigismund hatte von seinem Vater, dem Kaiser Karl, die Mark und die Kurwürde geerbt. Er hatte sich jedoch von Anfang an wenig um die Mark kümmern können, weil er zum König von Ungarn gewühlt wurde und dort theils durch den Kampf mit innern Feinden, theils durch Kriege gegen die Türken vollauf beschäftigt war. Daher hatte er die Mark seinem Vetter, Jobst von Mähren, übertragen. Dieser ließ die Mark durch Statthalter (Landeshauptleute) regieren, denen er sie zum Theil für ihm geleistete Vorschüsse verpfändete. Ein solcher Landeshauptmann war eine Zeit lang Kaspar Haus von Putlitz gewesen, Schwiegervater des Dietrich von Quitzow, der zu den Lehnsleuten der Putlitze gehörte. Die Quitzows, namentlich Dietrich von Quitzow widersetzten sich nun den Landeshauptleuten, die Jobst von Mähren nach Absetzung des Kaspar Haus von Putlitz ernannte; einen dieser Landes-Hauptleute, den Fürsten Günther von Schwarzburg, nahm Dietrich von Quitzow gefangen und sperrte ihn in seiner Burg zu Plciuen ein; die Quitzows befehdeten auch die benachbarten Fürsten, namentlich den Erz- bischof von Magdeburg und die Herzoge von Sachsen; sie brandschatzten endlich die Städte der Mark. Ihre Absicht scheint hierbei dahin gegangen zu sein, den Jobst von Mähren, später den König Sigismund, an den nach dem Tode des Jobst im Jahre 1411 die Mark zurückfiel, zu zwingen, daß er entweder dem Caspar Haus von Putlitz die Stelle als Landeshauptmann wieder gebe oder daß er den Dietrich von Quitzow zum Landeshauptmann mache. Sigismund wollte sich nun aber die Statthalterschaft der Mark nicht abtrotzen lassen, und konnte dies auch nicht wohl, ohne sein eigenes Ansehen einzubüßen und sich den begründeten Vorwürfen der übrigen Fürsten auszusetzen, denn auch die Autorität der andern Fürsten gegenüber ihren lehnpflichtigen Rittern würde gelitten haben, wenn ein einfacher Edelmann, wie Dietrich von Quitzow, ein so wichtiges Amt durch trotzige Auflehnung errungen hätte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/326>, abgerufen am 02.07.2024.