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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Werke gehen und bei Leibe keinen Gegenstand eins's Tapet bringen, welcher
nicht die Billigung der Regierung für sich hat, den sie für inopportun hält,
denn -- in Nußland, wie in China darf der Unterthan nnter keinen Umständen
klüger sein, als die Regierung.

Aus obigen darf nicht gefolgert werden, daß etwa die Redakteure und
Mitarbeiter eiuer russischen Zeitung namentlich aber die Chefredakteure unterge¬
ordnete, unfähige Personen seien. Alle Achtung vor dein Wissen eines Krnjewski
("Kul"""), eines Professors Grabow.sti ("Se. ?<Zwrsbui'Kiel^ WMloimMi"),
eines Kattkow s,M>"in">vsIci,u! ^Vseclomosti"); was bedeuten aber alle Fähig¬
keiten eines Redakteurs in einem Lande, in welchem eigentlicher Redakteur der
Censor, oder stritte genommen der Chef der 3. Abtheilung "der eigenen Kanz¬
lei seiner Majestät des Kaisers", d. h. der Chef der Gensdarmerie und Ge¬
heimpolizei ist? Es wäre doch wohl zu viel verlangt, wenn mau den oben
genannten Herrn zumuthen wollte, gegen diesen Stachel aufzuschlagen und
hierfür ins Exil nach Sibirien zu wandern, oder in die freiwillige Verbannung
nach London, Genf u. f. w. zu gehen, von wo aus sie für ihr Vaterland und
Volk, wie uns die Geschichte "Jsländers" (Herzens) bewiesen hat, gar nichts
mehr thun können.

Vielleicht begegnen diese Ausführungen dem Einwand, daß die Censur in
Rußland zur Zeit Alexanders II. nicht mehr das ist, was sie zur Zeit Niko¬
laus I. gewesen, weil ja auch Blätter gegen Kaution erscheinen, und nach
französischem Zuschnitte der Suspeudiruug eiues Blattes eine zweimalige Ver¬
warnung vorhergeht. Es ist dies eitel Schein! Mau hat es in Nußland
verstanden, ans den neueren Preßgesetzen des westlichen Europas die Para¬
graphen in eiuen Kodex zusammenzufassen, welche die Presse am meisten beengen
und knebeln, dagegen diejenigen ganz zu ignoriren, welche ihr in irgend einer
Weise günstig sind, ihr irgend welchen Spielraum gewähren; sie hat mir
Spielraum für Gegenstände, welche das Volk, die große Masse am aller¬
wenigsten interressiren. Statt einzelner Beispiele mögen als Beleg für unsere
Darstellung der russischen Ceusurverhnltnisse hier einige diesbezügliche Regie-
rttugsverfügnugeu folgen. Am 24. Februar l<W8 hat der Kaiser von Rußland
folgende Bestimmungen zu erlassen geruht: "l. die laufenden politischen Nach¬
richten, sowohl in den alltäglich als wöchentlich einmal in Moskau erscheinenden
Zeitschriften, dürfen ausschließlich uur aus den in Petersburg erscheinenden
Zeitungen entnommen werden, deren politische Artikel von der Censur des
Ministers der auswärtigen Angelegenheiten zu drucken erlaubt worden ist. -
2- Wenngleich die politischen Nundschaueu und Artikel der Moskaner Zeitungen
nur uach Nachrichten, welche in russischen in Petersburg gedruckten Zeitungen
"ut Journalen veröffentlicht, vorher aber von der Censur des Ministers


Grenzboten IV. 1877. 38

Werke gehen und bei Leibe keinen Gegenstand eins's Tapet bringen, welcher
nicht die Billigung der Regierung für sich hat, den sie für inopportun hält,
denn — in Nußland, wie in China darf der Unterthan nnter keinen Umständen
klüger sein, als die Regierung.

Aus obigen darf nicht gefolgert werden, daß etwa die Redakteure und
Mitarbeiter eiuer russischen Zeitung namentlich aber die Chefredakteure unterge¬
ordnete, unfähige Personen seien. Alle Achtung vor dein Wissen eines Krnjewski
(„Kul»»"), eines Professors Grabow.sti („Se. ?<Zwrsbui'Kiel^ WMloimMi"),
eines Kattkow s,M>»in«>vsIci,u! ^Vseclomosti"); was bedeuten aber alle Fähig¬
keiten eines Redakteurs in einem Lande, in welchem eigentlicher Redakteur der
Censor, oder stritte genommen der Chef der 3. Abtheilung „der eigenen Kanz¬
lei seiner Majestät des Kaisers", d. h. der Chef der Gensdarmerie und Ge¬
heimpolizei ist? Es wäre doch wohl zu viel verlangt, wenn mau den oben
genannten Herrn zumuthen wollte, gegen diesen Stachel aufzuschlagen und
hierfür ins Exil nach Sibirien zu wandern, oder in die freiwillige Verbannung
nach London, Genf u. f. w. zu gehen, von wo aus sie für ihr Vaterland und
Volk, wie uns die Geschichte „Jsländers" (Herzens) bewiesen hat, gar nichts
mehr thun können.

Vielleicht begegnen diese Ausführungen dem Einwand, daß die Censur in
Rußland zur Zeit Alexanders II. nicht mehr das ist, was sie zur Zeit Niko¬
laus I. gewesen, weil ja auch Blätter gegen Kaution erscheinen, und nach
französischem Zuschnitte der Suspeudiruug eiues Blattes eine zweimalige Ver¬
warnung vorhergeht. Es ist dies eitel Schein! Mau hat es in Nußland
verstanden, ans den neueren Preßgesetzen des westlichen Europas die Para¬
graphen in eiuen Kodex zusammenzufassen, welche die Presse am meisten beengen
und knebeln, dagegen diejenigen ganz zu ignoriren, welche ihr in irgend einer
Weise günstig sind, ihr irgend welchen Spielraum gewähren; sie hat mir
Spielraum für Gegenstände, welche das Volk, die große Masse am aller¬
wenigsten interressiren. Statt einzelner Beispiele mögen als Beleg für unsere
Darstellung der russischen Ceusurverhnltnisse hier einige diesbezügliche Regie-
rttugsverfügnugeu folgen. Am 24. Februar l<W8 hat der Kaiser von Rußland
folgende Bestimmungen zu erlassen geruht: „l. die laufenden politischen Nach¬
richten, sowohl in den alltäglich als wöchentlich einmal in Moskau erscheinenden
Zeitschriften, dürfen ausschließlich uur aus den in Petersburg erscheinenden
Zeitungen entnommen werden, deren politische Artikel von der Censur des
Ministers der auswärtigen Angelegenheiten zu drucken erlaubt worden ist. -
2- Wenngleich die politischen Nundschaueu und Artikel der Moskaner Zeitungen
nur uach Nachrichten, welche in russischen in Petersburg gedruckten Zeitungen
»ut Journalen veröffentlicht, vorher aber von der Censur des Ministers


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/301>, abgerufen am 27.09.2024.