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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Kaisers auf üblichen Wege mitgetheilt hatte, erklärten sich die Wegelagerer
zufrieden gestellt. Sie motivirten in einem an den Herzog gerichteten platt¬
deutschen Briefe ihre Haltung, erklärten den Herzog für völlig frei, feines Ver¬
sprechens überhoben, nachdem der Kaiser und befreundete Fürsten die weiteren
Geldzahlungen verboten und sie zugleich die Ueberzeugung gewonnen hatten,
daß der Herzog sich während seiner Gefangenschaft allzeit seinem Gelübde
gemäß gehalten habe. Sie erklärten ausdrücklich, die abgezahlten 12,000 Gulden
als "ganze Schätzung" anerkennen zu wollen und verpflichteten den Herzog
und seine Mitgefangenen nur noch zu der ausdrücklichen Erklärung, welche
an dem bewußten Zahlungsorte durch Abordnung eines Gesandten abgegeben
werden müßte, daß der Herzog die ihm vorgeschriebene Urfehde für alle Zeiten
halten wolle.

Damit schließen die Nachrichten über jene Vorkommnisse, die ein lehrreicher
Beleg dafür sind, wie schwer es den politischen Gewalten Deutschlands fiel,
Willkühr zu besiegen und geordnete Zustände im Reiche deutscher Nation ein¬
C. A. H. Burkhardt. zuführen und zu befestigen.




Dom preußischen Landtage.

Die erste Woche der Session liegt hinter uns, mit ihr eine jener großen
Debatten, welche die Tribünen bis in den letzten Winkel zu füllen pflegen. Man
kann indeß nicht behaupten, daß in dem Redeturnier der letzten zwei Tage
uur leeres Stroh gedroschen wäre. Die Lage bedürfte der Klärung. Und
dieselbe ist erreicht, soweit sie im gegenwärtigen Augenblicke überhaupt
Möglich war.

Unbestreitbare Thatsache ist, daß die letzten Wochen vor der Eröffnung
des Landtages eine lebhafte Beunruhigung der Gemüther hervorgerufen hatten.
Man hatte sich während des Sommers in sorglose Behaglichkeit eingewiegt.
Die "Kanzlerkrise", welche im Frühjahr das ganze politische Leben beherrscht
hatte, war fast vergessen, die Dinge schienen ruhig im alten Geleise zu gehen.
Gegen das Ende der todten Jahreszeit kamen die üblichen Gerüchte über die
den parlamentarischen Kreisen zugedachten Aufgaben. Mit Genugthuung nahm
"wu in liberalen Kreisen die Nachricht entgegen, daß für den preußischen Landtag
Ministerium des Innern aufs Neue der Entwurf einer Städteordnungs-


Kaisers auf üblichen Wege mitgetheilt hatte, erklärten sich die Wegelagerer
zufrieden gestellt. Sie motivirten in einem an den Herzog gerichteten platt¬
deutschen Briefe ihre Haltung, erklärten den Herzog für völlig frei, feines Ver¬
sprechens überhoben, nachdem der Kaiser und befreundete Fürsten die weiteren
Geldzahlungen verboten und sie zugleich die Ueberzeugung gewonnen hatten,
daß der Herzog sich während seiner Gefangenschaft allzeit seinem Gelübde
gemäß gehalten habe. Sie erklärten ausdrücklich, die abgezahlten 12,000 Gulden
als „ganze Schätzung" anerkennen zu wollen und verpflichteten den Herzog
und seine Mitgefangenen nur noch zu der ausdrücklichen Erklärung, welche
an dem bewußten Zahlungsorte durch Abordnung eines Gesandten abgegeben
werden müßte, daß der Herzog die ihm vorgeschriebene Urfehde für alle Zeiten
halten wolle.

Damit schließen die Nachrichten über jene Vorkommnisse, die ein lehrreicher
Beleg dafür sind, wie schwer es den politischen Gewalten Deutschlands fiel,
Willkühr zu besiegen und geordnete Zustände im Reiche deutscher Nation ein¬
C. A. H. Burkhardt. zuführen und zu befestigen.




Dom preußischen Landtage.

Die erste Woche der Session liegt hinter uns, mit ihr eine jener großen
Debatten, welche die Tribünen bis in den letzten Winkel zu füllen pflegen. Man
kann indeß nicht behaupten, daß in dem Redeturnier der letzten zwei Tage
uur leeres Stroh gedroschen wäre. Die Lage bedürfte der Klärung. Und
dieselbe ist erreicht, soweit sie im gegenwärtigen Augenblicke überhaupt
Möglich war.

Unbestreitbare Thatsache ist, daß die letzten Wochen vor der Eröffnung
des Landtages eine lebhafte Beunruhigung der Gemüther hervorgerufen hatten.
Man hatte sich während des Sommers in sorglose Behaglichkeit eingewiegt.
Die „Kanzlerkrise", welche im Frühjahr das ganze politische Leben beherrscht
hatte, war fast vergessen, die Dinge schienen ruhig im alten Geleise zu gehen.
Gegen das Ende der todten Jahreszeit kamen die üblichen Gerüchte über die
den parlamentarischen Kreisen zugedachten Aufgaben. Mit Genugthuung nahm
"wu in liberalen Kreisen die Nachricht entgegen, daß für den preußischen Landtag
Ministerium des Innern aufs Neue der Entwurf einer Städteordnungs-


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[0239] Kaisers auf üblichen Wege mitgetheilt hatte, erklärten sich die Wegelagerer zufrieden gestellt. Sie motivirten in einem an den Herzog gerichteten platt¬ deutschen Briefe ihre Haltung, erklärten den Herzog für völlig frei, feines Ver¬ sprechens überhoben, nachdem der Kaiser und befreundete Fürsten die weiteren Geldzahlungen verboten und sie zugleich die Ueberzeugung gewonnen hatten, daß der Herzog sich während seiner Gefangenschaft allzeit seinem Gelübde gemäß gehalten habe. Sie erklärten ausdrücklich, die abgezahlten 12,000 Gulden als „ganze Schätzung" anerkennen zu wollen und verpflichteten den Herzog und seine Mitgefangenen nur noch zu der ausdrücklichen Erklärung, welche an dem bewußten Zahlungsorte durch Abordnung eines Gesandten abgegeben werden müßte, daß der Herzog die ihm vorgeschriebene Urfehde für alle Zeiten halten wolle. Damit schließen die Nachrichten über jene Vorkommnisse, die ein lehrreicher Beleg dafür sind, wie schwer es den politischen Gewalten Deutschlands fiel, Willkühr zu besiegen und geordnete Zustände im Reiche deutscher Nation ein¬ C. A. H. Burkhardt. zuführen und zu befestigen. Dom preußischen Landtage. Die erste Woche der Session liegt hinter uns, mit ihr eine jener großen Debatten, welche die Tribünen bis in den letzten Winkel zu füllen pflegen. Man kann indeß nicht behaupten, daß in dem Redeturnier der letzten zwei Tage uur leeres Stroh gedroschen wäre. Die Lage bedürfte der Klärung. Und dieselbe ist erreicht, soweit sie im gegenwärtigen Augenblicke überhaupt Möglich war. Unbestreitbare Thatsache ist, daß die letzten Wochen vor der Eröffnung des Landtages eine lebhafte Beunruhigung der Gemüther hervorgerufen hatten. Man hatte sich während des Sommers in sorglose Behaglichkeit eingewiegt. Die „Kanzlerkrise", welche im Frühjahr das ganze politische Leben beherrscht hatte, war fast vergessen, die Dinge schienen ruhig im alten Geleise zu gehen. Gegen das Ende der todten Jahreszeit kamen die üblichen Gerüchte über die den parlamentarischen Kreisen zugedachten Aufgaben. Mit Genugthuung nahm "wu in liberalen Kreisen die Nachricht entgegen, daß für den preußischen Landtag Ministerium des Innern aufs Neue der Entwurf einer Städteordnungs-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/239>, abgerufen am 22.07.2024.