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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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unverrichteter Sache abziehen. Die geistliche Absolution des Herzogs ließ auf
sich warten, als man an die politischen Schlußverhandlungen zu Zerbst dachte.
Auch hier erfuhren die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg, daß die
lüneburgischen Räthe ihren Herzog in seinen Ansichten unterstützten und daß
selbst die Landstände sich diesen anschlössen. Selbst der braunschweiger Herzog
Heinrich der Aeltere lebte des Glaubens, daß die Lösung des Herzogs nur
mit Geld zu erzielen sei; in Folge davon blieb er einfach von dem Zerbster
Tage entfernt. So war denn schließlich Friedrich der Weise wankend geworden;
entscheide man sich in den Zerbster Verhandlungen mit Stimmenmehrheit für
die Haltung des Herzogs, fo wollte auch er nicht sich ausschließe::, denselben
mit materiellen Mitteln zur Befreiung unterstützen.

Als man in Zerbst in glänzender Fürstenversammlung zusammentrat,
wurden alle Möglichkeiten erwogen, die der eine oder der andere Beschluß im
Gefolge haben könnte. Befriedigte man die Wegelagerer nicht, so hielt man
eine Fehde im größten Stile für wahrscheinlich. Man dachte sich die Situation
des Herzogs in den Händen seiner Feinde, sah sein Leben auf das Ernstlichste
bedroht. Man erinnerte sich der alten Unsitte, daß man den Gefangenen an
die exponirtesten Pnnkte stellte, wo sein Leben in offenem Kampfe oder in der
Belagerung leicht preisgegeben war. Schon sah man das Land in wilder
Gührnng von den Parteien durchwühlt, von einer Fehde in die andere
übergehen.

In letzter Stunde entschied man sich noch, dem Unwesen scharf zu be¬
gegnen. Leider hatte der Herzog seinen Feinden bereits weitere Konzessionen
gemacht. Wie sich hier herausstellte, hatte er weitere 7000 Gulden abgetragen,
um damit einen Aufschub für nahe in Aussicht stehende Zahlungsfristen zu
erlangen. Am Freitag in der Pfingstwoche sprachen die versammelten Fürsten
feierlich aus, daß der Herzog sich seines gegebenen Versprechens völlig über¬
hoben erachten könne. Unter ihnen waren Kurfürst Friedrich, Erzbischof Ernst
von Magdeburg, Herzog Johann von Sachsen, die Gesandten Joachims von
Brandenburg, Herzog Georg, Philipp von Hessen und Philipp von Braun¬
schweig bemerkenswerth. Ihr Beschluß basirte auf den Entschließungen des
Königs von Dänemark, vieler anderer geistlicher und weltlicher Fürsten, der
Landschaft des Herzogs, vor allem aber auf dem kaiserlichen Gebote, welches
auf Grund des ewigen Landfriedens den Herzog von jeder weiteren Geldliefe¬
rung und der Pflicht sich persönlich zu stellen, entband, indem noch besonders
hervorgehoben wurde, daß andauernde Willfährigkeit des Herzogs dem Reiche
beschwerliche Neuerungen verursachen und böse Händel stärken werde.

Erst jetzt, nachdem der Herzog seine Feinde von den Beschlüssen des
Zerbster Tages unterrichtet, und ihnen gleichzeitig die Achtserklärungen des


unverrichteter Sache abziehen. Die geistliche Absolution des Herzogs ließ auf
sich warten, als man an die politischen Schlußverhandlungen zu Zerbst dachte.
Auch hier erfuhren die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg, daß die
lüneburgischen Räthe ihren Herzog in seinen Ansichten unterstützten und daß
selbst die Landstände sich diesen anschlössen. Selbst der braunschweiger Herzog
Heinrich der Aeltere lebte des Glaubens, daß die Lösung des Herzogs nur
mit Geld zu erzielen sei; in Folge davon blieb er einfach von dem Zerbster
Tage entfernt. So war denn schließlich Friedrich der Weise wankend geworden;
entscheide man sich in den Zerbster Verhandlungen mit Stimmenmehrheit für
die Haltung des Herzogs, fo wollte auch er nicht sich ausschließe::, denselben
mit materiellen Mitteln zur Befreiung unterstützen.

Als man in Zerbst in glänzender Fürstenversammlung zusammentrat,
wurden alle Möglichkeiten erwogen, die der eine oder der andere Beschluß im
Gefolge haben könnte. Befriedigte man die Wegelagerer nicht, so hielt man
eine Fehde im größten Stile für wahrscheinlich. Man dachte sich die Situation
des Herzogs in den Händen seiner Feinde, sah sein Leben auf das Ernstlichste
bedroht. Man erinnerte sich der alten Unsitte, daß man den Gefangenen an
die exponirtesten Pnnkte stellte, wo sein Leben in offenem Kampfe oder in der
Belagerung leicht preisgegeben war. Schon sah man das Land in wilder
Gührnng von den Parteien durchwühlt, von einer Fehde in die andere
übergehen.

In letzter Stunde entschied man sich noch, dem Unwesen scharf zu be¬
gegnen. Leider hatte der Herzog seinen Feinden bereits weitere Konzessionen
gemacht. Wie sich hier herausstellte, hatte er weitere 7000 Gulden abgetragen,
um damit einen Aufschub für nahe in Aussicht stehende Zahlungsfristen zu
erlangen. Am Freitag in der Pfingstwoche sprachen die versammelten Fürsten
feierlich aus, daß der Herzog sich seines gegebenen Versprechens völlig über¬
hoben erachten könne. Unter ihnen waren Kurfürst Friedrich, Erzbischof Ernst
von Magdeburg, Herzog Johann von Sachsen, die Gesandten Joachims von
Brandenburg, Herzog Georg, Philipp von Hessen und Philipp von Braun¬
schweig bemerkenswerth. Ihr Beschluß basirte auf den Entschließungen des
Königs von Dänemark, vieler anderer geistlicher und weltlicher Fürsten, der
Landschaft des Herzogs, vor allem aber auf dem kaiserlichen Gebote, welches
auf Grund des ewigen Landfriedens den Herzog von jeder weiteren Geldliefe¬
rung und der Pflicht sich persönlich zu stellen, entband, indem noch besonders
hervorgehoben wurde, daß andauernde Willfährigkeit des Herzogs dem Reiche
beschwerliche Neuerungen verursachen und böse Händel stärken werde.

Erst jetzt, nachdem der Herzog seine Feinde von den Beschlüssen des
Zerbster Tages unterrichtet, und ihnen gleichzeitig die Achtserklärungen des


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[0238] unverrichteter Sache abziehen. Die geistliche Absolution des Herzogs ließ auf sich warten, als man an die politischen Schlußverhandlungen zu Zerbst dachte. Auch hier erfuhren die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg, daß die lüneburgischen Räthe ihren Herzog in seinen Ansichten unterstützten und daß selbst die Landstände sich diesen anschlössen. Selbst der braunschweiger Herzog Heinrich der Aeltere lebte des Glaubens, daß die Lösung des Herzogs nur mit Geld zu erzielen sei; in Folge davon blieb er einfach von dem Zerbster Tage entfernt. So war denn schließlich Friedrich der Weise wankend geworden; entscheide man sich in den Zerbster Verhandlungen mit Stimmenmehrheit für die Haltung des Herzogs, fo wollte auch er nicht sich ausschließe::, denselben mit materiellen Mitteln zur Befreiung unterstützen. Als man in Zerbst in glänzender Fürstenversammlung zusammentrat, wurden alle Möglichkeiten erwogen, die der eine oder der andere Beschluß im Gefolge haben könnte. Befriedigte man die Wegelagerer nicht, so hielt man eine Fehde im größten Stile für wahrscheinlich. Man dachte sich die Situation des Herzogs in den Händen seiner Feinde, sah sein Leben auf das Ernstlichste bedroht. Man erinnerte sich der alten Unsitte, daß man den Gefangenen an die exponirtesten Pnnkte stellte, wo sein Leben in offenem Kampfe oder in der Belagerung leicht preisgegeben war. Schon sah man das Land in wilder Gührnng von den Parteien durchwühlt, von einer Fehde in die andere übergehen. In letzter Stunde entschied man sich noch, dem Unwesen scharf zu be¬ gegnen. Leider hatte der Herzog seinen Feinden bereits weitere Konzessionen gemacht. Wie sich hier herausstellte, hatte er weitere 7000 Gulden abgetragen, um damit einen Aufschub für nahe in Aussicht stehende Zahlungsfristen zu erlangen. Am Freitag in der Pfingstwoche sprachen die versammelten Fürsten feierlich aus, daß der Herzog sich seines gegebenen Versprechens völlig über¬ hoben erachten könne. Unter ihnen waren Kurfürst Friedrich, Erzbischof Ernst von Magdeburg, Herzog Johann von Sachsen, die Gesandten Joachims von Brandenburg, Herzog Georg, Philipp von Hessen und Philipp von Braun¬ schweig bemerkenswerth. Ihr Beschluß basirte auf den Entschließungen des Königs von Dänemark, vieler anderer geistlicher und weltlicher Fürsten, der Landschaft des Herzogs, vor allem aber auf dem kaiserlichen Gebote, welches auf Grund des ewigen Landfriedens den Herzog von jeder weiteren Geldliefe¬ rung und der Pflicht sich persönlich zu stellen, entband, indem noch besonders hervorgehoben wurde, daß andauernde Willfährigkeit des Herzogs dem Reiche beschwerliche Neuerungen verursachen und böse Händel stärken werde. Erst jetzt, nachdem der Herzog seine Feinde von den Beschlüssen des Zerbster Tages unterrichtet, und ihnen gleichzeitig die Achtserklärungen des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/238>, abgerufen am 03.07.2024.