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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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fischer Seite stand auch der Alvertiner Herzog Georg, der Markgraf Joachim
von Brandenburg, der Erzbischof von Magdeburg. Sie gaben sich die größte
Mühe, den Lüneburger von seinem Entschlüssen abwendig zu machen.

Da ist es nun nicht ohne Interesse, den Ausführungen des Lüneburger
Herzogs etwas näher zu treten. Sie bleiben ein merkwürdiger Beleg für die
befremdenden Rechtsanschauungen deutscher Fürsten, die unmöglich dazu bei¬
tragen konnten, rechtliche Zustünde anzubahnen, so lange sie von derartigen
Ansichten geleitet wurden, wie wir sie hier verfochten finde,:. Schon im Be¬
ginn seines Briefwechsels schnitt der Herzog jede Aussicht auf Aenderung seiner
Gesinnung ab. Er wünschte lieber den Tod zu erleiden, als seinem Ver¬
sprechen untreu zu werden. Er wies darauf hin, daß seine Seele in Gefahr
sei, die ewige Seeligkeit zu verlieren; er verweigerte jede Auskunft, die der
Reichsgewalt die Möglichkeit gegeben hätte, die Wegelagerer zur Strafe her¬
anzuziehen. "Meine Ehre, schrieb der Herzog, ist mir lieber, als der Hals,
und der Hals lieber, als das Geld." Klar leuchtet aus seinen dunkeln An¬
deutungen auch die Thatsache hervor, daß er Unendliches unter den trüben
Verhältnissen des eigene" Landes zu leisten hatte, in welchem es seiner Ver¬
sicherung nach stets Brauch gewesen sei, daß der Gefaugene sich seines gegebenen
Versprechens gemäß gehalten habe. Denn wer unter irgend einem Vorwande
diesem nicht gerecht werde, könne nicht für "redlich" gehalten werden. Dieser
Meinung gedenke er bis an das Ende seines Lebens treu zu bleibe". "Warum",
schrieb er, "sollen wir Fürsten "lehr Freiheit in diesen Dingen haben, als der
gemeine Mann, vor dem der Fürst doch nur das voraus hat, daß man ihm
dle "Bosheit" nicht ins Gesicht sagen darf. So ist es billig", fährt er
5"re, "daß Jeder sich in der Ehre standhaft erweise. Das Gut bleibt hier,
der Leib wird eine Speise der Würmer; Mit anderen Worten, das Andenken
des Gerechten bleibt in Ewigkeit."

Trotz dieser Ansichten des Herzogs versuchte das kursüchsische Haus, an
dessen Spitze Friedrich der Weise stand, einen persönlichen Druck auszuüben.
Bevor der in hohem Ausehen stehende Kurfürst auf Verhandlungen mit den
lüueburgischen Ständen einging, suchte er ein kaiserliches Mandat gegen die
geheimen Wegelagerer zu erzielen, welches diese in des Reiches Acht that.
Nebenbei versuchte mau auf die peinliche Befragung derer hinzuarbeiten, die
mit dem Herzog gefangen waren und ein gleiches Loos mit ihm theilten.
Aber auch dieser Versuch blieb fruchtlos; niemals, erklärte der Herzog, würde
sich seine Dienerschaft zu einem Geständnisse bewegen lassen, welche seine per¬
sönlichen Feinde der strafenden Hand der Gerechtigkeit überliesere. -- Friedrich
der Weise nud Johann der Beständige suchten den Herzog in Zella selbst ans;
"der sie mußten sich früh genug vou dem imbeugsameU Sinn überzeugen und


Grenzboten IV. 1677.

fischer Seite stand auch der Alvertiner Herzog Georg, der Markgraf Joachim
von Brandenburg, der Erzbischof von Magdeburg. Sie gaben sich die größte
Mühe, den Lüneburger von seinem Entschlüssen abwendig zu machen.

Da ist es nun nicht ohne Interesse, den Ausführungen des Lüneburger
Herzogs etwas näher zu treten. Sie bleiben ein merkwürdiger Beleg für die
befremdenden Rechtsanschauungen deutscher Fürsten, die unmöglich dazu bei¬
tragen konnten, rechtliche Zustünde anzubahnen, so lange sie von derartigen
Ansichten geleitet wurden, wie wir sie hier verfochten finde,:. Schon im Be¬
ginn seines Briefwechsels schnitt der Herzog jede Aussicht auf Aenderung seiner
Gesinnung ab. Er wünschte lieber den Tod zu erleiden, als seinem Ver¬
sprechen untreu zu werden. Er wies darauf hin, daß seine Seele in Gefahr
sei, die ewige Seeligkeit zu verlieren; er verweigerte jede Auskunft, die der
Reichsgewalt die Möglichkeit gegeben hätte, die Wegelagerer zur Strafe her¬
anzuziehen. „Meine Ehre, schrieb der Herzog, ist mir lieber, als der Hals,
und der Hals lieber, als das Geld." Klar leuchtet aus seinen dunkeln An¬
deutungen auch die Thatsache hervor, daß er Unendliches unter den trüben
Verhältnissen des eigene« Landes zu leisten hatte, in welchem es seiner Ver¬
sicherung nach stets Brauch gewesen sei, daß der Gefaugene sich seines gegebenen
Versprechens gemäß gehalten habe. Denn wer unter irgend einem Vorwande
diesem nicht gerecht werde, könne nicht für „redlich" gehalten werden. Dieser
Meinung gedenke er bis an das Ende seines Lebens treu zu bleibe». „Warum",
schrieb er, „sollen wir Fürsten »lehr Freiheit in diesen Dingen haben, als der
gemeine Mann, vor dem der Fürst doch nur das voraus hat, daß man ihm
dle „Bosheit" nicht ins Gesicht sagen darf. So ist es billig", fährt er
5"re, „daß Jeder sich in der Ehre standhaft erweise. Das Gut bleibt hier,
der Leib wird eine Speise der Würmer; Mit anderen Worten, das Andenken
des Gerechten bleibt in Ewigkeit."

Trotz dieser Ansichten des Herzogs versuchte das kursüchsische Haus, an
dessen Spitze Friedrich der Weise stand, einen persönlichen Druck auszuüben.
Bevor der in hohem Ausehen stehende Kurfürst auf Verhandlungen mit den
lüueburgischen Ständen einging, suchte er ein kaiserliches Mandat gegen die
geheimen Wegelagerer zu erzielen, welches diese in des Reiches Acht that.
Nebenbei versuchte mau auf die peinliche Befragung derer hinzuarbeiten, die
mit dem Herzog gefangen waren und ein gleiches Loos mit ihm theilten.
Aber auch dieser Versuch blieb fruchtlos; niemals, erklärte der Herzog, würde
sich seine Dienerschaft zu einem Geständnisse bewegen lassen, welche seine per¬
sönlichen Feinde der strafenden Hand der Gerechtigkeit überliesere. — Friedrich
der Weise nud Johann der Beständige suchten den Herzog in Zella selbst ans;
"der sie mußten sich früh genug vou dem imbeugsameU Sinn überzeugen und


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[0237] fischer Seite stand auch der Alvertiner Herzog Georg, der Markgraf Joachim von Brandenburg, der Erzbischof von Magdeburg. Sie gaben sich die größte Mühe, den Lüneburger von seinem Entschlüssen abwendig zu machen. Da ist es nun nicht ohne Interesse, den Ausführungen des Lüneburger Herzogs etwas näher zu treten. Sie bleiben ein merkwürdiger Beleg für die befremdenden Rechtsanschauungen deutscher Fürsten, die unmöglich dazu bei¬ tragen konnten, rechtliche Zustünde anzubahnen, so lange sie von derartigen Ansichten geleitet wurden, wie wir sie hier verfochten finde,:. Schon im Be¬ ginn seines Briefwechsels schnitt der Herzog jede Aussicht auf Aenderung seiner Gesinnung ab. Er wünschte lieber den Tod zu erleiden, als seinem Ver¬ sprechen untreu zu werden. Er wies darauf hin, daß seine Seele in Gefahr sei, die ewige Seeligkeit zu verlieren; er verweigerte jede Auskunft, die der Reichsgewalt die Möglichkeit gegeben hätte, die Wegelagerer zur Strafe her¬ anzuziehen. „Meine Ehre, schrieb der Herzog, ist mir lieber, als der Hals, und der Hals lieber, als das Geld." Klar leuchtet aus seinen dunkeln An¬ deutungen auch die Thatsache hervor, daß er Unendliches unter den trüben Verhältnissen des eigene« Landes zu leisten hatte, in welchem es seiner Ver¬ sicherung nach stets Brauch gewesen sei, daß der Gefaugene sich seines gegebenen Versprechens gemäß gehalten habe. Denn wer unter irgend einem Vorwande diesem nicht gerecht werde, könne nicht für „redlich" gehalten werden. Dieser Meinung gedenke er bis an das Ende seines Lebens treu zu bleibe». „Warum", schrieb er, „sollen wir Fürsten »lehr Freiheit in diesen Dingen haben, als der gemeine Mann, vor dem der Fürst doch nur das voraus hat, daß man ihm dle „Bosheit" nicht ins Gesicht sagen darf. So ist es billig", fährt er 5"re, „daß Jeder sich in der Ehre standhaft erweise. Das Gut bleibt hier, der Leib wird eine Speise der Würmer; Mit anderen Worten, das Andenken des Gerechten bleibt in Ewigkeit." Trotz dieser Ansichten des Herzogs versuchte das kursüchsische Haus, an dessen Spitze Friedrich der Weise stand, einen persönlichen Druck auszuüben. Bevor der in hohem Ausehen stehende Kurfürst auf Verhandlungen mit den lüueburgischen Ständen einging, suchte er ein kaiserliches Mandat gegen die geheimen Wegelagerer zu erzielen, welches diese in des Reiches Acht that. Nebenbei versuchte mau auf die peinliche Befragung derer hinzuarbeiten, die mit dem Herzog gefangen waren und ein gleiches Loos mit ihm theilten. Aber auch dieser Versuch blieb fruchtlos; niemals, erklärte der Herzog, würde sich seine Dienerschaft zu einem Geständnisse bewegen lassen, welche seine per¬ sönlichen Feinde der strafenden Hand der Gerechtigkeit überliesere. — Friedrich der Weise nud Johann der Beständige suchten den Herzog in Zella selbst ans; "der sie mußten sich früh genug vou dem imbeugsameU Sinn überzeugen und Grenzboten IV. 1677.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/237>, abgerufen am 02.07.2024.