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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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versprochen, sich den Wegelagerern an einem brieflich ihm kund zu gebenden
Orte zu stellen, um des weiteren gewärtig zu sein.

Bevor irgend ein Schritt auf rechtlichem Wege gegen die Thäter versucht
wurde, hatte der Herzog im Stillen Alles gethan, um seinen Verpflichtungen
nachzukommen. Aber die enorme Geldforderung, die ihn zwang, bei befreundeten
Fürstenhäusern Hülfe zu suchen, trug dazu bei, daß die geheim gehaltene Haft
im Reiche ruchbar wurde. Er hatte sich, wie natürlich, auch an das kur-
sächsische Haus gewandt, dem seine Gemahlin Margaretha entstammte, die
ebenfalls in geheimen Briefen das ihre gethan hatte, um die Geldmittel zur
Lösung ihres gefangenen Gemahls flüssig zu machen. Denn bis dahin war
es dem Herzog nur gelungen, 500(1 Gulden von der stipulirten Summe abzu¬
tragen. Gefahr war im Verzug, da dem Herzog auferlegt war, vierzehn Tage
nach Ostern weitere 15,000 Gulden zu entrichten. Erst nach deren Abtragung
gestatteten ihm seine Feinde den Genuß des Sakramentes und stipulirten zugleich,
daß der Rest der Forderung im Betrage von 20,000 Gulden, die hente einem
Betrage von 100,000 Thalern Geldwerth gleichkommen würden, vierzehn Tage
vor Pfingsten entrichtet werden sollte. Für den Fall, daß der Gefangene diesen
Verpflichtungen nicht nachkam, hatte er weitere Informationen aus einem
Briefe zu entnehmen, der sich unter einem dem Herzoge schon bekannten Baum¬
stamme im Walde befinden sollte, unter dem die beiderseitigen Kundgebungen
überhaupt zu suchen waren.

Die Gesinnung des Lüneburger Herzogs, den unerhörten Forderungen,
welche allen Gesetzen des Reiches Hohn sprachen, gerecht werden zu wollen,
erregte in ganz Deutschland großes Aufsehen. Aber viele gab es auch, die
ihn in seineu Ansichten unterstützten. Das Geld aufzubringen, sich seines
Versprechens zu entledigen, hielten sie für unerläßlich. Der Abt Boldewin zu
Lüneburg hatte zum Beispiel auf verschiedenen Tagen mit der Landschaft wegen
Aufbringung des Geldes verhandelt; man hatte sich in diesen Versammlungen
von der Nothwendigkeit ^ überzeugt, die Summe bezahlen zu müssen. Wohin
sich auch der Herzog wandte, überall stellte man sich ihm helfend zur Seite.
Osnabrück, Nassau, Schaumburg und Lippe hatten bereits sämmtlich ihre Hülfe
durch Vorstreckuug einiger Tausend zugesagt, und von Dänemark, Brandenburg,
Braunschweig, Münster, Mecklenburg, Pommern und Holstein hoffte er noch
gleiche unterstützende Zusagen zu erhalten, sobald die eigends dahin abgesandten
Vertrauten zurückkehren würden.

Ganz anderer Ansicht war das befreundete sächsische Haus. Es wider-
rieth dringend, dem abgenöthigten Versprechen nachzukommen, da die Erfüllung
desselben auf dem vorgeschriebenen Wege gegen die Reichsgesetze verstoße und
nothwendig die übelsten Folgen für alle Reichsfürsten haben müsse. Auf sach-


versprochen, sich den Wegelagerern an einem brieflich ihm kund zu gebenden
Orte zu stellen, um des weiteren gewärtig zu sein.

Bevor irgend ein Schritt auf rechtlichem Wege gegen die Thäter versucht
wurde, hatte der Herzog im Stillen Alles gethan, um seinen Verpflichtungen
nachzukommen. Aber die enorme Geldforderung, die ihn zwang, bei befreundeten
Fürstenhäusern Hülfe zu suchen, trug dazu bei, daß die geheim gehaltene Haft
im Reiche ruchbar wurde. Er hatte sich, wie natürlich, auch an das kur-
sächsische Haus gewandt, dem seine Gemahlin Margaretha entstammte, die
ebenfalls in geheimen Briefen das ihre gethan hatte, um die Geldmittel zur
Lösung ihres gefangenen Gemahls flüssig zu machen. Denn bis dahin war
es dem Herzog nur gelungen, 500(1 Gulden von der stipulirten Summe abzu¬
tragen. Gefahr war im Verzug, da dem Herzog auferlegt war, vierzehn Tage
nach Ostern weitere 15,000 Gulden zu entrichten. Erst nach deren Abtragung
gestatteten ihm seine Feinde den Genuß des Sakramentes und stipulirten zugleich,
daß der Rest der Forderung im Betrage von 20,000 Gulden, die hente einem
Betrage von 100,000 Thalern Geldwerth gleichkommen würden, vierzehn Tage
vor Pfingsten entrichtet werden sollte. Für den Fall, daß der Gefangene diesen
Verpflichtungen nicht nachkam, hatte er weitere Informationen aus einem
Briefe zu entnehmen, der sich unter einem dem Herzoge schon bekannten Baum¬
stamme im Walde befinden sollte, unter dem die beiderseitigen Kundgebungen
überhaupt zu suchen waren.

Die Gesinnung des Lüneburger Herzogs, den unerhörten Forderungen,
welche allen Gesetzen des Reiches Hohn sprachen, gerecht werden zu wollen,
erregte in ganz Deutschland großes Aufsehen. Aber viele gab es auch, die
ihn in seineu Ansichten unterstützten. Das Geld aufzubringen, sich seines
Versprechens zu entledigen, hielten sie für unerläßlich. Der Abt Boldewin zu
Lüneburg hatte zum Beispiel auf verschiedenen Tagen mit der Landschaft wegen
Aufbringung des Geldes verhandelt; man hatte sich in diesen Versammlungen
von der Nothwendigkeit ^ überzeugt, die Summe bezahlen zu müssen. Wohin
sich auch der Herzog wandte, überall stellte man sich ihm helfend zur Seite.
Osnabrück, Nassau, Schaumburg und Lippe hatten bereits sämmtlich ihre Hülfe
durch Vorstreckuug einiger Tausend zugesagt, und von Dänemark, Brandenburg,
Braunschweig, Münster, Mecklenburg, Pommern und Holstein hoffte er noch
gleiche unterstützende Zusagen zu erhalten, sobald die eigends dahin abgesandten
Vertrauten zurückkehren würden.

Ganz anderer Ansicht war das befreundete sächsische Haus. Es wider-
rieth dringend, dem abgenöthigten Versprechen nachzukommen, da die Erfüllung
desselben auf dem vorgeschriebenen Wege gegen die Reichsgesetze verstoße und
nothwendig die übelsten Folgen für alle Reichsfürsten haben müsse. Auf sach-


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[0236] versprochen, sich den Wegelagerern an einem brieflich ihm kund zu gebenden Orte zu stellen, um des weiteren gewärtig zu sein. Bevor irgend ein Schritt auf rechtlichem Wege gegen die Thäter versucht wurde, hatte der Herzog im Stillen Alles gethan, um seinen Verpflichtungen nachzukommen. Aber die enorme Geldforderung, die ihn zwang, bei befreundeten Fürstenhäusern Hülfe zu suchen, trug dazu bei, daß die geheim gehaltene Haft im Reiche ruchbar wurde. Er hatte sich, wie natürlich, auch an das kur- sächsische Haus gewandt, dem seine Gemahlin Margaretha entstammte, die ebenfalls in geheimen Briefen das ihre gethan hatte, um die Geldmittel zur Lösung ihres gefangenen Gemahls flüssig zu machen. Denn bis dahin war es dem Herzog nur gelungen, 500(1 Gulden von der stipulirten Summe abzu¬ tragen. Gefahr war im Verzug, da dem Herzog auferlegt war, vierzehn Tage nach Ostern weitere 15,000 Gulden zu entrichten. Erst nach deren Abtragung gestatteten ihm seine Feinde den Genuß des Sakramentes und stipulirten zugleich, daß der Rest der Forderung im Betrage von 20,000 Gulden, die hente einem Betrage von 100,000 Thalern Geldwerth gleichkommen würden, vierzehn Tage vor Pfingsten entrichtet werden sollte. Für den Fall, daß der Gefangene diesen Verpflichtungen nicht nachkam, hatte er weitere Informationen aus einem Briefe zu entnehmen, der sich unter einem dem Herzoge schon bekannten Baum¬ stamme im Walde befinden sollte, unter dem die beiderseitigen Kundgebungen überhaupt zu suchen waren. Die Gesinnung des Lüneburger Herzogs, den unerhörten Forderungen, welche allen Gesetzen des Reiches Hohn sprachen, gerecht werden zu wollen, erregte in ganz Deutschland großes Aufsehen. Aber viele gab es auch, die ihn in seineu Ansichten unterstützten. Das Geld aufzubringen, sich seines Versprechens zu entledigen, hielten sie für unerläßlich. Der Abt Boldewin zu Lüneburg hatte zum Beispiel auf verschiedenen Tagen mit der Landschaft wegen Aufbringung des Geldes verhandelt; man hatte sich in diesen Versammlungen von der Nothwendigkeit ^ überzeugt, die Summe bezahlen zu müssen. Wohin sich auch der Herzog wandte, überall stellte man sich ihm helfend zur Seite. Osnabrück, Nassau, Schaumburg und Lippe hatten bereits sämmtlich ihre Hülfe durch Vorstreckuug einiger Tausend zugesagt, und von Dänemark, Brandenburg, Braunschweig, Münster, Mecklenburg, Pommern und Holstein hoffte er noch gleiche unterstützende Zusagen zu erhalten, sobald die eigends dahin abgesandten Vertrauten zurückkehren würden. Ganz anderer Ansicht war das befreundete sächsische Haus. Es wider- rieth dringend, dem abgenöthigten Versprechen nachzukommen, da die Erfüllung desselben auf dem vorgeschriebenen Wege gegen die Reichsgesetze verstoße und nothwendig die übelsten Folgen für alle Reichsfürsten haben müsse. Auf sach-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/236>, abgerufen am 01.07.2024.