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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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anderen Religion als dem Islam anhängt, der findet durch sie keine Aufnahme
bei Gott, und der gehört in jener Welt zu den Untergehenden", ein Vers der
dem orthodoxesten Dogma von der allein selig machenden Kirche zur Seite
gestellt werden kann. Alle Konzessionen, die der Prophet den Juden als Lock¬
speise gemacht, wurden, Zis er sah, daß so wenige mosaische Gläubige den
Islam annahmen, widerrufen und so auch das Beobachten des jüdischen Fasttages.

Die den Fastenmonat betreffende Stelle im Koran lautet: "Ihr Gläubigen,
auch eine Fastenzeit ist euch wie eueren Vorfahren vorgeschrieben, damit ihr
gottesfürchtig seid. Eine bestimmte Zahl von Tagen sollt ihr fasten. So aber
Einer krank oder auf Reisen ist, der faste eben so viele andere Tage dafür.
Doch wer es vermag und dennoch unterläßt, der soll zur Sühne einen Armen
speisen. Doch besser ist's, dies freiwillig zu thun; noch besser, wenn ihr die
Fasten dabei beobachtet. Könntet ihr das doch einsehen! Der Monat Ramadan,
in welchem der Koran offenbart wurde als Leitung für die Menschen und
klares Zeichen des Lichts und der Scheidung (des Wahren vom Falschen) ist
der Fastenmonat." Es folgt die Aufzählung der Genüsse, deren sich die Mus¬
limen bei Tage im Ramadan zu enthalten haben und dann heißt es: "be¬
gehret was Gott euch erlaubt, esset und trinket, bis man beim Morgenstrahle
einen weißen Faden von einem schwarzen unterscheiden kann. Dann aber
haltet Fasten bis zur Nacht, ziehet euch ins Bethaus zurück."

So der Koran. Es gab eine Zeit, wo Weiber, die das Fasten gebrochen,
ertränkt wurden. Ich will nicht behaupten, daß dieses Jahr ein Gleiches ge¬
schah, aber ich kann versichern, daß diesmal das Fastengebot, welches ohnehin
zu den von Seite der mohammedanischen am meisten beobachteten Koranvor¬
schriften gehört, mit ganz besonderer Strenge eingehalten wurde, ein kein so
leicht zu befolgendes Gebot, wo sich Alles nach dem Monde richtet, der Ra¬
madan also in einer Reihe von dreiunddreißig Jahren alle Jahreszeiten durch¬
läuft und im heißen Sommer, wie es eben Heuer der Fall war, wegen des
Durstes und der langen Tage, während welchen nicht einmal der Speichel
verschluckt werden darf, besonders drückend ist.


W--t.


anderen Religion als dem Islam anhängt, der findet durch sie keine Aufnahme
bei Gott, und der gehört in jener Welt zu den Untergehenden", ein Vers der
dem orthodoxesten Dogma von der allein selig machenden Kirche zur Seite
gestellt werden kann. Alle Konzessionen, die der Prophet den Juden als Lock¬
speise gemacht, wurden, Zis er sah, daß so wenige mosaische Gläubige den
Islam annahmen, widerrufen und so auch das Beobachten des jüdischen Fasttages.

Die den Fastenmonat betreffende Stelle im Koran lautet: „Ihr Gläubigen,
auch eine Fastenzeit ist euch wie eueren Vorfahren vorgeschrieben, damit ihr
gottesfürchtig seid. Eine bestimmte Zahl von Tagen sollt ihr fasten. So aber
Einer krank oder auf Reisen ist, der faste eben so viele andere Tage dafür.
Doch wer es vermag und dennoch unterläßt, der soll zur Sühne einen Armen
speisen. Doch besser ist's, dies freiwillig zu thun; noch besser, wenn ihr die
Fasten dabei beobachtet. Könntet ihr das doch einsehen! Der Monat Ramadan,
in welchem der Koran offenbart wurde als Leitung für die Menschen und
klares Zeichen des Lichts und der Scheidung (des Wahren vom Falschen) ist
der Fastenmonat." Es folgt die Aufzählung der Genüsse, deren sich die Mus¬
limen bei Tage im Ramadan zu enthalten haben und dann heißt es: „be¬
gehret was Gott euch erlaubt, esset und trinket, bis man beim Morgenstrahle
einen weißen Faden von einem schwarzen unterscheiden kann. Dann aber
haltet Fasten bis zur Nacht, ziehet euch ins Bethaus zurück."

So der Koran. Es gab eine Zeit, wo Weiber, die das Fasten gebrochen,
ertränkt wurden. Ich will nicht behaupten, daß dieses Jahr ein Gleiches ge¬
schah, aber ich kann versichern, daß diesmal das Fastengebot, welches ohnehin
zu den von Seite der mohammedanischen am meisten beobachteten Koranvor¬
schriften gehört, mit ganz besonderer Strenge eingehalten wurde, ein kein so
leicht zu befolgendes Gebot, wo sich Alles nach dem Monde richtet, der Ra¬
madan also in einer Reihe von dreiunddreißig Jahren alle Jahreszeiten durch¬
läuft und im heißen Sommer, wie es eben Heuer der Fall war, wegen des
Durstes und der langen Tage, während welchen nicht einmal der Speichel
verschluckt werden darf, besonders drückend ist.


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[0234] anderen Religion als dem Islam anhängt, der findet durch sie keine Aufnahme bei Gott, und der gehört in jener Welt zu den Untergehenden", ein Vers der dem orthodoxesten Dogma von der allein selig machenden Kirche zur Seite gestellt werden kann. Alle Konzessionen, die der Prophet den Juden als Lock¬ speise gemacht, wurden, Zis er sah, daß so wenige mosaische Gläubige den Islam annahmen, widerrufen und so auch das Beobachten des jüdischen Fasttages. Die den Fastenmonat betreffende Stelle im Koran lautet: „Ihr Gläubigen, auch eine Fastenzeit ist euch wie eueren Vorfahren vorgeschrieben, damit ihr gottesfürchtig seid. Eine bestimmte Zahl von Tagen sollt ihr fasten. So aber Einer krank oder auf Reisen ist, der faste eben so viele andere Tage dafür. Doch wer es vermag und dennoch unterläßt, der soll zur Sühne einen Armen speisen. Doch besser ist's, dies freiwillig zu thun; noch besser, wenn ihr die Fasten dabei beobachtet. Könntet ihr das doch einsehen! Der Monat Ramadan, in welchem der Koran offenbart wurde als Leitung für die Menschen und klares Zeichen des Lichts und der Scheidung (des Wahren vom Falschen) ist der Fastenmonat." Es folgt die Aufzählung der Genüsse, deren sich die Mus¬ limen bei Tage im Ramadan zu enthalten haben und dann heißt es: „be¬ gehret was Gott euch erlaubt, esset und trinket, bis man beim Morgenstrahle einen weißen Faden von einem schwarzen unterscheiden kann. Dann aber haltet Fasten bis zur Nacht, ziehet euch ins Bethaus zurück." So der Koran. Es gab eine Zeit, wo Weiber, die das Fasten gebrochen, ertränkt wurden. Ich will nicht behaupten, daß dieses Jahr ein Gleiches ge¬ schah, aber ich kann versichern, daß diesmal das Fastengebot, welches ohnehin zu den von Seite der mohammedanischen am meisten beobachteten Koranvor¬ schriften gehört, mit ganz besonderer Strenge eingehalten wurde, ein kein so leicht zu befolgendes Gebot, wo sich Alles nach dem Monde richtet, der Ra¬ madan also in einer Reihe von dreiunddreißig Jahren alle Jahreszeiten durch¬ läuft und im heißen Sommer, wie es eben Heuer der Fall war, wegen des Durstes und der langen Tage, während welchen nicht einmal der Speichel verschluckt werden darf, besonders drückend ist. W—t.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/234>, abgerufen am 01.07.2024.