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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Schlösser, um über deren Zustand zu berichten und zur Wiederherstellung der¬
selben Vorschläge zu machen. Für den Divan arbeitete er eine Denkschrift aus
über die Anwendbarkeit des preußischen Landwehrsystems für türkische Zustände
und Verhältnisse. Mit dem Meßtisch durchwanderte er die Hauptstadt, sowie
deren nächste Umgebungen und fertigte einen vorzüglichen Plan an. In den
verschiedensten Angelegenheiten wurde er zu Rathe gezogen und feine Thätigkeit
in Anspruch genommen. Allen diesen Aufgaben unterzog er sich mit der be¬
kannten anspruchslosen Tüchtigkeit und erwarb sich dadurch ebenso die Bewun¬
derung, wie die Dankbarkeit der türkischen Regierung.

Wenn sich bei den Türken eine besondere Vorliebe für preußische Jn-
struktoren kundgab und schließlich die preußische Organisation, natürlich unter
Modifikationen, wie die besonderen Verhältnisse des mosleminischen Reiches sie
mit sich brachten, auch dem Großherrlichen Heerwesen zu Grunde gelegt wurde,
so ist dies namentlich dem persönlichen Einflusse Moltkes zuzuschreiben.

Welch' hohen Werth der Sultan auf die baldige Erfüllung der von der
preußischen Regierung gemachten Zusage legte, zeigte er unter anderem dadurch,
daß, als sich die Ankunft der Jnstrnktoren in die Länge zog, bei einer in den
ersten Tagen des Angust 1837 dem preußischen Gesandten Grafen Königsmark
ertheilten Audienz, er diesen persönlich um Fürsprache bei seinem Souverän:
ersuchte. Es war dies nicht nöthig, denn am Berliner Hofe waren die Ent¬
scheidungen bereits getroffen und wenige Wochen darauf trafen die Hauptleute
"vn Vinke (Olbendorf) und Fischer vom Generalstabe, so wie von Mühlbach
von Ingenieur-Korps in Konstantinopel ein. Sie blieben mit Ausnahme
einer im Auftrage des Großherren nach der Donau unternommenen Nekognos-
zirungsreise, den Herbst und Winter über in der Hauptstadt und wurden im
Frühjahr des kommenden Jahres den verschiedenen Armee-Korps zugetheilt.

Moltke kam zur Taurus-Armee unter Hafish Pascha. Wer sich unterrichten
Kill, in welch' vielseitiger Weise er dort Verwendung fand, der lese dessen inte¬
ressante Briefe vom Jahre 1842 über Zustände und Begebenheiten in der Türkei.
N'ehe nur, daß er bei Ausbildung der Truppen unausgesetzt thätig war und bei
vorkommenden Aktionen seine Rathschläge ertheilen mußte, unternahm er auch
ausgedehnte Terrainrekoguoszirungen, um theils die vorhandenen Karten zu
berichtigen, theils neue herzustellen. Die preußischen Tiraillenrsiguale hallten in
°en Bergen von Kurdistan wieder und die Redifs Bataillone wurden im Bri-
gcide-Exeerziren nach preußischem Reglement eingeübt. Moltke giebt dem Heere
H"fish Paschas das Zeugniß, daß es unzweifelhaft die am weitesten ausge¬
bildete, am besten diszivlinirte, ausexerzierteste und doch die moralisch schlechteste
Armee war, welche die Pforte jemals aufgestellt. Auch der größte Meister
kann den Stoff wohl formen, aber nicht umwandeln. Und wenn auch weicher


Schlösser, um über deren Zustand zu berichten und zur Wiederherstellung der¬
selben Vorschläge zu machen. Für den Divan arbeitete er eine Denkschrift aus
über die Anwendbarkeit des preußischen Landwehrsystems für türkische Zustände
und Verhältnisse. Mit dem Meßtisch durchwanderte er die Hauptstadt, sowie
deren nächste Umgebungen und fertigte einen vorzüglichen Plan an. In den
verschiedensten Angelegenheiten wurde er zu Rathe gezogen und feine Thätigkeit
in Anspruch genommen. Allen diesen Aufgaben unterzog er sich mit der be¬
kannten anspruchslosen Tüchtigkeit und erwarb sich dadurch ebenso die Bewun¬
derung, wie die Dankbarkeit der türkischen Regierung.

Wenn sich bei den Türken eine besondere Vorliebe für preußische Jn-
struktoren kundgab und schließlich die preußische Organisation, natürlich unter
Modifikationen, wie die besonderen Verhältnisse des mosleminischen Reiches sie
mit sich brachten, auch dem Großherrlichen Heerwesen zu Grunde gelegt wurde,
so ist dies namentlich dem persönlichen Einflusse Moltkes zuzuschreiben.

Welch' hohen Werth der Sultan auf die baldige Erfüllung der von der
preußischen Regierung gemachten Zusage legte, zeigte er unter anderem dadurch,
daß, als sich die Ankunft der Jnstrnktoren in die Länge zog, bei einer in den
ersten Tagen des Angust 1837 dem preußischen Gesandten Grafen Königsmark
ertheilten Audienz, er diesen persönlich um Fürsprache bei seinem Souverän:
ersuchte. Es war dies nicht nöthig, denn am Berliner Hofe waren die Ent¬
scheidungen bereits getroffen und wenige Wochen darauf trafen die Hauptleute
"vn Vinke (Olbendorf) und Fischer vom Generalstabe, so wie von Mühlbach
von Ingenieur-Korps in Konstantinopel ein. Sie blieben mit Ausnahme
einer im Auftrage des Großherren nach der Donau unternommenen Nekognos-
zirungsreise, den Herbst und Winter über in der Hauptstadt und wurden im
Frühjahr des kommenden Jahres den verschiedenen Armee-Korps zugetheilt.

Moltke kam zur Taurus-Armee unter Hafish Pascha. Wer sich unterrichten
Kill, in welch' vielseitiger Weise er dort Verwendung fand, der lese dessen inte¬
ressante Briefe vom Jahre 1842 über Zustände und Begebenheiten in der Türkei.
N'ehe nur, daß er bei Ausbildung der Truppen unausgesetzt thätig war und bei
vorkommenden Aktionen seine Rathschläge ertheilen mußte, unternahm er auch
ausgedehnte Terrainrekoguoszirungen, um theils die vorhandenen Karten zu
berichtigen, theils neue herzustellen. Die preußischen Tiraillenrsiguale hallten in
°en Bergen von Kurdistan wieder und die Redifs Bataillone wurden im Bri-
gcide-Exeerziren nach preußischem Reglement eingeübt. Moltke giebt dem Heere
H"fish Paschas das Zeugniß, daß es unzweifelhaft die am weitesten ausge¬
bildete, am besten diszivlinirte, ausexerzierteste und doch die moralisch schlechteste
Armee war, welche die Pforte jemals aufgestellt. Auch der größte Meister
kann den Stoff wohl formen, aber nicht umwandeln. Und wenn auch weicher


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[0223] Schlösser, um über deren Zustand zu berichten und zur Wiederherstellung der¬ selben Vorschläge zu machen. Für den Divan arbeitete er eine Denkschrift aus über die Anwendbarkeit des preußischen Landwehrsystems für türkische Zustände und Verhältnisse. Mit dem Meßtisch durchwanderte er die Hauptstadt, sowie deren nächste Umgebungen und fertigte einen vorzüglichen Plan an. In den verschiedensten Angelegenheiten wurde er zu Rathe gezogen und feine Thätigkeit in Anspruch genommen. Allen diesen Aufgaben unterzog er sich mit der be¬ kannten anspruchslosen Tüchtigkeit und erwarb sich dadurch ebenso die Bewun¬ derung, wie die Dankbarkeit der türkischen Regierung. Wenn sich bei den Türken eine besondere Vorliebe für preußische Jn- struktoren kundgab und schließlich die preußische Organisation, natürlich unter Modifikationen, wie die besonderen Verhältnisse des mosleminischen Reiches sie mit sich brachten, auch dem Großherrlichen Heerwesen zu Grunde gelegt wurde, so ist dies namentlich dem persönlichen Einflusse Moltkes zuzuschreiben. Welch' hohen Werth der Sultan auf die baldige Erfüllung der von der preußischen Regierung gemachten Zusage legte, zeigte er unter anderem dadurch, daß, als sich die Ankunft der Jnstrnktoren in die Länge zog, bei einer in den ersten Tagen des Angust 1837 dem preußischen Gesandten Grafen Königsmark ertheilten Audienz, er diesen persönlich um Fürsprache bei seinem Souverän: ersuchte. Es war dies nicht nöthig, denn am Berliner Hofe waren die Ent¬ scheidungen bereits getroffen und wenige Wochen darauf trafen die Hauptleute "vn Vinke (Olbendorf) und Fischer vom Generalstabe, so wie von Mühlbach von Ingenieur-Korps in Konstantinopel ein. Sie blieben mit Ausnahme einer im Auftrage des Großherren nach der Donau unternommenen Nekognos- zirungsreise, den Herbst und Winter über in der Hauptstadt und wurden im Frühjahr des kommenden Jahres den verschiedenen Armee-Korps zugetheilt. Moltke kam zur Taurus-Armee unter Hafish Pascha. Wer sich unterrichten Kill, in welch' vielseitiger Weise er dort Verwendung fand, der lese dessen inte¬ ressante Briefe vom Jahre 1842 über Zustände und Begebenheiten in der Türkei. N'ehe nur, daß er bei Ausbildung der Truppen unausgesetzt thätig war und bei vorkommenden Aktionen seine Rathschläge ertheilen mußte, unternahm er auch ausgedehnte Terrainrekoguoszirungen, um theils die vorhandenen Karten zu berichtigen, theils neue herzustellen. Die preußischen Tiraillenrsiguale hallten in °en Bergen von Kurdistan wieder und die Redifs Bataillone wurden im Bri- gcide-Exeerziren nach preußischem Reglement eingeübt. Moltke giebt dem Heere H"fish Paschas das Zeugniß, daß es unzweifelhaft die am weitesten ausge¬ bildete, am besten diszivlinirte, ausexerzierteste und doch die moralisch schlechteste Armee war, welche die Pforte jemals aufgestellt. Auch der größte Meister kann den Stoff wohl formen, aber nicht umwandeln. Und wenn auch weicher

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/223>, abgerufen am 02.07.2024.