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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Thon, in Feuer gebrannt, die Widerstandskraft des Steins erlangt, so hätte
eine lange Schule der Zucht dazu gehört, um aus jenen asiatischen Horden
ein zuverlässiges Instrument für den Feldherren zu bilden. Trotz alledem
würde jedoch Hafish Pascha in der Schlacht bei Nisip 1839 der ägypptischeu
Armee unter Ibrahim Pascha nicht so schmachvoll unterlegen sein, hätte er
den Rathschlägen Moltkes Folge geleistet.

Nach dem Tode Mahmuds, und nachdem die vorgenannten preußischen
Offiziere, die jedoch wie wir bald sehen werden, anderweitig ergänzt wurden,
in ihre Helenens zurückgekehrt waren, verhieß der neue Sultan Abdulmedjet
durch den Hattischerif von Gulhane vom 3. November 1839 verschiedene Re¬
formen, wodurch namentlich auch eine Regelung der Rekrutenaushebung und
eine auf 4--5 Jahre festzusetzende militärische Dienstzeit vorgesehen war. Wenn
auch dieser Hattischerif, gleich seinen Borgäugeru und Nachfolgern, namentlich
in so weit er sich auf eine Verbesserung des Loses der Christen bezog, in der
Hauptsache ein todter Buchstabe blieb, so machten die in Aussicht gestellten
Reformen bezüglich des Militärweseus hiervon eine rühmliche Ausnahme. Es
war dies das Werk Riza Paschas. Obgleich ein eingefleischter Moslem, hatte
er genug Einsicht, um die unbedingte Nothwendigkeit jener Reformen
anzuerkennen. So sehr auch Sultan Mahmud, unter den für eine Reorgani¬
sation so ungünstigen Zeitverhältnissen, in mehr dilettantischer Weise vorge¬
arbeitet hatte, so erhielten doch erst dnrch Riza Pascha die von Moltke ge¬
machten Vorschläge in der Art ihre Ausführung, wie sie sich später als den
Verhältnissen angemessen bewährt haben und wie sie, abgesehen von Modifika¬
tionen im Einzelnen, auch noch hente bestehen. Wir müssen jedoch hierbei
noch eines Mannes Erwähnung thun, der Riza Pascha bei seinein Reorgani¬
sationswerk berathend zur Seite stand. Es ist dies der frühere preußische
Artillerie-Lieutenant vou Kuczkomski, der im Jahre 1838 mit vier Feuer¬
werkern, resp. Unteroffizieren der Garde-Artillerie, als Instrukteur nach Kon¬
stantinopel kam. Er hat speziell auf die Entwicklung der türkischen Artillerie
einen hervorragenden Einfluß ausgeübt und wenn diese Waffe noch jetzt, ob¬
gleich sie ihren Knluünatiouspnnkt längst überschritten hat, in den Kämpfen
zwischen Balkan und Donau ein sehr gewichtiges Wort mitspricht, so ist dies
ganz wesentlich das Verdienst Kuczkowski's, so wie einer Anzahl preußischer
Artillerie-Offiziere, die mit und nach ihm im Dienste der Pforte thätig waren.
Von den letzteren nennen wir nur den jetzigen preußischen Artillerie-Inspekteur
General-Major a. D. Becker, und die in den türkischen Dienst übergetretenen
Paschas Lehmann, Blühen und Strecker. Kuczkowski erreichte den Rang eines
Ferik (Divisionsgenerals) und starb 1863. Von seinen vier Begleitern existirt
nur noch einer, der frühere preußische Unteroffizier Wendt, jetzt Radi Pasch"-


Thon, in Feuer gebrannt, die Widerstandskraft des Steins erlangt, so hätte
eine lange Schule der Zucht dazu gehört, um aus jenen asiatischen Horden
ein zuverlässiges Instrument für den Feldherren zu bilden. Trotz alledem
würde jedoch Hafish Pascha in der Schlacht bei Nisip 1839 der ägypptischeu
Armee unter Ibrahim Pascha nicht so schmachvoll unterlegen sein, hätte er
den Rathschlägen Moltkes Folge geleistet.

Nach dem Tode Mahmuds, und nachdem die vorgenannten preußischen
Offiziere, die jedoch wie wir bald sehen werden, anderweitig ergänzt wurden,
in ihre Helenens zurückgekehrt waren, verhieß der neue Sultan Abdulmedjet
durch den Hattischerif von Gulhane vom 3. November 1839 verschiedene Re¬
formen, wodurch namentlich auch eine Regelung der Rekrutenaushebung und
eine auf 4—5 Jahre festzusetzende militärische Dienstzeit vorgesehen war. Wenn
auch dieser Hattischerif, gleich seinen Borgäugeru und Nachfolgern, namentlich
in so weit er sich auf eine Verbesserung des Loses der Christen bezog, in der
Hauptsache ein todter Buchstabe blieb, so machten die in Aussicht gestellten
Reformen bezüglich des Militärweseus hiervon eine rühmliche Ausnahme. Es
war dies das Werk Riza Paschas. Obgleich ein eingefleischter Moslem, hatte
er genug Einsicht, um die unbedingte Nothwendigkeit jener Reformen
anzuerkennen. So sehr auch Sultan Mahmud, unter den für eine Reorgani¬
sation so ungünstigen Zeitverhältnissen, in mehr dilettantischer Weise vorge¬
arbeitet hatte, so erhielten doch erst dnrch Riza Pascha die von Moltke ge¬
machten Vorschläge in der Art ihre Ausführung, wie sie sich später als den
Verhältnissen angemessen bewährt haben und wie sie, abgesehen von Modifika¬
tionen im Einzelnen, auch noch hente bestehen. Wir müssen jedoch hierbei
noch eines Mannes Erwähnung thun, der Riza Pascha bei seinein Reorgani¬
sationswerk berathend zur Seite stand. Es ist dies der frühere preußische
Artillerie-Lieutenant vou Kuczkomski, der im Jahre 1838 mit vier Feuer¬
werkern, resp. Unteroffizieren der Garde-Artillerie, als Instrukteur nach Kon¬
stantinopel kam. Er hat speziell auf die Entwicklung der türkischen Artillerie
einen hervorragenden Einfluß ausgeübt und wenn diese Waffe noch jetzt, ob¬
gleich sie ihren Knluünatiouspnnkt längst überschritten hat, in den Kämpfen
zwischen Balkan und Donau ein sehr gewichtiges Wort mitspricht, so ist dies
ganz wesentlich das Verdienst Kuczkowski's, so wie einer Anzahl preußischer
Artillerie-Offiziere, die mit und nach ihm im Dienste der Pforte thätig waren.
Von den letzteren nennen wir nur den jetzigen preußischen Artillerie-Inspekteur
General-Major a. D. Becker, und die in den türkischen Dienst übergetretenen
Paschas Lehmann, Blühen und Strecker. Kuczkowski erreichte den Rang eines
Ferik (Divisionsgenerals) und starb 1863. Von seinen vier Begleitern existirt
nur noch einer, der frühere preußische Unteroffizier Wendt, jetzt Radi Pasch«-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/224>, abgerufen am 01.07.2024.