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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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wichen Begräbnisse, welche durch äußeren Schmuck an ihren jauitsch arischen
Ursprung erinnerten, wurden zerschlagen, ja es erging sogar ein Verbot, auch
nur den verhaßten Namen auszusprechen.

Mit den in den übrigen Plätzen des türkischen Reiches befindlichen Janit-
scharen ging man glimpflicher um, da sie sich widerstandslos dem Willen des
Sultan unterwarfen. - Nur in Erzerum und Aleppo fanden einige Hin¬
richtungen statt. Die Köpfe der Verurteilten begleiteten die Berichte, um vor
dem Serai zur Schau ausgestellt zu werdeu. Dahingegen brachte man auf
dem Meere noch eine größere Hekatakombe dar. Großadmiral Chosrew Pascha,
der mit seiner Flotte im Aegüischeu Meere kreuzte, ließ, als er Nachricht vom
Triumphe des Sultans erhielt, sämmtliche auf seinem Schiffe befindlichen
Janitscharen, einige hundert Mann, ohne Weiteres in's Meer werfen.

Es war bereits Blut in Strömen geflossen und doch hielt sich Mahmud
seines Sieges noch nicht vollkommen gewiß. Wohl wissend, daß die bedrängten
unteren Klassen bisher in den Janitscharen ihre Verbündete,, gesehen hatten,
und daß einzelne Korporationen mit ihnen ausdrücklich affilirt gewesen waren,
benutzte er die ersten Erfolge und den allgemein verbreiteten Schrecken, um
auch in diese,, Kreisen aufzuräumen. Zwei zahlreiche Korporationen der
Hauptstadt, die Brandlöscher und die Lastträger, wurden aufgehoben, deren
Vorsteher hingerichtet und der Rest ans immer in das Innere von Anatolien
verbannt. Gleiches Schicksal traf auch deu im Geruch der Heiligkeit stehenden
Derwisch-Orden der Begtaschi, welche mit den Janitscharen, die, wie wir oben
gesehen, den heiligen Begtasch ebenfalls als ihren Schutzpatron verehrten,
ursprnngsverwandt waren. Ihre Klöster in Konstantinopel, neunzehn an der
Zahl, ließ man schleifen, ihr Scheikh wurde enthauptet und über die Derwische
das Verbannungsurtheil nach Kleinasien ausgesprochen. Sobald sie jedoch ans
dem Bereiche der Hauptstadt und ihrer Anhänger waren, entledigte sich ihrer der
Sultan in summarischer Weise, um die Ueberfahrtskosteu zu sparen. So fuhr
Mahmud mit eiserner Konsequenz fort, auch die leiseste Opposition gegen seine
Bestrebungen, die ja unzweifelhaft anf eine Wiederherstellung der Osmauischen
Macht und anf wirkliche Verbesserungen im Staatswesen hinausgingen, mit
Schwert und Strang zu verfolgen, und die Henker blieben noch lange in
Thätigkeit.

Der griechiche Aufstand und die drohende Haltung Rußlands wiesen da¬
rauf hin, vor allen Dingen eine neue Armee zu schaffen. Dieselbe sollte zu-
nächst auf 96,000 Mann regulärer Infanterie in 8 Divisionen, von je 8
Regimentern zu 1500 Manu, gebracht, dann die Artillerie bedeutend vermehrt
und europäisch geschult werden.

Wenn Mcchmnd geglaubt, es würde aus der Vernichtung des Alten die


Grvnzbow, IV. 1877.

wichen Begräbnisse, welche durch äußeren Schmuck an ihren jauitsch arischen
Ursprung erinnerten, wurden zerschlagen, ja es erging sogar ein Verbot, auch
nur den verhaßten Namen auszusprechen.

Mit den in den übrigen Plätzen des türkischen Reiches befindlichen Janit-
scharen ging man glimpflicher um, da sie sich widerstandslos dem Willen des
Sultan unterwarfen. - Nur in Erzerum und Aleppo fanden einige Hin¬
richtungen statt. Die Köpfe der Verurteilten begleiteten die Berichte, um vor
dem Serai zur Schau ausgestellt zu werdeu. Dahingegen brachte man auf
dem Meere noch eine größere Hekatakombe dar. Großadmiral Chosrew Pascha,
der mit seiner Flotte im Aegüischeu Meere kreuzte, ließ, als er Nachricht vom
Triumphe des Sultans erhielt, sämmtliche auf seinem Schiffe befindlichen
Janitscharen, einige hundert Mann, ohne Weiteres in's Meer werfen.

Es war bereits Blut in Strömen geflossen und doch hielt sich Mahmud
seines Sieges noch nicht vollkommen gewiß. Wohl wissend, daß die bedrängten
unteren Klassen bisher in den Janitscharen ihre Verbündete,, gesehen hatten,
und daß einzelne Korporationen mit ihnen ausdrücklich affilirt gewesen waren,
benutzte er die ersten Erfolge und den allgemein verbreiteten Schrecken, um
auch in diese,, Kreisen aufzuräumen. Zwei zahlreiche Korporationen der
Hauptstadt, die Brandlöscher und die Lastträger, wurden aufgehoben, deren
Vorsteher hingerichtet und der Rest ans immer in das Innere von Anatolien
verbannt. Gleiches Schicksal traf auch deu im Geruch der Heiligkeit stehenden
Derwisch-Orden der Begtaschi, welche mit den Janitscharen, die, wie wir oben
gesehen, den heiligen Begtasch ebenfalls als ihren Schutzpatron verehrten,
ursprnngsverwandt waren. Ihre Klöster in Konstantinopel, neunzehn an der
Zahl, ließ man schleifen, ihr Scheikh wurde enthauptet und über die Derwische
das Verbannungsurtheil nach Kleinasien ausgesprochen. Sobald sie jedoch ans
dem Bereiche der Hauptstadt und ihrer Anhänger waren, entledigte sich ihrer der
Sultan in summarischer Weise, um die Ueberfahrtskosteu zu sparen. So fuhr
Mahmud mit eiserner Konsequenz fort, auch die leiseste Opposition gegen seine
Bestrebungen, die ja unzweifelhaft anf eine Wiederherstellung der Osmauischen
Macht und anf wirkliche Verbesserungen im Staatswesen hinausgingen, mit
Schwert und Strang zu verfolgen, und die Henker blieben noch lange in
Thätigkeit.

Der griechiche Aufstand und die drohende Haltung Rußlands wiesen da¬
rauf hin, vor allen Dingen eine neue Armee zu schaffen. Dieselbe sollte zu-
nächst auf 96,000 Mann regulärer Infanterie in 8 Divisionen, von je 8
Regimentern zu 1500 Manu, gebracht, dann die Artillerie bedeutend vermehrt
und europäisch geschult werden.

Wenn Mcchmnd geglaubt, es würde aus der Vernichtung des Alten die


Grvnzbow, IV. 1877.
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[0221] wichen Begräbnisse, welche durch äußeren Schmuck an ihren jauitsch arischen Ursprung erinnerten, wurden zerschlagen, ja es erging sogar ein Verbot, auch nur den verhaßten Namen auszusprechen. Mit den in den übrigen Plätzen des türkischen Reiches befindlichen Janit- scharen ging man glimpflicher um, da sie sich widerstandslos dem Willen des Sultan unterwarfen. - Nur in Erzerum und Aleppo fanden einige Hin¬ richtungen statt. Die Köpfe der Verurteilten begleiteten die Berichte, um vor dem Serai zur Schau ausgestellt zu werdeu. Dahingegen brachte man auf dem Meere noch eine größere Hekatakombe dar. Großadmiral Chosrew Pascha, der mit seiner Flotte im Aegüischeu Meere kreuzte, ließ, als er Nachricht vom Triumphe des Sultans erhielt, sämmtliche auf seinem Schiffe befindlichen Janitscharen, einige hundert Mann, ohne Weiteres in's Meer werfen. Es war bereits Blut in Strömen geflossen und doch hielt sich Mahmud seines Sieges noch nicht vollkommen gewiß. Wohl wissend, daß die bedrängten unteren Klassen bisher in den Janitscharen ihre Verbündete,, gesehen hatten, und daß einzelne Korporationen mit ihnen ausdrücklich affilirt gewesen waren, benutzte er die ersten Erfolge und den allgemein verbreiteten Schrecken, um auch in diese,, Kreisen aufzuräumen. Zwei zahlreiche Korporationen der Hauptstadt, die Brandlöscher und die Lastträger, wurden aufgehoben, deren Vorsteher hingerichtet und der Rest ans immer in das Innere von Anatolien verbannt. Gleiches Schicksal traf auch deu im Geruch der Heiligkeit stehenden Derwisch-Orden der Begtaschi, welche mit den Janitscharen, die, wie wir oben gesehen, den heiligen Begtasch ebenfalls als ihren Schutzpatron verehrten, ursprnngsverwandt waren. Ihre Klöster in Konstantinopel, neunzehn an der Zahl, ließ man schleifen, ihr Scheikh wurde enthauptet und über die Derwische das Verbannungsurtheil nach Kleinasien ausgesprochen. Sobald sie jedoch ans dem Bereiche der Hauptstadt und ihrer Anhänger waren, entledigte sich ihrer der Sultan in summarischer Weise, um die Ueberfahrtskosteu zu sparen. So fuhr Mahmud mit eiserner Konsequenz fort, auch die leiseste Opposition gegen seine Bestrebungen, die ja unzweifelhaft anf eine Wiederherstellung der Osmauischen Macht und anf wirkliche Verbesserungen im Staatswesen hinausgingen, mit Schwert und Strang zu verfolgen, und die Henker blieben noch lange in Thätigkeit. Der griechiche Aufstand und die drohende Haltung Rußlands wiesen da¬ rauf hin, vor allen Dingen eine neue Armee zu schaffen. Dieselbe sollte zu- nächst auf 96,000 Mann regulärer Infanterie in 8 Divisionen, von je 8 Regimentern zu 1500 Manu, gebracht, dann die Artillerie bedeutend vermehrt und europäisch geschult werden. Wenn Mcchmnd geglaubt, es würde aus der Vernichtung des Alten die Grvnzbow, IV. 1877.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/221>, abgerufen am 02.07.2024.