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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Janitscharen-Agas zu bemächtigen. Beide Großwürdenträger hatten sich, recht¬
zeitig gewarnt, über das goldene Horn gerettet, dahingegen wurde der zwölf¬
jährige Sohn des Aga in Stücke gehauen, sein Harem geschändet und seine
Dienerschaft niedergemacht.

Da die Pöbelmasse in der Hauptstadt theilnamlos blieb, auch die früheren
Verbündeten der Janitscharen, die Artilleristen von Top-Hema, so wie die
Erbvertheidiger der Bosporus-Schlösser, ihre Theilnahme versagten, so bedürfte
es für den Sultan nur einiger Stunden Zeit, um die in der Nähe befindlichen
Truppen heranzuziehen und vermittelst derselben den Aufstand niederzuschlagen.
Durch List wurde diese Frist gewonnen. Bereits hatte sich eine überlegene
Streitmacht um die heilige Fahne des Propheten gesammelt und stand zum
Kampf bereit, als eine Deputation der Janitscharen beim Sultan erschien, um
ihre Forderungen zu stellen. Zunächst natürlich die Auflösung des Mudllem-
Jschkendj und dann die Köpfe des Großveziers, des Janitscharen-Agas, so wie
verschiedener anderer Würdenträger. Der wilde Hussein gab ihnen die schnöde
Antwort, daß sich der Sultan ihre eigenen Köpfe holen werde, sofern sie sich
nicht auf Gnade und Ungnade ergaben. Nachdem diese Aufforderung noch
einmal umsonst wiederholt, begann der Angriff und die Truppen rückten gegen
den Etmeidam vor. Da die Kartätschladungen der Angreifer die Reihen der
Janitscharen lichteten, zogen sich diese nach ihren in der Nähe liegenden Kasernen
zurück, um von dort aus den Kampf fortzusetzen. Hussein umstellte alle
Ausgänge und ließ die Kasernen in Brand stecken. Der Scheikh-ni-Jslam sprach
feierlich den Fluch über die Empörer aus und erklärte ihre Niedermetzelung
für ein gottgefälliges Werk. So begann denn ein furchtbares Blutbad, denn
wer sich dem Feuertode entziehen wollte, wurde niedergemacht. Um 9 Uhr
Abends war die Kaserne ein Trümmerhaufen über verbrannten Leichen und der
Etmeidam eine vom Blute rauchende Todtenstätte.

Damit begnügte man sich aber noch nicht. Das Gemetzel dauerte fort.
Gegen tausend Janitscharen, die sich beim Aufruhr nicht direkt betheiligt hatten,
und die, da die Thore besetzt waren, nicht flüchten konnten, wurde" ergriffen
und nach dem Hippodram vor ein Kriegsgericht geschleppt. Das Verfahren
war kurz und summarisch. Nur wenige entgingen der Verurtheilung. Eine
große Masse wurde erdrosselt und in das Marmara-Meer geworfen. Die
Feldzeichen der Janitscharen wurden zertrümmert, die Filzärmelmütze, ein
hochgeehrtes Symbol des Janitscharenthums, ward durch die Straßen geschleift
und ein Fernau veröffentlicht, welcher die Vernichtung des Korps für ewige
Zeiten aussprach. Es sollte nichts mehr an die einst so stolze Stiftung
erinnern. Die Moscheen der Janitscharen, die Tavernen und Kaffehüuser in
denen sie verkehrt hatten, wurden niedergerissen, die Leichensteine der zahl-


Janitscharen-Agas zu bemächtigen. Beide Großwürdenträger hatten sich, recht¬
zeitig gewarnt, über das goldene Horn gerettet, dahingegen wurde der zwölf¬
jährige Sohn des Aga in Stücke gehauen, sein Harem geschändet und seine
Dienerschaft niedergemacht.

Da die Pöbelmasse in der Hauptstadt theilnamlos blieb, auch die früheren
Verbündeten der Janitscharen, die Artilleristen von Top-Hema, so wie die
Erbvertheidiger der Bosporus-Schlösser, ihre Theilnahme versagten, so bedürfte
es für den Sultan nur einiger Stunden Zeit, um die in der Nähe befindlichen
Truppen heranzuziehen und vermittelst derselben den Aufstand niederzuschlagen.
Durch List wurde diese Frist gewonnen. Bereits hatte sich eine überlegene
Streitmacht um die heilige Fahne des Propheten gesammelt und stand zum
Kampf bereit, als eine Deputation der Janitscharen beim Sultan erschien, um
ihre Forderungen zu stellen. Zunächst natürlich die Auflösung des Mudllem-
Jschkendj und dann die Köpfe des Großveziers, des Janitscharen-Agas, so wie
verschiedener anderer Würdenträger. Der wilde Hussein gab ihnen die schnöde
Antwort, daß sich der Sultan ihre eigenen Köpfe holen werde, sofern sie sich
nicht auf Gnade und Ungnade ergaben. Nachdem diese Aufforderung noch
einmal umsonst wiederholt, begann der Angriff und die Truppen rückten gegen
den Etmeidam vor. Da die Kartätschladungen der Angreifer die Reihen der
Janitscharen lichteten, zogen sich diese nach ihren in der Nähe liegenden Kasernen
zurück, um von dort aus den Kampf fortzusetzen. Hussein umstellte alle
Ausgänge und ließ die Kasernen in Brand stecken. Der Scheikh-ni-Jslam sprach
feierlich den Fluch über die Empörer aus und erklärte ihre Niedermetzelung
für ein gottgefälliges Werk. So begann denn ein furchtbares Blutbad, denn
wer sich dem Feuertode entziehen wollte, wurde niedergemacht. Um 9 Uhr
Abends war die Kaserne ein Trümmerhaufen über verbrannten Leichen und der
Etmeidam eine vom Blute rauchende Todtenstätte.

Damit begnügte man sich aber noch nicht. Das Gemetzel dauerte fort.
Gegen tausend Janitscharen, die sich beim Aufruhr nicht direkt betheiligt hatten,
und die, da die Thore besetzt waren, nicht flüchten konnten, wurde» ergriffen
und nach dem Hippodram vor ein Kriegsgericht geschleppt. Das Verfahren
war kurz und summarisch. Nur wenige entgingen der Verurtheilung. Eine
große Masse wurde erdrosselt und in das Marmara-Meer geworfen. Die
Feldzeichen der Janitscharen wurden zertrümmert, die Filzärmelmütze, ein
hochgeehrtes Symbol des Janitscharenthums, ward durch die Straßen geschleift
und ein Fernau veröffentlicht, welcher die Vernichtung des Korps für ewige
Zeiten aussprach. Es sollte nichts mehr an die einst so stolze Stiftung
erinnern. Die Moscheen der Janitscharen, die Tavernen und Kaffehüuser in
denen sie verkehrt hatten, wurden niedergerissen, die Leichensteine der zahl-


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[0220] Janitscharen-Agas zu bemächtigen. Beide Großwürdenträger hatten sich, recht¬ zeitig gewarnt, über das goldene Horn gerettet, dahingegen wurde der zwölf¬ jährige Sohn des Aga in Stücke gehauen, sein Harem geschändet und seine Dienerschaft niedergemacht. Da die Pöbelmasse in der Hauptstadt theilnamlos blieb, auch die früheren Verbündeten der Janitscharen, die Artilleristen von Top-Hema, so wie die Erbvertheidiger der Bosporus-Schlösser, ihre Theilnahme versagten, so bedürfte es für den Sultan nur einiger Stunden Zeit, um die in der Nähe befindlichen Truppen heranzuziehen und vermittelst derselben den Aufstand niederzuschlagen. Durch List wurde diese Frist gewonnen. Bereits hatte sich eine überlegene Streitmacht um die heilige Fahne des Propheten gesammelt und stand zum Kampf bereit, als eine Deputation der Janitscharen beim Sultan erschien, um ihre Forderungen zu stellen. Zunächst natürlich die Auflösung des Mudllem- Jschkendj und dann die Köpfe des Großveziers, des Janitscharen-Agas, so wie verschiedener anderer Würdenträger. Der wilde Hussein gab ihnen die schnöde Antwort, daß sich der Sultan ihre eigenen Köpfe holen werde, sofern sie sich nicht auf Gnade und Ungnade ergaben. Nachdem diese Aufforderung noch einmal umsonst wiederholt, begann der Angriff und die Truppen rückten gegen den Etmeidam vor. Da die Kartätschladungen der Angreifer die Reihen der Janitscharen lichteten, zogen sich diese nach ihren in der Nähe liegenden Kasernen zurück, um von dort aus den Kampf fortzusetzen. Hussein umstellte alle Ausgänge und ließ die Kasernen in Brand stecken. Der Scheikh-ni-Jslam sprach feierlich den Fluch über die Empörer aus und erklärte ihre Niedermetzelung für ein gottgefälliges Werk. So begann denn ein furchtbares Blutbad, denn wer sich dem Feuertode entziehen wollte, wurde niedergemacht. Um 9 Uhr Abends war die Kaserne ein Trümmerhaufen über verbrannten Leichen und der Etmeidam eine vom Blute rauchende Todtenstätte. Damit begnügte man sich aber noch nicht. Das Gemetzel dauerte fort. Gegen tausend Janitscharen, die sich beim Aufruhr nicht direkt betheiligt hatten, und die, da die Thore besetzt waren, nicht flüchten konnten, wurde» ergriffen und nach dem Hippodram vor ein Kriegsgericht geschleppt. Das Verfahren war kurz und summarisch. Nur wenige entgingen der Verurtheilung. Eine große Masse wurde erdrosselt und in das Marmara-Meer geworfen. Die Feldzeichen der Janitscharen wurden zertrümmert, die Filzärmelmütze, ein hochgeehrtes Symbol des Janitscharenthums, ward durch die Straßen geschleift und ein Fernau veröffentlicht, welcher die Vernichtung des Korps für ewige Zeiten aussprach. Es sollte nichts mehr an die einst so stolze Stiftung erinnern. Die Moscheen der Janitscharen, die Tavernen und Kaffehüuser in denen sie verkehrt hatten, wurden niedergerissen, die Leichensteine der zahl-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/220>, abgerufen am 01.07.2024.