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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Anstalten, die Pagenkammern des Serai und das Jnstitttt der Abscheu^Oglan
d. h. "der unerfahrenen Knaben", letzteres als die eigentliche Pflanzschule der
Janitscharen. Werden wir uns nun auch hauptsächlich mit diesen beschäftigen,
so müssen wir, des besseren Verständnisses und der gegenseitigen Beziehungen
wegen, doch noch einige erläuternde Worte über die Pagenkammern des Sultans
sagen. Diese letzteren, in den vier Hauptresidenzen zu Adrianopel, dem alten
und neuen Serai zu Konstantinopel und zu Pera vertheilt, rekrntirten sich
ursprünglich aus den schönsten und befähigtsten Christenkindern, welche theils
als Kriegsbeute, theils als Geschenke der Großen des Reichs, dargebracht
wurden, später auch noch aus deu für die Janitscharen aufgehobenen Christen¬
knaben. Es war die Aufgabe der Pageukcunmern die ihnen überwiesenen
Zöglinge zunächst zu fanatischen Moslems zu erziehen und, je nach Geschick
und Talent, zum Hofdienst, zur Verwaltung oder auch für die Leibwache des
Großherrn die besoldeten Sipahis heranzubilden. Die Pagenkammern waren
zur Zeit der siegreichen Feldzüge mit jungen Leuten aus allen Ländern der
Christenheit überfüllt und die meisten Großveziere ans der Glanzperiode des
türkischen Reiches haben dnrch jene Pagenkammern ihren Weg gemacht.

Die ganze Macht und Kraft in der Verwaltung und im Heerwesen berichte
sonach auf Leuten, die im christlichen Glauben geboren, zu Sklaven gemacht
und zu fanatischen Moslems erzogen worden waren. Aus ihnen bildete sich
eine Aristokratie, die nicht auf Besitz, uicht auf Vorrechte der Geburt, auch
nicht einmal unbedingt anf Verdienst, sondern lediglich auf die Gnade des
Großherrn begründet war.

Nehmen wir nun da den Faden wieder anf, wo er bei Mittheilung über
die Art und Weise der Aushebung der Christenknaben unterbrochen wurde.
War die Auswahl an den steuerpflichtigen Orten beendet, dann wurden die
Knaben sogleich beschnitten, gleichmäßig eingekleidet und nach Konstantinopel
gesandt. Dort suchte man wieder diejenigen heraus, welche man geistig und
körperlich für besouders befähigt hielt und vertheilte sie unter die Pagenkam¬
mern des Serai. Die übrigen übergab man den Agaö der Abscheu-Oglau,
welche sie zunächst bei Bauern oder Handwerkern unterbrachten, bei denen sie
zu Moslems erzogen, die türkische Sprache erlernen und an tüchtige Arbeit,
an Anstrengungen jeder Art, selbst an Entbehrungen gewöhnt werden sollten.
Jährlich machten die Agas mit ihren Begleitern die Runde, um von diesen
Knaben, je nach ihren Fortschritten und ihrer körperlichen Entwicklung, so viel
nach Konstantinopel zu bringen, als das Interesse des öffentlichen Dienstes es
erheischte. Dort wurden sie nun in Kasernen untergebracht und strenger mili¬
tärischer Zucht unterworfen.

Die ganze Erziehung ging dahin, hie Künftigen Janitscharen an nnbeding-


Anstalten, die Pagenkammern des Serai und das Jnstitttt der Abscheu^Oglan
d. h. „der unerfahrenen Knaben", letzteres als die eigentliche Pflanzschule der
Janitscharen. Werden wir uns nun auch hauptsächlich mit diesen beschäftigen,
so müssen wir, des besseren Verständnisses und der gegenseitigen Beziehungen
wegen, doch noch einige erläuternde Worte über die Pagenkammern des Sultans
sagen. Diese letzteren, in den vier Hauptresidenzen zu Adrianopel, dem alten
und neuen Serai zu Konstantinopel und zu Pera vertheilt, rekrntirten sich
ursprünglich aus den schönsten und befähigtsten Christenkindern, welche theils
als Kriegsbeute, theils als Geschenke der Großen des Reichs, dargebracht
wurden, später auch noch aus deu für die Janitscharen aufgehobenen Christen¬
knaben. Es war die Aufgabe der Pageukcunmern die ihnen überwiesenen
Zöglinge zunächst zu fanatischen Moslems zu erziehen und, je nach Geschick
und Talent, zum Hofdienst, zur Verwaltung oder auch für die Leibwache des
Großherrn die besoldeten Sipahis heranzubilden. Die Pagenkammern waren
zur Zeit der siegreichen Feldzüge mit jungen Leuten aus allen Ländern der
Christenheit überfüllt und die meisten Großveziere ans der Glanzperiode des
türkischen Reiches haben dnrch jene Pagenkammern ihren Weg gemacht.

Die ganze Macht und Kraft in der Verwaltung und im Heerwesen berichte
sonach auf Leuten, die im christlichen Glauben geboren, zu Sklaven gemacht
und zu fanatischen Moslems erzogen worden waren. Aus ihnen bildete sich
eine Aristokratie, die nicht auf Besitz, uicht auf Vorrechte der Geburt, auch
nicht einmal unbedingt anf Verdienst, sondern lediglich auf die Gnade des
Großherrn begründet war.

Nehmen wir nun da den Faden wieder anf, wo er bei Mittheilung über
die Art und Weise der Aushebung der Christenknaben unterbrochen wurde.
War die Auswahl an den steuerpflichtigen Orten beendet, dann wurden die
Knaben sogleich beschnitten, gleichmäßig eingekleidet und nach Konstantinopel
gesandt. Dort suchte man wieder diejenigen heraus, welche man geistig und
körperlich für besouders befähigt hielt und vertheilte sie unter die Pagenkam¬
mern des Serai. Die übrigen übergab man den Agaö der Abscheu-Oglau,
welche sie zunächst bei Bauern oder Handwerkern unterbrachten, bei denen sie
zu Moslems erzogen, die türkische Sprache erlernen und an tüchtige Arbeit,
an Anstrengungen jeder Art, selbst an Entbehrungen gewöhnt werden sollten.
Jährlich machten die Agas mit ihren Begleitern die Runde, um von diesen
Knaben, je nach ihren Fortschritten und ihrer körperlichen Entwicklung, so viel
nach Konstantinopel zu bringen, als das Interesse des öffentlichen Dienstes es
erheischte. Dort wurden sie nun in Kasernen untergebracht und strenger mili¬
tärischer Zucht unterworfen.

Die ganze Erziehung ging dahin, hie Künftigen Janitscharen an nnbeding-


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[0192] Anstalten, die Pagenkammern des Serai und das Jnstitttt der Abscheu^Oglan d. h. „der unerfahrenen Knaben", letzteres als die eigentliche Pflanzschule der Janitscharen. Werden wir uns nun auch hauptsächlich mit diesen beschäftigen, so müssen wir, des besseren Verständnisses und der gegenseitigen Beziehungen wegen, doch noch einige erläuternde Worte über die Pagenkammern des Sultans sagen. Diese letzteren, in den vier Hauptresidenzen zu Adrianopel, dem alten und neuen Serai zu Konstantinopel und zu Pera vertheilt, rekrntirten sich ursprünglich aus den schönsten und befähigtsten Christenkindern, welche theils als Kriegsbeute, theils als Geschenke der Großen des Reichs, dargebracht wurden, später auch noch aus deu für die Janitscharen aufgehobenen Christen¬ knaben. Es war die Aufgabe der Pageukcunmern die ihnen überwiesenen Zöglinge zunächst zu fanatischen Moslems zu erziehen und, je nach Geschick und Talent, zum Hofdienst, zur Verwaltung oder auch für die Leibwache des Großherrn die besoldeten Sipahis heranzubilden. Die Pagenkammern waren zur Zeit der siegreichen Feldzüge mit jungen Leuten aus allen Ländern der Christenheit überfüllt und die meisten Großveziere ans der Glanzperiode des türkischen Reiches haben dnrch jene Pagenkammern ihren Weg gemacht. Die ganze Macht und Kraft in der Verwaltung und im Heerwesen berichte sonach auf Leuten, die im christlichen Glauben geboren, zu Sklaven gemacht und zu fanatischen Moslems erzogen worden waren. Aus ihnen bildete sich eine Aristokratie, die nicht auf Besitz, uicht auf Vorrechte der Geburt, auch nicht einmal unbedingt anf Verdienst, sondern lediglich auf die Gnade des Großherrn begründet war. Nehmen wir nun da den Faden wieder anf, wo er bei Mittheilung über die Art und Weise der Aushebung der Christenknaben unterbrochen wurde. War die Auswahl an den steuerpflichtigen Orten beendet, dann wurden die Knaben sogleich beschnitten, gleichmäßig eingekleidet und nach Konstantinopel gesandt. Dort suchte man wieder diejenigen heraus, welche man geistig und körperlich für besouders befähigt hielt und vertheilte sie unter die Pagenkam¬ mern des Serai. Die übrigen übergab man den Agaö der Abscheu-Oglau, welche sie zunächst bei Bauern oder Handwerkern unterbrachten, bei denen sie zu Moslems erzogen, die türkische Sprache erlernen und an tüchtige Arbeit, an Anstrengungen jeder Art, selbst an Entbehrungen gewöhnt werden sollten. Jährlich machten die Agas mit ihren Begleitern die Runde, um von diesen Knaben, je nach ihren Fortschritten und ihrer körperlichen Entwicklung, so viel nach Konstantinopel zu bringen, als das Interesse des öffentlichen Dienstes es erheischte. Dort wurden sie nun in Kasernen untergebracht und strenger mili¬ tärischer Zucht unterworfen. Die ganze Erziehung ging dahin, hie Künftigen Janitscharen an nnbeding-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/192>, abgerufen am 25.08.2024.