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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Ablaßgelde verkleidet zu dem Prior des Karthäuser-Klosters zu Paradies in
Pommerellen und von da über Stettin oder Frankfurt an der Oder nach Rom
zu flüchten vorhabe. Als nun Dietrich von Cuba Montags nach Judika im
Bischofshause mit seinen Freunden bei der Tafel saß, die sicherlich nicht übel
besetzt gewesen sein wird, "faßte der Hochmeister zu." Es kamen der Ordensspittler
Veit von Gieh und Siegfried Flach von Schwarzburg als ungebetene Gäste
zum Fest, bemächtigten sich des Wirths und des eingesammelten Ablaßgeldes
mit Gewalt und führten den Bischof in festem Gewahrsam nach dem Schlosse zu
Tapiau. "Dieweil er mit Güte nicht wollte, so mußte er mit Argen." Das
Verfahren des Hochmeisters fand im Lande fast ungelenke Billigung. Dieser
letzte Schritt des trotzigen und übermüthigen Prälaten hatte augenscheinlich auch
seine letzten Freunde von ihm abwendig gemacht.

Um nun sein Verhalten gegen den Bischof vor dem Papst Sixtus IV.,
dem Könige Kasimir von Polen und vor aller Welt zu rechtfertigen und in
das richtige Licht zu stellen, ließ der Hochmeister sofort die angesehensten Edel¬
leute aus Scunland und die Bürgermeister, Rathsherren und die Gemeine der
drei Städte Königsbergs aufs Schloß berufen und von ihnen eine notarielle
Erklärung abgeben, in welcher Verfassung die Kirche, Städte und Gebiete der
Diözese sich beim Anzüge des Bischofs befunden. Die Versammelten erklärten,
daß das Land sowohl, wie Kirchen und Schlösser sich zur gedachten Zeit eines
wünschenswerthen und gedeihliche" Zustandes erfreut hätten und der Bischof
von den Einkünften derselben, wie es seiner Würde geziemt, aufs Anständigste
habe leben können. Dieselbe Erklärung gaben auch die Domherren der sam-
ländischen Kirche ab. Dieselben beklagten sich gleichzeitig noch über die unver¬
antwortliche Ausplünderung ihrer Kirchen und gaben ihre Beschwerden über
den Bischof rücksichtslos mit der einstimmigen Bitte zu Protokoll, der Honn/
meister möge der Vergeudung ihres kirchlichen Eigenthums Einhalt thun,
damit dasselbe durch des Bischofs zügelloses und unordentliches Leben nicht
noch größere Verluste erleide.

Diese Zeugnisse, nebst einer ausführlichen Darstellung des Sachverhalts
übersandte der Hochmeister dem Erzbischof von Riga als dem Metropolitan
des Bischofs und bat um seinen Rath in Betreff seines weiteren Verhaltens
in der Sache. Der Erzbischof durfte nun zwar in Anbetracht seiner Stellung
das Verfahren des Hochmeisters nicht billigen. Doch ist zwischen den Zeilen
seiner Antwort deutlich zu lesen, daß auch er dem Bischöfe sein Schicksal von
ganzem Herzen gönnte. Er giebt dem Hochmeister Rath, wie er sich dem
Papste gegenüber zu verhalten und auf dem Wege des Rechts am zweck¬
mäßigsten gegen den Gefangenen weiter vorgehen solle. Zur Rechtfertigung
seiner Maßnahmen dem Papste gegenüber ließ der Hochmeister nun d:e


Ablaßgelde verkleidet zu dem Prior des Karthäuser-Klosters zu Paradies in
Pommerellen und von da über Stettin oder Frankfurt an der Oder nach Rom
zu flüchten vorhabe. Als nun Dietrich von Cuba Montags nach Judika im
Bischofshause mit seinen Freunden bei der Tafel saß, die sicherlich nicht übel
besetzt gewesen sein wird, „faßte der Hochmeister zu." Es kamen der Ordensspittler
Veit von Gieh und Siegfried Flach von Schwarzburg als ungebetene Gäste
zum Fest, bemächtigten sich des Wirths und des eingesammelten Ablaßgeldes
mit Gewalt und führten den Bischof in festem Gewahrsam nach dem Schlosse zu
Tapiau. „Dieweil er mit Güte nicht wollte, so mußte er mit Argen." Das
Verfahren des Hochmeisters fand im Lande fast ungelenke Billigung. Dieser
letzte Schritt des trotzigen und übermüthigen Prälaten hatte augenscheinlich auch
seine letzten Freunde von ihm abwendig gemacht.

Um nun sein Verhalten gegen den Bischof vor dem Papst Sixtus IV.,
dem Könige Kasimir von Polen und vor aller Welt zu rechtfertigen und in
das richtige Licht zu stellen, ließ der Hochmeister sofort die angesehensten Edel¬
leute aus Scunland und die Bürgermeister, Rathsherren und die Gemeine der
drei Städte Königsbergs aufs Schloß berufen und von ihnen eine notarielle
Erklärung abgeben, in welcher Verfassung die Kirche, Städte und Gebiete der
Diözese sich beim Anzüge des Bischofs befunden. Die Versammelten erklärten,
daß das Land sowohl, wie Kirchen und Schlösser sich zur gedachten Zeit eines
wünschenswerthen und gedeihliche» Zustandes erfreut hätten und der Bischof
von den Einkünften derselben, wie es seiner Würde geziemt, aufs Anständigste
habe leben können. Dieselbe Erklärung gaben auch die Domherren der sam-
ländischen Kirche ab. Dieselben beklagten sich gleichzeitig noch über die unver¬
antwortliche Ausplünderung ihrer Kirchen und gaben ihre Beschwerden über
den Bischof rücksichtslos mit der einstimmigen Bitte zu Protokoll, der Honn/
meister möge der Vergeudung ihres kirchlichen Eigenthums Einhalt thun,
damit dasselbe durch des Bischofs zügelloses und unordentliches Leben nicht
noch größere Verluste erleide.

Diese Zeugnisse, nebst einer ausführlichen Darstellung des Sachverhalts
übersandte der Hochmeister dem Erzbischof von Riga als dem Metropolitan
des Bischofs und bat um seinen Rath in Betreff seines weiteren Verhaltens
in der Sache. Der Erzbischof durfte nun zwar in Anbetracht seiner Stellung
das Verfahren des Hochmeisters nicht billigen. Doch ist zwischen den Zeilen
seiner Antwort deutlich zu lesen, daß auch er dem Bischöfe sein Schicksal von
ganzem Herzen gönnte. Er giebt dem Hochmeister Rath, wie er sich dem
Papste gegenüber zu verhalten und auf dem Wege des Rechts am zweck¬
mäßigsten gegen den Gefangenen weiter vorgehen solle. Zur Rechtfertigung
seiner Maßnahmen dem Papste gegenüber ließ der Hochmeister nun d:e


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[0174] Ablaßgelde verkleidet zu dem Prior des Karthäuser-Klosters zu Paradies in Pommerellen und von da über Stettin oder Frankfurt an der Oder nach Rom zu flüchten vorhabe. Als nun Dietrich von Cuba Montags nach Judika im Bischofshause mit seinen Freunden bei der Tafel saß, die sicherlich nicht übel besetzt gewesen sein wird, „faßte der Hochmeister zu." Es kamen der Ordensspittler Veit von Gieh und Siegfried Flach von Schwarzburg als ungebetene Gäste zum Fest, bemächtigten sich des Wirths und des eingesammelten Ablaßgeldes mit Gewalt und führten den Bischof in festem Gewahrsam nach dem Schlosse zu Tapiau. „Dieweil er mit Güte nicht wollte, so mußte er mit Argen." Das Verfahren des Hochmeisters fand im Lande fast ungelenke Billigung. Dieser letzte Schritt des trotzigen und übermüthigen Prälaten hatte augenscheinlich auch seine letzten Freunde von ihm abwendig gemacht. Um nun sein Verhalten gegen den Bischof vor dem Papst Sixtus IV., dem Könige Kasimir von Polen und vor aller Welt zu rechtfertigen und in das richtige Licht zu stellen, ließ der Hochmeister sofort die angesehensten Edel¬ leute aus Scunland und die Bürgermeister, Rathsherren und die Gemeine der drei Städte Königsbergs aufs Schloß berufen und von ihnen eine notarielle Erklärung abgeben, in welcher Verfassung die Kirche, Städte und Gebiete der Diözese sich beim Anzüge des Bischofs befunden. Die Versammelten erklärten, daß das Land sowohl, wie Kirchen und Schlösser sich zur gedachten Zeit eines wünschenswerthen und gedeihliche» Zustandes erfreut hätten und der Bischof von den Einkünften derselben, wie es seiner Würde geziemt, aufs Anständigste habe leben können. Dieselbe Erklärung gaben auch die Domherren der sam- ländischen Kirche ab. Dieselben beklagten sich gleichzeitig noch über die unver¬ antwortliche Ausplünderung ihrer Kirchen und gaben ihre Beschwerden über den Bischof rücksichtslos mit der einstimmigen Bitte zu Protokoll, der Honn/ meister möge der Vergeudung ihres kirchlichen Eigenthums Einhalt thun, damit dasselbe durch des Bischofs zügelloses und unordentliches Leben nicht noch größere Verluste erleide. Diese Zeugnisse, nebst einer ausführlichen Darstellung des Sachverhalts übersandte der Hochmeister dem Erzbischof von Riga als dem Metropolitan des Bischofs und bat um seinen Rath in Betreff seines weiteren Verhaltens in der Sache. Der Erzbischof durfte nun zwar in Anbetracht seiner Stellung das Verfahren des Hochmeisters nicht billigen. Doch ist zwischen den Zeilen seiner Antwort deutlich zu lesen, daß auch er dem Bischöfe sein Schicksal von ganzem Herzen gönnte. Er giebt dem Hochmeister Rath, wie er sich dem Papste gegenüber zu verhalten und auf dem Wege des Rechts am zweck¬ mäßigsten gegen den Gefangenen weiter vorgehen solle. Zur Rechtfertigung seiner Maßnahmen dem Papste gegenüber ließ der Hochmeister nun d:e

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/174>, abgerufen am 29.06.2024.