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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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ihrer Abhülfe zu denken -- kaum hatte er erfahren, daß der Hochmeister mit
der Absicht umging, einen neuen Ordensprvknrator am Hofe des Papstes zu
ernennen, als er sich um diese Stelle ans das Dringlichste bewarb. Unter
dem Vorgeben von allerlei Nachrichten, die er von Rom ans erhalten haben
wollte und mit dem Versprechen, des Beste des Ordens aus allen Kräften
wahrzunehmen, gelang es ihm, das Amt vom Hochmeister auf ein Jahr zu
erhalten. Er trat Ende 1472 seine Reise nach Rom an. Ob ihn Frau
Margareth auch auf diesem letzten Römerzuge begleitet, ist aus unseren Quellen
nicht ersichtlich. In welcher Weise er in Rom für den Orden thätig war,
mußte der Hochmeister zu seinem Verwundern bereits nach kurzer Frist im
Februar 1473 erfahren. Der Bischof hatte nämlich vom Papste Sixtus IV.,
Zwei Ablaßbnllen nicht zum Nutzen des Ordens, sondern für seinen Bischofs¬
stuhl ausgewirkt, "damit er etwas für seine getreue Dienste hätte, so er am
Päpstlichen Hofe geleistet und auch darumb, daß er sich desto stattlicher
halten möchte in Annehmung seines Bisthums, das im großen Kriege merklich
geschwächet war." -- Vou Rom aus richtete er an den Hochmeister die Bitte,
ihm zur Auslösung dieser Bullen eine Summe von fünftausend ungarischer
Gulden vorzustrecken. Der Hochmeister, der sich fortdauernd in der größten
Geldverlegenheit befand, indem ihn namentlich der Hauptmann von Sopran
w Soltau und die übrigen Soldgläubiger auf das Nachdrücklichste mahnten
und der doch den Günstling des Papstes warm zu halten alle Ursache hatte,
versprach, die bedrängte Lage des Ordens vorschützend, das Geld unter der
Bedingung vorzuschießen, daß ihm wegen Rückzahlung desselben aus den Er¬
lösen des Ablasses Sicherheit gewährt würde. Hierauf ging der Bischof nicht
ein und ließ die Sache fallen. Er brachte das Geld anderswo auf und kehrte
im Sommer 1473 mit den beiden verhängnißvollen Ablaßbullen nach Sam-
land zurück.

In der ersten, aus dem April 1473 datirten Bulle ward den Einwohnern
der Diözese Scnnland, einschließlich der Ordensmitglieder, weil das Olivenöl
im Lande sehr theuer und die Armuth in der Diözese sehr groß sei, gestattet,
w den Fastentagen Butter und Milchspeisen zu genießen, sofern sie durch Ge¬
schenke für die Wiederaufhülfe der Kirche Sorge trügen. In der zweiten,
wichtigeren Bulle von demselben Datum wurde mit Rücksicht auf die geringen
Einkünfte des Bischofs und um den Irrgläubigen, Schismatikern und Sündern
die Rückkehr in den Schoß der Kirche zu erleichtern, denen, welche an be¬
stimmten Festtagen in der Domkirche zu Königsberg beichteten, gegen Geschenke
und Spenden Ablaß für alle Sünden, Verbrechen und Vergehungen, selbst in
solchen Fällen zugesagt, die sonst dem römischen Stuhle allein vorbehalten
waren.


ihrer Abhülfe zu denken — kaum hatte er erfahren, daß der Hochmeister mit
der Absicht umging, einen neuen Ordensprvknrator am Hofe des Papstes zu
ernennen, als er sich um diese Stelle ans das Dringlichste bewarb. Unter
dem Vorgeben von allerlei Nachrichten, die er von Rom ans erhalten haben
wollte und mit dem Versprechen, des Beste des Ordens aus allen Kräften
wahrzunehmen, gelang es ihm, das Amt vom Hochmeister auf ein Jahr zu
erhalten. Er trat Ende 1472 seine Reise nach Rom an. Ob ihn Frau
Margareth auch auf diesem letzten Römerzuge begleitet, ist aus unseren Quellen
nicht ersichtlich. In welcher Weise er in Rom für den Orden thätig war,
mußte der Hochmeister zu seinem Verwundern bereits nach kurzer Frist im
Februar 1473 erfahren. Der Bischof hatte nämlich vom Papste Sixtus IV.,
Zwei Ablaßbnllen nicht zum Nutzen des Ordens, sondern für seinen Bischofs¬
stuhl ausgewirkt, „damit er etwas für seine getreue Dienste hätte, so er am
Päpstlichen Hofe geleistet und auch darumb, daß er sich desto stattlicher
halten möchte in Annehmung seines Bisthums, das im großen Kriege merklich
geschwächet war." — Vou Rom aus richtete er an den Hochmeister die Bitte,
ihm zur Auslösung dieser Bullen eine Summe von fünftausend ungarischer
Gulden vorzustrecken. Der Hochmeister, der sich fortdauernd in der größten
Geldverlegenheit befand, indem ihn namentlich der Hauptmann von Sopran
w Soltau und die übrigen Soldgläubiger auf das Nachdrücklichste mahnten
und der doch den Günstling des Papstes warm zu halten alle Ursache hatte,
versprach, die bedrängte Lage des Ordens vorschützend, das Geld unter der
Bedingung vorzuschießen, daß ihm wegen Rückzahlung desselben aus den Er¬
lösen des Ablasses Sicherheit gewährt würde. Hierauf ging der Bischof nicht
ein und ließ die Sache fallen. Er brachte das Geld anderswo auf und kehrte
im Sommer 1473 mit den beiden verhängnißvollen Ablaßbullen nach Sam-
land zurück.

In der ersten, aus dem April 1473 datirten Bulle ward den Einwohnern
der Diözese Scnnland, einschließlich der Ordensmitglieder, weil das Olivenöl
im Lande sehr theuer und die Armuth in der Diözese sehr groß sei, gestattet,
w den Fastentagen Butter und Milchspeisen zu genießen, sofern sie durch Ge¬
schenke für die Wiederaufhülfe der Kirche Sorge trügen. In der zweiten,
wichtigeren Bulle von demselben Datum wurde mit Rücksicht auf die geringen
Einkünfte des Bischofs und um den Irrgläubigen, Schismatikern und Sündern
die Rückkehr in den Schoß der Kirche zu erleichtern, denen, welche an be¬
stimmten Festtagen in der Domkirche zu Königsberg beichteten, gegen Geschenke
und Spenden Ablaß für alle Sünden, Verbrechen und Vergehungen, selbst in
solchen Fällen zugesagt, die sonst dem römischen Stuhle allein vorbehalten
waren.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/169>, abgerufen am 23.07.2024.