Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

liegende Urkunde, welche die Geheimstatuten des Templerordens enthalten soll,
selbst gefälscht ist. Das führt uns zum Inhalt dieser Geheimstatnten selbst.

Die Geheimstatnten, wie sie hier veröffentlicht werden, zerfallen in vier
Abschnitte. Der erste enthalt die bekannte Trezensische Ordensregel und kann
daher füglich übergangen werden. Der zweite Abschnitt enthält in dreißig
Paragraphen die Geheimstatnten der iratres sleeti. Er spricht unter andern:
in schneidendster Weise über die Glanbensirrthümer Neu-Babylons (Roms!),
leugnet selbst die historische Existenz Christi, schreibt das Ritual der Aufnahme
der Anßerwählten durch obscöne Küsse vor, erhärtet diese Aufnahme dnrch
Zertreten und Bespeien des Kreuzes, schließt gleichwohl die Spötter und
Leugner Christi vom Geheimbunde ans, da die Entweihung des Kreuzes nicht
Christus, sondern dem Stück Holz gelte u. s. w. Die Phrasen, welche an Stelle
der Glaubenslehren der christlichen Kirche gesetzt werden, sind jedenfalls echt
französischen Ursprungs und besagen gar nichts. Der dritte Abschnitt ist der
Stufe der Kvnsolnti gewidmet und offenbart in zwanzig Paragraphen die Fülle
von Gnade, welche Gott, wenn er "im Geiste und in der Wahrheit angebetet
wird" den Außerwühlten zu Theil werde" läßt. , Nur vollständige schrift¬
liche Beichte gegenüber den wissenden Brüdern führt den Aufzunehmenden in
dieses innere Heiligthum. Verschwiegenheit, Treue und Gehorsam hat er
außerdem zu geloben. Dann wird er von allen Observcmzen der römischen
Kirche freigesprochen. Nach dem Gebete Mosis und Jesu folgt als höchster
Trumpf das Gebet "Baphomets" d. h. Mahomeds, das geradezu mit den
Worten des Korans beginnt. Alle Anwesenden antworten nach der Salbung
des Neophiten auch mit Ja -- Allah! u. s. w. Die geheimen Wissenschaften,
wie Alchymie u. s. w. dürfen die Elekti und Konsolati nnr mit größter
Vorsicht treiben. Ueberhaupt entwickelt das Statut in seinen Vorschriften, wie
sie sich Uneingeweihten gegenüber benehmen sollen, wahrhaft jesuitischen
Scharfsinn. Sie sollen "den Juden Juden, den Sarazenen Sarazenen, den
Anhängern Um-Babylons als ihres gleichen erscheinen und Alles vermeiden,
was zu Unzutrüglichkeiten führen könnte. Es ist ihnen Alles zu thun erlaubt,
aber Alles Erlaubte nicht nöthig zu thun" u. f. w. -- Der vierte Abschnitt
endlich beschreibt uns genau den rotuuis Signorum, die geheimen Erkennungs¬
zeichen der Wissenden der verschiedenen Grade.

Der Gesammteindruck, den das Geheimstatut erzeugt, geht dahin, daß der
Templerorden unter der Maske einer religiösen, der Bekämpfung der Un¬
gläubigen und der Befestigung christlichen Glaubens und Wandels vorzugsweise
gewidmeten Korporation, lediglich den Zweck verfolgt habe, einen mächtigen
Staat im Staate zu bilden, unter vollkommener Gleichgültigkeit, ja Preisgebung
aller Glaubenssätze und selbst aller ethischen Grundsätze der damals allein an-


liegende Urkunde, welche die Geheimstatuten des Templerordens enthalten soll,
selbst gefälscht ist. Das führt uns zum Inhalt dieser Geheimstatnten selbst.

Die Geheimstatnten, wie sie hier veröffentlicht werden, zerfallen in vier
Abschnitte. Der erste enthalt die bekannte Trezensische Ordensregel und kann
daher füglich übergangen werden. Der zweite Abschnitt enthält in dreißig
Paragraphen die Geheimstatnten der iratres sleeti. Er spricht unter andern:
in schneidendster Weise über die Glanbensirrthümer Neu-Babylons (Roms!),
leugnet selbst die historische Existenz Christi, schreibt das Ritual der Aufnahme
der Anßerwählten durch obscöne Küsse vor, erhärtet diese Aufnahme dnrch
Zertreten und Bespeien des Kreuzes, schließt gleichwohl die Spötter und
Leugner Christi vom Geheimbunde ans, da die Entweihung des Kreuzes nicht
Christus, sondern dem Stück Holz gelte u. s. w. Die Phrasen, welche an Stelle
der Glaubenslehren der christlichen Kirche gesetzt werden, sind jedenfalls echt
französischen Ursprungs und besagen gar nichts. Der dritte Abschnitt ist der
Stufe der Kvnsolnti gewidmet und offenbart in zwanzig Paragraphen die Fülle
von Gnade, welche Gott, wenn er „im Geiste und in der Wahrheit angebetet
wird" den Außerwühlten zu Theil werde» läßt. , Nur vollständige schrift¬
liche Beichte gegenüber den wissenden Brüdern führt den Aufzunehmenden in
dieses innere Heiligthum. Verschwiegenheit, Treue und Gehorsam hat er
außerdem zu geloben. Dann wird er von allen Observcmzen der römischen
Kirche freigesprochen. Nach dem Gebete Mosis und Jesu folgt als höchster
Trumpf das Gebet „Baphomets" d. h. Mahomeds, das geradezu mit den
Worten des Korans beginnt. Alle Anwesenden antworten nach der Salbung
des Neophiten auch mit Ja — Allah! u. s. w. Die geheimen Wissenschaften,
wie Alchymie u. s. w. dürfen die Elekti und Konsolati nnr mit größter
Vorsicht treiben. Ueberhaupt entwickelt das Statut in seinen Vorschriften, wie
sie sich Uneingeweihten gegenüber benehmen sollen, wahrhaft jesuitischen
Scharfsinn. Sie sollen „den Juden Juden, den Sarazenen Sarazenen, den
Anhängern Um-Babylons als ihres gleichen erscheinen und Alles vermeiden,
was zu Unzutrüglichkeiten führen könnte. Es ist ihnen Alles zu thun erlaubt,
aber Alles Erlaubte nicht nöthig zu thun" u. f. w. — Der vierte Abschnitt
endlich beschreibt uns genau den rotuuis Signorum, die geheimen Erkennungs¬
zeichen der Wissenden der verschiedenen Grade.

Der Gesammteindruck, den das Geheimstatut erzeugt, geht dahin, daß der
Templerorden unter der Maske einer religiösen, der Bekämpfung der Un¬
gläubigen und der Befestigung christlichen Glaubens und Wandels vorzugsweise
gewidmeten Korporation, lediglich den Zweck verfolgt habe, einen mächtigen
Staat im Staate zu bilden, unter vollkommener Gleichgültigkeit, ja Preisgebung
aller Glaubenssätze und selbst aller ethischen Grundsätze der damals allein an-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0122" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138881"/>
          <p xml:id="ID_322" prev="#ID_321"> liegende Urkunde, welche die Geheimstatuten des Templerordens enthalten soll,<lb/>
selbst gefälscht ist. Das führt uns zum Inhalt dieser Geheimstatnten selbst.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_323"> Die Geheimstatnten, wie sie hier veröffentlicht werden, zerfallen in vier<lb/>
Abschnitte. Der erste enthalt die bekannte Trezensische Ordensregel und kann<lb/>
daher füglich übergangen werden. Der zweite Abschnitt enthält in dreißig<lb/>
Paragraphen die Geheimstatnten der iratres sleeti. Er spricht unter andern:<lb/>
in schneidendster Weise über die Glanbensirrthümer Neu-Babylons (Roms!),<lb/>
leugnet selbst die historische Existenz Christi, schreibt das Ritual der Aufnahme<lb/>
der Anßerwählten durch obscöne Küsse vor, erhärtet diese Aufnahme dnrch<lb/>
Zertreten und Bespeien des Kreuzes, schließt gleichwohl die Spötter und<lb/>
Leugner Christi vom Geheimbunde ans, da die Entweihung des Kreuzes nicht<lb/>
Christus, sondern dem Stück Holz gelte u. s. w. Die Phrasen, welche an Stelle<lb/>
der Glaubenslehren der christlichen Kirche gesetzt werden, sind jedenfalls echt<lb/>
französischen Ursprungs und besagen gar nichts. Der dritte Abschnitt ist der<lb/>
Stufe der Kvnsolnti gewidmet und offenbart in zwanzig Paragraphen die Fülle<lb/>
von Gnade, welche Gott, wenn er &#x201E;im Geiste und in der Wahrheit angebetet<lb/>
wird" den Außerwühlten zu Theil werde» läßt. , Nur vollständige schrift¬<lb/>
liche Beichte gegenüber den wissenden Brüdern führt den Aufzunehmenden in<lb/>
dieses innere Heiligthum. Verschwiegenheit, Treue und Gehorsam hat er<lb/>
außerdem zu geloben. Dann wird er von allen Observcmzen der römischen<lb/>
Kirche freigesprochen. Nach dem Gebete Mosis und Jesu folgt als höchster<lb/>
Trumpf das Gebet &#x201E;Baphomets" d. h. Mahomeds, das geradezu mit den<lb/>
Worten des Korans beginnt. Alle Anwesenden antworten nach der Salbung<lb/>
des Neophiten auch mit Ja &#x2014; Allah! u. s. w. Die geheimen Wissenschaften,<lb/>
wie Alchymie u. s. w. dürfen die Elekti und Konsolati nnr mit größter<lb/>
Vorsicht treiben. Ueberhaupt entwickelt das Statut in seinen Vorschriften, wie<lb/>
sie sich Uneingeweihten gegenüber benehmen sollen, wahrhaft jesuitischen<lb/>
Scharfsinn. Sie sollen &#x201E;den Juden Juden, den Sarazenen Sarazenen, den<lb/>
Anhängern Um-Babylons als ihres gleichen erscheinen und Alles vermeiden,<lb/>
was zu Unzutrüglichkeiten führen könnte. Es ist ihnen Alles zu thun erlaubt,<lb/>
aber Alles Erlaubte nicht nöthig zu thun" u. f. w. &#x2014; Der vierte Abschnitt<lb/>
endlich beschreibt uns genau den rotuuis Signorum, die geheimen Erkennungs¬<lb/>
zeichen der Wissenden der verschiedenen Grade.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_324" next="#ID_325"> Der Gesammteindruck, den das Geheimstatut erzeugt, geht dahin, daß der<lb/>
Templerorden unter der Maske einer religiösen, der Bekämpfung der Un¬<lb/>
gläubigen und der Befestigung christlichen Glaubens und Wandels vorzugsweise<lb/>
gewidmeten Korporation, lediglich den Zweck verfolgt habe, einen mächtigen<lb/>
Staat im Staate zu bilden, unter vollkommener Gleichgültigkeit, ja Preisgebung<lb/>
aller Glaubenssätze und selbst aller ethischen Grundsätze der damals allein an-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0122] liegende Urkunde, welche die Geheimstatuten des Templerordens enthalten soll, selbst gefälscht ist. Das führt uns zum Inhalt dieser Geheimstatnten selbst. Die Geheimstatnten, wie sie hier veröffentlicht werden, zerfallen in vier Abschnitte. Der erste enthalt die bekannte Trezensische Ordensregel und kann daher füglich übergangen werden. Der zweite Abschnitt enthält in dreißig Paragraphen die Geheimstatnten der iratres sleeti. Er spricht unter andern: in schneidendster Weise über die Glanbensirrthümer Neu-Babylons (Roms!), leugnet selbst die historische Existenz Christi, schreibt das Ritual der Aufnahme der Anßerwählten durch obscöne Küsse vor, erhärtet diese Aufnahme dnrch Zertreten und Bespeien des Kreuzes, schließt gleichwohl die Spötter und Leugner Christi vom Geheimbunde ans, da die Entweihung des Kreuzes nicht Christus, sondern dem Stück Holz gelte u. s. w. Die Phrasen, welche an Stelle der Glaubenslehren der christlichen Kirche gesetzt werden, sind jedenfalls echt französischen Ursprungs und besagen gar nichts. Der dritte Abschnitt ist der Stufe der Kvnsolnti gewidmet und offenbart in zwanzig Paragraphen die Fülle von Gnade, welche Gott, wenn er „im Geiste und in der Wahrheit angebetet wird" den Außerwühlten zu Theil werde» läßt. , Nur vollständige schrift¬ liche Beichte gegenüber den wissenden Brüdern führt den Aufzunehmenden in dieses innere Heiligthum. Verschwiegenheit, Treue und Gehorsam hat er außerdem zu geloben. Dann wird er von allen Observcmzen der römischen Kirche freigesprochen. Nach dem Gebete Mosis und Jesu folgt als höchster Trumpf das Gebet „Baphomets" d. h. Mahomeds, das geradezu mit den Worten des Korans beginnt. Alle Anwesenden antworten nach der Salbung des Neophiten auch mit Ja — Allah! u. s. w. Die geheimen Wissenschaften, wie Alchymie u. s. w. dürfen die Elekti und Konsolati nnr mit größter Vorsicht treiben. Ueberhaupt entwickelt das Statut in seinen Vorschriften, wie sie sich Uneingeweihten gegenüber benehmen sollen, wahrhaft jesuitischen Scharfsinn. Sie sollen „den Juden Juden, den Sarazenen Sarazenen, den Anhängern Um-Babylons als ihres gleichen erscheinen und Alles vermeiden, was zu Unzutrüglichkeiten führen könnte. Es ist ihnen Alles zu thun erlaubt, aber Alles Erlaubte nicht nöthig zu thun" u. f. w. — Der vierte Abschnitt endlich beschreibt uns genau den rotuuis Signorum, die geheimen Erkennungs¬ zeichen der Wissenden der verschiedenen Grade. Der Gesammteindruck, den das Geheimstatut erzeugt, geht dahin, daß der Templerorden unter der Maske einer religiösen, der Bekämpfung der Un¬ gläubigen und der Befestigung christlichen Glaubens und Wandels vorzugsweise gewidmeten Korporation, lediglich den Zweck verfolgt habe, einen mächtigen Staat im Staate zu bilden, unter vollkommener Gleichgültigkeit, ja Preisgebung aller Glaubenssätze und selbst aller ethischen Grundsätze der damals allein an-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/122
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/122>, abgerufen am 05.02.2025.