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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Munter (geb. 14. Oktober 1762, geht. als Bischof von Seeland 9. April 1830).
Er hat notorisch in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die päpst¬
lichen und anderen Archive in Rom sür seine kirchengeschichtlichen Studien
durchforscht. Er hat ganz gewiß die Untersuchungsakten gegen den Templer¬
orden dort in Händen gehabt und excerpirt, denn er selbst hat schon 1794 einen
einen Theil dieser Auszüge veröffentlicht (namentlich den ersten Theil des in der
Corsinischeu Bibliothek vorgefundenen Statuteubuches des Ordens) und in einem
Briefe vom 17. März 1826 an Ferdinand Wilcke, dem Historiographen des
Templerordens, diesem den angeblichen Rest seiner Aufzeichnungen, die schon
damals "seit 30 Jahren unangesehen in seinem Schranke gelegen", übersendet.
Das Geheimstatut der Templer befand sich nicht darunter. Aber eine sehr
merkwürdige Stelle in dem Briefe Münters an Wilcke verräth, daß Ersterem
diese Statuten bekannt waren und er sich -- man braucht nur an seine Stel¬
lung zu denken -- scheute, sie an die Öffentlichkeit bringen zu lassen. Er
schreibt nämlich: "Was die Beschuldigung der Ketzerei (der Templer) betrifft, fo
erlauben Sie mir den Rath, in Beurtheilung derselben vorsichtig
zu sein ... Ich war der festen Ueberzeugung, die Tempelherren seien
katholisch-orthodox gewesen. Diese ist aber seither bei mir
wankend geworden. Ihr Verkehr mit Armenien konnte sie leicht mit
Pciulieianern in Verbindung bringen und es wäre doch wohl möglich, daß
gnostische Meinungen sich bei ihnen eingeschlichen hätten." Daß Münter die
von ihm selbst genommene Abschrift der Geheimstatnten der Templer Wilcke
absichtlich verheimlichte, wird auch durch die Thatsache indizirt, daß Münter
nahe Beziehungen hatte zu freimaurerischen Kreisen, welche den sogenannten
"christlichen Templern" angehörten und deren Ordensillnsivnen durch Veröffent¬
lichung der Geheimstatuten der Templer, die voll der rohesten Ketzereien waren
unsanft in den Sand gesetzt worden wären.

Wenn wir nun auch keinen genauen Nachweis darüber erhalten, wie die
von Münter genommene Abschrift in die Hände Bober's gelangt ist und bezw.
bereits gelangt war, als Münter den oben citirten Brief an Wilcke schrieb,
so sind wir doch mit dem Verfasser geneigt, anzunehmen, daß Münter die
Abschrift der Geheimstatuten des Templerordens, welche Merzdorf benutzt, in
der That selbst im Vatikan besorgt hat. Von drei anderen Personen, die
allenfalls uoch in Frage kommen könnten, weist Merzdorf überzeugend die
Unmöglichkeit der Betheiligung oder selbständigen Initiative nach.

Ist Münter der Urheber der dem Vatikanischen Archiv entnommenen Abschrift,
so ist auch zweifellos dargethan, daß er die Urkunde so abgeschrieben hat,
wie er dieselbe vorfand. Damit wäre also die Aechtheit der Originalurkunde
erwiesen -- insoweit nicht überwiegende Gründe darthun, daß die im Vatikan


Munter (geb. 14. Oktober 1762, geht. als Bischof von Seeland 9. April 1830).
Er hat notorisch in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die päpst¬
lichen und anderen Archive in Rom sür seine kirchengeschichtlichen Studien
durchforscht. Er hat ganz gewiß die Untersuchungsakten gegen den Templer¬
orden dort in Händen gehabt und excerpirt, denn er selbst hat schon 1794 einen
einen Theil dieser Auszüge veröffentlicht (namentlich den ersten Theil des in der
Corsinischeu Bibliothek vorgefundenen Statuteubuches des Ordens) und in einem
Briefe vom 17. März 1826 an Ferdinand Wilcke, dem Historiographen des
Templerordens, diesem den angeblichen Rest seiner Aufzeichnungen, die schon
damals „seit 30 Jahren unangesehen in seinem Schranke gelegen", übersendet.
Das Geheimstatut der Templer befand sich nicht darunter. Aber eine sehr
merkwürdige Stelle in dem Briefe Münters an Wilcke verräth, daß Ersterem
diese Statuten bekannt waren und er sich — man braucht nur an seine Stel¬
lung zu denken — scheute, sie an die Öffentlichkeit bringen zu lassen. Er
schreibt nämlich: „Was die Beschuldigung der Ketzerei (der Templer) betrifft, fo
erlauben Sie mir den Rath, in Beurtheilung derselben vorsichtig
zu sein ... Ich war der festen Ueberzeugung, die Tempelherren seien
katholisch-orthodox gewesen. Diese ist aber seither bei mir
wankend geworden. Ihr Verkehr mit Armenien konnte sie leicht mit
Pciulieianern in Verbindung bringen und es wäre doch wohl möglich, daß
gnostische Meinungen sich bei ihnen eingeschlichen hätten." Daß Münter die
von ihm selbst genommene Abschrift der Geheimstatnten der Templer Wilcke
absichtlich verheimlichte, wird auch durch die Thatsache indizirt, daß Münter
nahe Beziehungen hatte zu freimaurerischen Kreisen, welche den sogenannten
„christlichen Templern" angehörten und deren Ordensillnsivnen durch Veröffent¬
lichung der Geheimstatuten der Templer, die voll der rohesten Ketzereien waren
unsanft in den Sand gesetzt worden wären.

Wenn wir nun auch keinen genauen Nachweis darüber erhalten, wie die
von Münter genommene Abschrift in die Hände Bober's gelangt ist und bezw.
bereits gelangt war, als Münter den oben citirten Brief an Wilcke schrieb,
so sind wir doch mit dem Verfasser geneigt, anzunehmen, daß Münter die
Abschrift der Geheimstatuten des Templerordens, welche Merzdorf benutzt, in
der That selbst im Vatikan besorgt hat. Von drei anderen Personen, die
allenfalls uoch in Frage kommen könnten, weist Merzdorf überzeugend die
Unmöglichkeit der Betheiligung oder selbständigen Initiative nach.

Ist Münter der Urheber der dem Vatikanischen Archiv entnommenen Abschrift,
so ist auch zweifellos dargethan, daß er die Urkunde so abgeschrieben hat,
wie er dieselbe vorfand. Damit wäre also die Aechtheit der Originalurkunde
erwiesen — insoweit nicht überwiegende Gründe darthun, daß die im Vatikan


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/121>, abgerufen am 02.10.2024.