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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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aber sie arbeitete so langsam, so unpraktisch und mit so bedeutenden Kosten,
daß die Landstände sogar an die Sistirung der Arbeit der Steuerrevisiou
dachten. -- Neben all dem war ein großer Theil der Landgemeinden von den
Einquartirungen und Durchmärschen betroffen, für welche jede Vergütung aus¬
blieb. Daneben lastete auf den Gemeinden das diesen aufgenöthigte Corps
der Inspektoren der Orgeln, der Saiger, der Darren, der Feuermauern, und
der in jedem Orte obligatorisch zu haltenden Habichtsfänger, die lediglich
un Interesse der fürstlichen Jagden bandirten.

In den wenigen Städten fehlte jede geschäftliche Regsamkeit, da die
Handelssperre kein Geschäft aufkommen ließ. Auf fremden Produkten, Glas,
Eisen, Tabakspfeifen ruhte ein unerschwinglicher Zoll; alles sollte im Lande
selbst fabrizirt werden. Da natürlich die Nachbarstaaten von ähnlicher mer¬
kantiler Weisheit beherrscht wurden, so war Weimar isolirt, es fand keine Ge¬
legenheit zum Absatz seiner Produkte im Auslande. Zeugfabriken, Strumpf-
lvarenmanufakturen zu fördern, hatte sich Ernst August zur hauptsächlichsten
Aufgabe gesetzt, aber auch mit ihnen wollte es nicht vorwärts, besonders da
Ernst August alle Militärbedürfnisse außer Landes, in Leipzig und Erfurt
kaufen ließ. War der Wohlstand in den Städten durch die Haltung der so¬
genannten Stadtregimenter gedrückt, die z.B.Apolda von 1729--1747 dreißig-
^usent Thaler kosteten, so vermehrte sich dieses Unheil durch die Gesetze, welche
^ Freizügigkeit der Bevölkerung hinderlich waren. Kein Mensch unter vier-
undzwanzig Jahren durfte einen eignen Hausstand begründen, wenn er nicht
^hörige Prozente von seinem Vermögen abließ. Da das Abzngsgeld auf
lunf Prozent festgesetzt war, kamen wenige Fremde in das Land; die Lage
esselben war ohnehin nicht verlockend. Wer hinein kam, hatte wohl
Steuerfreiheit auf gewisse Jahre, aber bevor diese verstrichen waren, hatte er
auch schon davon geschlichen und nicht selten Schulden und Kinder Hinter¬
en. Gewisse Klassen, wie der Adel, die Rathsverwandter, die Geistlichen
und Advokaten oder deren Frauen durften nicht einmal Immobilien erwerben,
""es solche an Zahlungsstatt annehmen, -- und am meisten klagten die Stadt-
^the, die alle Ursache hatten, ihre Privilegien und Lehen zu überwachen, da
'-'use August es sich, trotz hoher Bezahlung, angelegen sein ließ, die Bestäti¬
gungsurkunden nicht herauszugeben.

Dem gegenüber stand die Bevorzugung Einzelner durch landesherrliche
meide. Die Landesregierung war fast ausschließlich in den Händen Aus¬
wärtiger. In den höchsten Kollegien saß kein einziges Landeskind, und von
" 'en Mitgliedern derselben konnte nur eine einzige Person unbewegliches Ver-
'^'gen nachweisen. Das persönliche Wohlwollen des Fürsten spielte eine un¬
gerechtfertigte Rolle bei der Ertheilung hoher Pensionen. Gänzlich unmotivirte


aber sie arbeitete so langsam, so unpraktisch und mit so bedeutenden Kosten,
daß die Landstände sogar an die Sistirung der Arbeit der Steuerrevisiou
dachten. — Neben all dem war ein großer Theil der Landgemeinden von den
Einquartirungen und Durchmärschen betroffen, für welche jede Vergütung aus¬
blieb. Daneben lastete auf den Gemeinden das diesen aufgenöthigte Corps
der Inspektoren der Orgeln, der Saiger, der Darren, der Feuermauern, und
der in jedem Orte obligatorisch zu haltenden Habichtsfänger, die lediglich
un Interesse der fürstlichen Jagden bandirten.

In den wenigen Städten fehlte jede geschäftliche Regsamkeit, da die
Handelssperre kein Geschäft aufkommen ließ. Auf fremden Produkten, Glas,
Eisen, Tabakspfeifen ruhte ein unerschwinglicher Zoll; alles sollte im Lande
selbst fabrizirt werden. Da natürlich die Nachbarstaaten von ähnlicher mer¬
kantiler Weisheit beherrscht wurden, so war Weimar isolirt, es fand keine Ge¬
legenheit zum Absatz seiner Produkte im Auslande. Zeugfabriken, Strumpf-
lvarenmanufakturen zu fördern, hatte sich Ernst August zur hauptsächlichsten
Aufgabe gesetzt, aber auch mit ihnen wollte es nicht vorwärts, besonders da
Ernst August alle Militärbedürfnisse außer Landes, in Leipzig und Erfurt
kaufen ließ. War der Wohlstand in den Städten durch die Haltung der so¬
genannten Stadtregimenter gedrückt, die z.B.Apolda von 1729—1747 dreißig-
^usent Thaler kosteten, so vermehrte sich dieses Unheil durch die Gesetze, welche
^ Freizügigkeit der Bevölkerung hinderlich waren. Kein Mensch unter vier-
undzwanzig Jahren durfte einen eignen Hausstand begründen, wenn er nicht
^hörige Prozente von seinem Vermögen abließ. Da das Abzngsgeld auf
lunf Prozent festgesetzt war, kamen wenige Fremde in das Land; die Lage
esselben war ohnehin nicht verlockend. Wer hinein kam, hatte wohl
Steuerfreiheit auf gewisse Jahre, aber bevor diese verstrichen waren, hatte er
auch schon davon geschlichen und nicht selten Schulden und Kinder Hinter¬
en. Gewisse Klassen, wie der Adel, die Rathsverwandter, die Geistlichen
und Advokaten oder deren Frauen durften nicht einmal Immobilien erwerben,
""es solche an Zahlungsstatt annehmen, — und am meisten klagten die Stadt-
^the, die alle Ursache hatten, ihre Privilegien und Lehen zu überwachen, da
'-'use August es sich, trotz hoher Bezahlung, angelegen sein ließ, die Bestäti¬
gungsurkunden nicht herauszugeben.

Dem gegenüber stand die Bevorzugung Einzelner durch landesherrliche
meide. Die Landesregierung war fast ausschließlich in den Händen Aus¬
wärtiger. In den höchsten Kollegien saß kein einziges Landeskind, und von
" 'en Mitgliedern derselben konnte nur eine einzige Person unbewegliches Ver-
'^'gen nachweisen. Das persönliche Wohlwollen des Fürsten spielte eine un¬
gerechtfertigte Rolle bei der Ertheilung hoher Pensionen. Gänzlich unmotivirte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/97>, abgerufen am 28.09.2024.