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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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den ordentlichen Steuern liefen die außerordentlichen, die Wacht- und Ein¬
kommensteuer, die Fourngelieferungeu, die Accise, Geschoß, Tranksteuer, Ge¬
treidegeld und Abzugsgeld; des Brauntweinpachtes gar nicht zu gedenken, der
damals sehr ausgebreitet war. In der Periode von 1730--1746 hatte man
einen fast uneinbringlichen Stenerrest von 62,373 Thalern für den kleinen
weimarischen Theil allein. Alle systematisch betriebenen Exekutionen hatten so
gut wie keinen Erfolg. Viele Unterthanen liefen außer Landes, bettelten noth-
dürftig die Steuern zusammen, die sie, bevor Ortssteuereinnahmen überhaupt
als zweckmäßig erkannt und eingerichtet waren, in Weimar erlegen mußten,
wenn der Exekutor sie nicht schon vorher holte. Auf die Eintreibung der
Steuerreste gingen schon 1737 anderthalb Steuertermine des ganzen
Laudes auf; der Extrakosten, welche die Unterthanen natürlich trugen, gar
nicht zu gedenken. Bei dem Dorfe Ulrichshalben wurden diese allein ans
achthundert Gulden veranschlagt. --

Gehen wir insbesondere auf die Lage des flachen Landes über, so zeigt
sich, daß Ackerbau und Viehzucht ganz darniederlagen. Die Dörfer zeigten
dies schon in ihrem Aeußern. Die elenden Baracken suchte man dadurch zu
beseitigen und sie im Mangel einer Brandkasse bei den außerordentlich häufigen
Bränden einigermaßen dadurch sicher zu stellen, daß man zwangsweise die
Ziegeldachung einführen wollte. Der Sturm aber, der sich gegen dieses Ge¬
setz erhob, zeigt klar, daß es unausführbar war, da im allgemeinen allein
schon die Ausgaben für ein Ziegeldach das ganze Gebäude erdrückt Hütten.
Der Betrieb der Land wirthschaft war da gar nicht möglich, wo die Jagdlieb¬
haberei des Herzogs in der Begünstigung der Jagd und im Aufbau von Lust¬
schlössern sich dokumentirte. München, Belvedere, Ettersburg und Troistedt
sind alle in dieser Zeit entstanden, entstanden durch drückende Frohnden, ver¬
bunden mit Geld- und Prügelstrafen. An den Anbau der von Wald begrenzten
Felder dachten die Unterthanen gar nicht mehr, da das sorgfältig gepflegte
Hochwild nichts aufkommen ließ. Dazu kamen das Verbot der Ausfuhr der
Landesprodukte, die bedeutenden Fouragelieferungeu für das Militär, welches
mehr brauchte, als das Land, namentlich in ungünstigen Jahren, produzirte;
hauptsächlich aber blieb das Verbot für Auswärtige, im Lande etwas zu kaufen,
höchst drückend. Die Privatwaldnngeu unterlagen der strengsten staatlichen
Kontrole; Holzlesen, Holzschlag, überhaupt die Bewirthschaftung hing von dein
herzoglichen Forst- und Jagdpersonale ab, dessen unzählige Angen eine über¬
scharfe Kontrole übten. Das Holz stieg bis zu unerschwinglichen Preisen, und
die Landbevölkerung verbrannte aus Noth alles, was zur Düngung der Felder
nöthig war. Während dessen arbeitete die Stenerrevisiou im ganzen Lande
mit allen Kräften, um der Bevölkerung eine noch höhere Beschockung aufzulegen;


den ordentlichen Steuern liefen die außerordentlichen, die Wacht- und Ein¬
kommensteuer, die Fourngelieferungeu, die Accise, Geschoß, Tranksteuer, Ge¬
treidegeld und Abzugsgeld; des Brauntweinpachtes gar nicht zu gedenken, der
damals sehr ausgebreitet war. In der Periode von 1730—1746 hatte man
einen fast uneinbringlichen Stenerrest von 62,373 Thalern für den kleinen
weimarischen Theil allein. Alle systematisch betriebenen Exekutionen hatten so
gut wie keinen Erfolg. Viele Unterthanen liefen außer Landes, bettelten noth-
dürftig die Steuern zusammen, die sie, bevor Ortssteuereinnahmen überhaupt
als zweckmäßig erkannt und eingerichtet waren, in Weimar erlegen mußten,
wenn der Exekutor sie nicht schon vorher holte. Auf die Eintreibung der
Steuerreste gingen schon 1737 anderthalb Steuertermine des ganzen
Laudes auf; der Extrakosten, welche die Unterthanen natürlich trugen, gar
nicht zu gedenken. Bei dem Dorfe Ulrichshalben wurden diese allein ans
achthundert Gulden veranschlagt. —

Gehen wir insbesondere auf die Lage des flachen Landes über, so zeigt
sich, daß Ackerbau und Viehzucht ganz darniederlagen. Die Dörfer zeigten
dies schon in ihrem Aeußern. Die elenden Baracken suchte man dadurch zu
beseitigen und sie im Mangel einer Brandkasse bei den außerordentlich häufigen
Bränden einigermaßen dadurch sicher zu stellen, daß man zwangsweise die
Ziegeldachung einführen wollte. Der Sturm aber, der sich gegen dieses Ge¬
setz erhob, zeigt klar, daß es unausführbar war, da im allgemeinen allein
schon die Ausgaben für ein Ziegeldach das ganze Gebäude erdrückt Hütten.
Der Betrieb der Land wirthschaft war da gar nicht möglich, wo die Jagdlieb¬
haberei des Herzogs in der Begünstigung der Jagd und im Aufbau von Lust¬
schlössern sich dokumentirte. München, Belvedere, Ettersburg und Troistedt
sind alle in dieser Zeit entstanden, entstanden durch drückende Frohnden, ver¬
bunden mit Geld- und Prügelstrafen. An den Anbau der von Wald begrenzten
Felder dachten die Unterthanen gar nicht mehr, da das sorgfältig gepflegte
Hochwild nichts aufkommen ließ. Dazu kamen das Verbot der Ausfuhr der
Landesprodukte, die bedeutenden Fouragelieferungeu für das Militär, welches
mehr brauchte, als das Land, namentlich in ungünstigen Jahren, produzirte;
hauptsächlich aber blieb das Verbot für Auswärtige, im Lande etwas zu kaufen,
höchst drückend. Die Privatwaldnngeu unterlagen der strengsten staatlichen
Kontrole; Holzlesen, Holzschlag, überhaupt die Bewirthschaftung hing von dein
herzoglichen Forst- und Jagdpersonale ab, dessen unzählige Angen eine über¬
scharfe Kontrole übten. Das Holz stieg bis zu unerschwinglichen Preisen, und
die Landbevölkerung verbrannte aus Noth alles, was zur Düngung der Felder
nöthig war. Während dessen arbeitete die Stenerrevisiou im ganzen Lande
mit allen Kräften, um der Bevölkerung eine noch höhere Beschockung aufzulegen;


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[0096] den ordentlichen Steuern liefen die außerordentlichen, die Wacht- und Ein¬ kommensteuer, die Fourngelieferungeu, die Accise, Geschoß, Tranksteuer, Ge¬ treidegeld und Abzugsgeld; des Brauntweinpachtes gar nicht zu gedenken, der damals sehr ausgebreitet war. In der Periode von 1730—1746 hatte man einen fast uneinbringlichen Stenerrest von 62,373 Thalern für den kleinen weimarischen Theil allein. Alle systematisch betriebenen Exekutionen hatten so gut wie keinen Erfolg. Viele Unterthanen liefen außer Landes, bettelten noth- dürftig die Steuern zusammen, die sie, bevor Ortssteuereinnahmen überhaupt als zweckmäßig erkannt und eingerichtet waren, in Weimar erlegen mußten, wenn der Exekutor sie nicht schon vorher holte. Auf die Eintreibung der Steuerreste gingen schon 1737 anderthalb Steuertermine des ganzen Laudes auf; der Extrakosten, welche die Unterthanen natürlich trugen, gar nicht zu gedenken. Bei dem Dorfe Ulrichshalben wurden diese allein ans achthundert Gulden veranschlagt. — Gehen wir insbesondere auf die Lage des flachen Landes über, so zeigt sich, daß Ackerbau und Viehzucht ganz darniederlagen. Die Dörfer zeigten dies schon in ihrem Aeußern. Die elenden Baracken suchte man dadurch zu beseitigen und sie im Mangel einer Brandkasse bei den außerordentlich häufigen Bränden einigermaßen dadurch sicher zu stellen, daß man zwangsweise die Ziegeldachung einführen wollte. Der Sturm aber, der sich gegen dieses Ge¬ setz erhob, zeigt klar, daß es unausführbar war, da im allgemeinen allein schon die Ausgaben für ein Ziegeldach das ganze Gebäude erdrückt Hütten. Der Betrieb der Land wirthschaft war da gar nicht möglich, wo die Jagdlieb¬ haberei des Herzogs in der Begünstigung der Jagd und im Aufbau von Lust¬ schlössern sich dokumentirte. München, Belvedere, Ettersburg und Troistedt sind alle in dieser Zeit entstanden, entstanden durch drückende Frohnden, ver¬ bunden mit Geld- und Prügelstrafen. An den Anbau der von Wald begrenzten Felder dachten die Unterthanen gar nicht mehr, da das sorgfältig gepflegte Hochwild nichts aufkommen ließ. Dazu kamen das Verbot der Ausfuhr der Landesprodukte, die bedeutenden Fouragelieferungeu für das Militär, welches mehr brauchte, als das Land, namentlich in ungünstigen Jahren, produzirte; hauptsächlich aber blieb das Verbot für Auswärtige, im Lande etwas zu kaufen, höchst drückend. Die Privatwaldnngeu unterlagen der strengsten staatlichen Kontrole; Holzlesen, Holzschlag, überhaupt die Bewirthschaftung hing von dein herzoglichen Forst- und Jagdpersonale ab, dessen unzählige Angen eine über¬ scharfe Kontrole übten. Das Holz stieg bis zu unerschwinglichen Preisen, und die Landbevölkerung verbrannte aus Noth alles, was zur Düngung der Felder nöthig war. Während dessen arbeitete die Stenerrevisiou im ganzen Lande mit allen Kräften, um der Bevölkerung eine noch höhere Beschockung aufzulegen;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/96>, abgerufen am 23.07.2024.